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Tag für Denkmalpflege
Stenographischer Bericht: Vierzehnter Tag für Denkmalpflege — 14.1921

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Erste Sitzung, Donnerstag, den 22. September, vormittags 9 Uhr
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https://doi.org/10.11588/diglit.29777#0024
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und Demütigungen arleben miissen, ist dies nicht mit Eecht als die Fort-
setzung des Kiieges mit anderen Mitteln bezeichnet worden? Nicht Freuden-
tränen, sondern Tiänen der Schmach, der Wut und Erbitterung sind es
gewesen, mit denen wir diesen Fiiedensschluß begrüßt haben, der zugleich
das Signal zu den gewaltsamen Umsturzbewegungen gegeben hat, zu den
inneren Kämpfen, unter denen wir heute noch so schwer zu leiden haben.

Der Krieg ist zu Ende, aber vom Frieden ist unser armes, schwerge-
prüftes Vaterland noch weit entfernt!

Und doch!

Wie damals die deutschen Stämme sich von den scliweren Folgen
jenes Dreißigjährigen Krieges in zwar langsamem, aber stetigem Aufstieg
allmählich wieder erlrolt haben, wie später die zweite große Katastrophe,
in die wir durch den Imperialismus und die Ländergier des großen Korsen
geraten waren, in fleißiger, zielbewußter Arbeit unter preußischer Führung
politisch und wirtschaftlich überwunden worden ist, und wie schließüch
unter Bismarcks Leitung nach neuen blutigen Kriegen der deutsche Ein-
heitstraum im neugegründeten Deutschen Eeiche zu glorreicher Erfüllung
gebracht worden ist, so sehen wir auch jetzt unter den denkbar schwierigsten
und traurigsten Verhältnissen unser Volk unverdrossen und zielbewußt
am Werke des Wiederaufbaues tätig, auf allen Gebieten des geistigen und
wirtschaftlichen Lebens eifrig und teilweise auch schon erfolgreich bemüht,
den deutschen Namen in cler Welt wieder zu Ehre und Ansehen zu bringen.

Mit der Sorge um den Wiederaufbau des Zerstörten rnuß aber die
Sorge urn die Eihaltung unseres geistigen und materiellen Besitzstandes
Hand in Hand gehen: die Pflege deutscher Wissenschaft und Kunst, die
Fürsorge für die dürch den Heldenmut unseres Heeres vor feindlicher Zer-
störung oder Verstünrnrelung bewahrten Kunstdenkmäler, der Schutz der
deutschen Heimat.

Hier liegt unser Arbeitsgebiet!

Inr Sinne von Montalenrberts geflügeltem Worte: „Les longs soirve-
nirs font les grands peuples“ erfüllen wir Denknralpfleger und ITeimatschützler
mit unserer Tätigkeit aber nicht nur eine bedeutsanre nationale Aufgabe,
sondern wir dürfen aus der Beschäftigung mit den Werken unserer Väter,
mit den Erzeugnissen unserer großen künstlerischen Vergangenheit zu-
gleich die Hoffnung schöpfen auf den Wiederaufbau Deutschlands auch
in künstlerischer Beziehung und auf die baldige Wiedererlangung unserer
bisherigen kulturellen Vormachtstellung.

So treten wir denn auch heute wieder an die Arbeiten des Tages für
Denkmalpflege heran in der frolren Hoffnung und Zuversicht auf die Wieder-
erstarkung und Wiedergenesung rrnseres in seinern Elend doppelt geliebten
deutschen Vaterlandes. (Beifall.)

Seit unserer letzten Tagung haben wir mehrere, sehr schmerzliche Ver-
luste in unseren Eeihen zu verzeichnen:

Anfangs Juni d. J. starb der Eegierungs- und Baurat a. D. Paul Tornow
in Chazelles bei Metz im 73. Lebensjahre unmittelbar vor seiner Übersiedlung
nach Untermarchtal an der Donau, wo er ein ruhiges Unterkommen für
sein Alter zu finden hoffte, nachdem ihnr die Stätte seines bisherigen Wirkens
durch den traurigen Unrschwung der politischen Verhältnisse vollständig
verleidet worden war. Seit. dem Beginn unserer Tagungen lrat Tornow
 
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