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Stintzing, Johann August Roderich von
Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland am Ende des fünfzehnten und im Anfang des sechszehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.3037#0038
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XXXVIII

gei'rdiieter Besehaffcnheit, wenn wir auf den w issenscbaftli ch e n Gc-
halt schcn. Um so höher ist ilwc geschichtliche Bedeutung: dcnn
ohne ste hätte sich die Rezeption des römischen Rcchts nicht pollendcn können,
weil nur durch sie die ungeheure stluft ausgcfüllt wurde, welche zwischen
der rwn Italien überkommencn Iurisprudenz und dem bürgerlichen Lebcn
Deutschlands bestand.

Der durchschlagendc Charakter dcr populären Litcratur liegt darin,
daß sie nicht auf wissenschaftlichcs Berständniß, sondern auf Erfassung dcs
Positipen mit dcm Gedächtniß; nicht auf das Bcgreifen dcs inneren Zu-
sammenhangs, sondern auf die Einprägung der äußerlichcn Unterscheidungen;
nicht auf die Erkenntniß des Wcsens dcr Rcchtsinstilute, sondern auf die
Erlcrnung ihrer formalen Erscheinung hinarbcitet. Mit kurzgefaßlen Regeln,
Ucbersichten und Auszügen, mit Bcrzcichnisscn der Einthcilungen und Titel-
Ucbcrschriften, war man bemüht, eine mcchanischc Herrschaft über den In-
balt dcr großen Rcchtsbüchcr zu begründcn ; und um leicht dem Gedächt
nisse nachhelfen zu könncn, ward häufig der alphabetischen Ordnung dcr
Lorzug eingeräumt. Die Rechtsgeschäfte und gerichtlichen Handlungen
erfaßte man vvn ihrer formalen Leite, als derjcnigcn, welchc sich dem Ge-
dächtnisse am lcichtestcn einprägt: man lchrte und lernte sie in gedrängten
Ucbersichten und zahlrcichen Fvrmeln, durch derim Besitz man zugleich den
Inhalt bis zu einem gewissen Grade bcherrschte.

Bezcichnend ist es fcrner, daß wir in dieser populären Literatur von
dcr Berücksichtigung des heimischcn Rechts mit wenigen Ausnahmcn nur
geringe Spuren sinden. Ihr Zweck liegt in dcr Erlernung und Anwen-
dung des fremdcn Rcchts. Allein wcnn wir bishcr porzugsweise pom
römischcn Rechte sprachen, weil eben dcssen Einbürgerung das Ziel unserer
Betrachtungen ist, so muß hicr an die bckannte Thatsachc crinnert wcrden,
daß sich dieselbc nur in stäter Begleitung dcs kanonischen Otechts pollzogen
bat. Wie sich dies in der gelehrten Literatur zeigt, so tritt es auch in der
populärcn greifbar hervor, weshalb wir hier nicht von einer bloß römischen,
sondcrn nur von einer römisch-kanonischen Doctrin und Praris
rcdcn, und kcinen dieser bciden Bestandtheilc in unsercr Darstellung ab-
sondcrn können; wir wcrden sogar mit Rücksicht auf Aehnlichkeit und Per-
wandtschaft manche Schriftcn hcrcinzichen müssen, wclche vorzugsweise odcr
ausschließlich das kanonische Recht berücksichtigen. Ganz besonders gilt
das Gesagte von dcn prozeffualischcn Hülssbüchern: denn auf diescm Ge-
bietc hatte das kanonische Rccht mehr als auf eincm andern die römischen
 
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