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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 1): Kapitell-, Tür- und Gesimsformen der Kirchen des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.71525#0194
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stimmten Werkstatt verweist. Für die Datierung der Kir-
che ist wichtig, daß nicht nur bei den Apsiskapitellen von
Qalblöze, sondern auch bei einigen Bauten des G. Zäwiye
eine über die Kapitelle der El Hosn hinausführende Ver-
schmelzung der Außenvoluten mit dem Abakusrand so-
wie eine Rückbildung des Kalathosmotives zu beobach-
ten ist.
Die Architravblöcke mit Rankendekor (Taf. 73d. e)
zeigen in der Wiedergabe der großen Ranke, die nach
Skizzierung der Umrißformen aus der glatten Fläche her-
ausgearbeitet wurde, die Hände einzelner, auf verschiede-
nem Niveau arbeitender Steinmetzen. In El Bära selbst
treffen wir auf der Haupttür zweier Häuser die charakte-
ristische Form der großen Ranke als Ornament eines
Wulstprofils in leichter Veränderung an. Türen mit dieser
Profilform treten im G. Zäwiye in datiertem Zusammen-
hang zum ersten Mal bei dem Bad von Sergilla auf (473 n.
Chr.; Taf. 83e). Denkbar ist, daß die Beziehung des
Hauptarchitravs in der El Hosn zu Häusern am gleichen
Ort und Häusern des G. Zäwiye generell wie auch die Un-
terschiede in seiner Ausarbeitung als Hinweis auf die In-
tegration lokaler Werkleute bei der Herstellung der De-
korationsformen zu deuten sind. Für diese Annahme
könnten auch die Ornamentfriese bei den Türen der
West- und Nordfassade sprechen, auf deren enge Bezie-
hungen zur Hausarchitektur ich schon hingewiesen habe.
Es sind jedoch die engen Beziehungen zwischen den
Akanthusformen der Architrave und den Apsis- bzw. ei-
nigen Säulenkapitellen, die größte Vorsicht gebieten: Bis
zur umfassenden Bearbeitung der Kirche sollte die even-
tuelle Beteiligung lokaler Werkleute bei der Bearbeitung
der Blattranken und der korinthischen Kapitelle offen-
bleiben.
Abschließend seien die Hauptzüge des Dekorationssy-
stems dem Befund in den Kirchen von Q. el Banät und
Qalblöze gegenübergestellt:
Das Apsisinnengesims liegt über den Kapitellen des
Apsisbogens und wurde als Kämpfergesims auf der West-
seite herumgeführt - eine Anordnung, die der in der Kir-
che von H. el Hatlb (473 n. Chr.) und der Ostkirche von
Qalcat Simcän nicht direkt vergleichbar, aber verwandt
ist und in Q. el Banät und Qalblöze keine Parallele hat.
Die Apsis ist durch eine einfache Tür mit dem südlichen
Nebenraum verbunden, besitzt jedoch, im Gegensatz zu
den vergleichbaren Türen von Qalblöze, kein Gebälk.
Beide Apsisnebenräume öffnen sich durch eine Tür zum
Seitenschiff, es gibt also wie in Q. el Banät keinen Marty-
rionbogen.
Nicht in Q. el Banät und Qalblöze, sondern erst in der
Ostkirche von Mecez trafen wir ausschließlich korinthi-
sche Säulenkapitelle mit detailliertem Akanthus in einem
Geschoß an, doch wurden sie dort - die Kapitelle der Pfei-
lervorlagen ausgenommen - nicht wie in der El Hosn für
den Bau gearbeitet, sondern aus einem antiken Bau
übernommen. Es ist jedoch an die besondere Situation

der Basilika von Qalblöze mit ihrer Zusammenarbeit von
lokalen und städtischen Werkleuten zu erinnern. Denn
dort sind die Apsisdekoration und der Sturz der südli-
chen Haupttür mit ihren aufwendigen Blatt- und Ran-
kenformen, von städtischen Werkleuten gearbeitet, nicht
nur in Einzelformen, sondern in der Dominanz des detail-
liert ausgearbeiteten Akanthus der Formenwelt »klassi-
scher Tradition« in der El Hosn vergleichbar.
Die Angleichung der West- an die Dekoration der Süd-
und darüber hinaus auch an die Nordtüren trafen wir in
der Antiochene zum ersten Mal in Q. el Banät an, doch
wiederholt sich in der El Hosn nicht der Ornamentreich-
tum der Rahmenprofile, den wir im Norden nicht nur in
Qalblöze, sondern auch bei einigen Bauten lokaler Werk-
stätten antrafen. Bemerkenswert ist die Nähe der Türen
in der Kirche von Bettir (471 n. Chr.) mit ihrer Verbin-
dung von Akanthusfries hier und Flechtbandornamentik
lokaler Tradition dort (Taf. 51b) zu dem Befund in der El
Hosn.
Ein wichtiger Aspekt der Kapitellplastik im Oberge-
schoß der El Hosn ist die optimale Nutzung der im Kalk-
stein liegenden Möglichkeiten bei der Ausarbeitung der
Akanthusformen. Die äußerst lebendige, kräftig model-
lierende Darstellungsweise ist zweifellos in einem Zu-
sammenhang mit dem Kalathosmotiv und bestimmten,
zu älterer Kapitellplastik zurückführenden Einzelformen
zu sehen, und d. h., sie ist Ausdruck der bewußten Er-
neuerung des korinthischen Kapitells. Sie wurde aber
auch beeinflußt von der Ausbildung der Kernform, die
bei diesen Architravkapitellen mit Scamillus weitaus we-
niger von der Funktion her gesehen wurde als in den mitt-
leren und nördlichen Regionen der Antiochene. Ich
werde auf diesen Aspekt und auf Fragen der Datierung
nach der Beschreibung der Hauptkirche El Bäras und der
von ihr geprägten Kirchen des 5. Jhs. zurückkom-
men1035).

Kirchen des 5. Jhs. mit ausschließlich
korinthischen Kapitellen

EL BÄRA
Die Hauptkirche (E 5)1036)
Eine dreischiffige, zweigeschossige Säulenbasilika mit
Kolonnaden im Unter- und Säulenarkaden im Oberge-
1035) Dazu S. 175. 178. 202.
W36) Tchalenko, Villages II Taf. XII; Sodini, Eglises Abb. 90. Unsere
Numerierung weicht von der in diesem Artikel ab, weil ihr wie bei den
anderen Kirchen El Bäras die topographische Abfolge zugrunde liegt.

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