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Heimatschutz in Deutschland.
und es wäre ein trauriges Zeichen für unser Volk gewesen, wenn ein Appell
hier auf tauben Boden gefallen wäre.
Dies tat er nicht. Unser Appell fand williges Gehör und offene Herzen.
Es war eine Freude zu sehen, wie rasch vielen Tausenden die Augen auf-
gingen, wie willig man die Aufgaben des Heimatschutzes aufnahm, wie un-
zählige Köpfe und Hände jetzt rasch zu helfen und zu bessern sich bemühten.
Natürlich war mit dem guten Willen allein noch nicht geholfen; ein
Volk, das viele Jahrzehnte seine Sinne verschlossen hielt, dem in zwei Gene-
rationen jede Erziehung für sichtbare Schönheit gefehlt hat, ist nicht durch
einen Aufruf oder durch ein Buch oder durch einen Verein im Handumdrehen
zu einem sinnlich feinfühligen und künstlerisch sicher gestaltenden umzu-
wandeln. Bei' einem halbwegs Bildungsfähigen lassen sich schließlich durch
stetige Hinweise die Instinkte wieder so weit wecken, daß er den ungeheuer
großen Wert unserer überkommenen Natur- und Kulturschätze einigermaßen
erkennen lernt und die Notwendigkeit begreift, sie nicht unnütz zu zerstören.
Aber so einfach liegen die Dinge bei uns nicht mehr, daß damit alles getan
sei. Die Wertung der Werke im Sichtbaren ist deswegen heute doppelt
schwer, weil der rapide Niedergang des schlichten, natürlichen Gefühls für
Natur und Kunst zeitlich zusammenfällt mit der Zeit der großen Wandlung
auf allen Gebieten, mit dem Anbruch der modernen Zeit, die sich auf sehr
veränderten Bedingungen auf sozialem und technischem Gebiet und besonders
auf einem vollkommenen Umschwung der menschlichen Erkenntnis im weitesten
Sinne aufbaute.
So war es denn natürlich, daß die Einsicht, die die neuen Anhänger
des Heimatschutzes sich aneigneten, sich in sehr verschiedenem Grade ent-
wickelte, was nicht allein zu manchen Meinungsverschiedenheiten intra muros
führen, sondern auch gewaltige Kontroversen im Bereich der Öffentlichkeit
mit wirklichen Gegnern oder auch oft nur vermeintlichen Gegnern des
Heimatschutzes mit sich bringen mußte.
Natürlich, wer im Vertreter des Heimatschutzgedankens nur den
Romantiker sieht, der in letzter Stunde den Versuch macht, die wenigen
Reste einer verwelkten Schönheit künstlich zu konservieren, hätte wohl ein
Recht darauf, in uns zwar gut gewillte, aber tatenschwache Schwärmer zu
sehen. Ich glaube aber, daß diese Gegner des Heimatschutzes doch nur
recht wenige in unserem Kreise finden dürften, die so weltfremd und so
wenig mit dem Sinn und Geist unserer Zeit vertraut sind. Bei einer Ver-
einigung, wie der unsrigen, die nach Zehntausenden zählt, mag es ja auch
solche geben, und es ist sogar in einem gewissen Grade natürlich, daß einer,
der zum ersten Male die Häßlichkeit unserer Umgebung wahrnimmt, seine
Arbeit mit dem Programm beginnt, die Reste unserer Vergangenheit, die er
soeben neu lieben gelernt hat, unter allen Umständen zu bewahren. Es ist
bei uns so ungeheuer viel sinnlos zerstört worden, daß heute auch diejenigen
nützliche Arbeit tun, die sich zunächst jeder Zerstörung und jeder Ver-
änderung hindernd in den Weg legen. Wirklich fruchtbar und für die
Zukunft sorgend kann natürlich die Ideen des Heimatschutzes nur ent-
wickeln, wer begriffen hat, daß das Leben überhaupt eine ständige Umbildung
und Neubildung bedeutet, und daß es nicht darauf ankommt, die Dinge museal
zu konservieren, sondern eine jede Schönheit jeden Tag neu zu begreifen und
neu zu erleben. Und nur der schafft echte Kultur, der nicht allein die
Heimatschutz in Deutschland.
und es wäre ein trauriges Zeichen für unser Volk gewesen, wenn ein Appell
hier auf tauben Boden gefallen wäre.
Dies tat er nicht. Unser Appell fand williges Gehör und offene Herzen.
Es war eine Freude zu sehen, wie rasch vielen Tausenden die Augen auf-
gingen, wie willig man die Aufgaben des Heimatschutzes aufnahm, wie un-
zählige Köpfe und Hände jetzt rasch zu helfen und zu bessern sich bemühten.
Natürlich war mit dem guten Willen allein noch nicht geholfen; ein
Volk, das viele Jahrzehnte seine Sinne verschlossen hielt, dem in zwei Gene-
rationen jede Erziehung für sichtbare Schönheit gefehlt hat, ist nicht durch
einen Aufruf oder durch ein Buch oder durch einen Verein im Handumdrehen
zu einem sinnlich feinfühligen und künstlerisch sicher gestaltenden umzu-
wandeln. Bei' einem halbwegs Bildungsfähigen lassen sich schließlich durch
stetige Hinweise die Instinkte wieder so weit wecken, daß er den ungeheuer
großen Wert unserer überkommenen Natur- und Kulturschätze einigermaßen
erkennen lernt und die Notwendigkeit begreift, sie nicht unnütz zu zerstören.
Aber so einfach liegen die Dinge bei uns nicht mehr, daß damit alles getan
sei. Die Wertung der Werke im Sichtbaren ist deswegen heute doppelt
schwer, weil der rapide Niedergang des schlichten, natürlichen Gefühls für
Natur und Kunst zeitlich zusammenfällt mit der Zeit der großen Wandlung
auf allen Gebieten, mit dem Anbruch der modernen Zeit, die sich auf sehr
veränderten Bedingungen auf sozialem und technischem Gebiet und besonders
auf einem vollkommenen Umschwung der menschlichen Erkenntnis im weitesten
Sinne aufbaute.
So war es denn natürlich, daß die Einsicht, die die neuen Anhänger
des Heimatschutzes sich aneigneten, sich in sehr verschiedenem Grade ent-
wickelte, was nicht allein zu manchen Meinungsverschiedenheiten intra muros
führen, sondern auch gewaltige Kontroversen im Bereich der Öffentlichkeit
mit wirklichen Gegnern oder auch oft nur vermeintlichen Gegnern des
Heimatschutzes mit sich bringen mußte.
Natürlich, wer im Vertreter des Heimatschutzgedankens nur den
Romantiker sieht, der in letzter Stunde den Versuch macht, die wenigen
Reste einer verwelkten Schönheit künstlich zu konservieren, hätte wohl ein
Recht darauf, in uns zwar gut gewillte, aber tatenschwache Schwärmer zu
sehen. Ich glaube aber, daß diese Gegner des Heimatschutzes doch nur
recht wenige in unserem Kreise finden dürften, die so weltfremd und so
wenig mit dem Sinn und Geist unserer Zeit vertraut sind. Bei einer Ver-
einigung, wie der unsrigen, die nach Zehntausenden zählt, mag es ja auch
solche geben, und es ist sogar in einem gewissen Grade natürlich, daß einer,
der zum ersten Male die Häßlichkeit unserer Umgebung wahrnimmt, seine
Arbeit mit dem Programm beginnt, die Reste unserer Vergangenheit, die er
soeben neu lieben gelernt hat, unter allen Umständen zu bewahren. Es ist
bei uns so ungeheuer viel sinnlos zerstört worden, daß heute auch diejenigen
nützliche Arbeit tun, die sich zunächst jeder Zerstörung und jeder Ver-
änderung hindernd in den Weg legen. Wirklich fruchtbar und für die
Zukunft sorgend kann natürlich die Ideen des Heimatschutzes nur ent-
wickeln, wer begriffen hat, daß das Leben überhaupt eine ständige Umbildung
und Neubildung bedeutet, und daß es nicht darauf ankommt, die Dinge museal
zu konservieren, sondern eine jede Schönheit jeden Tag neu zu begreifen und
neu zu erleben. Und nur der schafft echte Kultur, der nicht allein die