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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 2): Das 6. und frühe 7. Jahrhundert — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.71526#0045
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Mäanderfries, wenn auch in anderer Position, aus mehre-
ren Bauten des 5. Jhs. bekannt108.
Besonderes Gewicht hat der Hauptfries der Apsisar-
chivolte mit den zahlreichen, aus der Auflösung traditio-
neller Blattformen hervorgegangenen Einzelmotiven,
weil das Vorgehen der Steinmetze bei der Zusammenset-
zung der neu entwickelten Motive direkt zu den Kapitellen
in Aleppo zurückführt (vgl. Taf. 6c; 7d; 8c mit Taf. 14a).
Wichtig ist, daß zwei der erhaltenen Fragmente doku-
mentieren, daß neben den neuen Motiven auf einzelnen
Bogensteinen auch Blattfriese mit normalen Blättern
bzw. mit Dreiecksmustern in glatter Blattfläche saßen
(Taf. 16f). Das bedeutet, daß aus der Vielfalt der Formen
auf der Apsisarchivolte nur ein kleiner Ausschnitt erhal-
ten blieb. Dieser außergewöhnliche Befund wiederholt
sich - nach bisheriger Kenntnis109 — nur noch ein einzi-
ges Mal in einer Kirche des 6. Jahrhunderts - auf der
SO-Tür der Klosterkirche von Deir Setä (Taf. 18).
Apsisinnengesims. Von ihm blieben zwei Quader erhal-
ten (Taf. 15d)110. Das Gesims setzt sich zuammen aus einem
schweren, akzentuiert vorkragenden Wulstprofil, das
oben und unten von einer Leiste eingefaßt wird, sowie
einer weit zurückspringenden unteren Abschlußleiste111.
Auf das Wulstprofil ist eine Blattranke und auf die untere
Rahmenleiste ein Fries aus spitzgezackten Blattzacken
vom Typus der Apsisarchivolte skulptiert. Die Form der
Blattranke, für die die Form der schmalen, von tief schat-
tender Negativrille geteilten Blätter gewählt wurde, ist
aus der Ostkirche von Q. Simcän112, den Südtüren von
Turmanln (Taf. 16b) und einer ganzen Reihe anderer
Bauten des 6. Jhs. bekannt (Taf. 18a; 57b; 111c)113. Die
Organisation der Ranke ist hier auf den ersten Blick
schwer lesbar, weil das Bewegungsschema von dem Stein-
metzen nicht gut ausgeführt wurde und zudem auch die
zentralen Granatapfelmotive als Negativmuster wieder-
gegeben wurden. Ein Blick auf die entsprechenden Ran-
ken in Q. Simcän114 und Turmanln (Taf. 16b) zeigt, daß
dort der Bewegungsfluß der Ranke und die Blattformen
wesentlich besser wiedergegeben wurden als in Deir Setä.
Kapitell einer der östlichen Pfeilervorlagen. Dreiseitiges
korinthisches Kapitell mit detailliert ausgearbeitetem
Akanthus und zentralem Medaillon in der oberen Blatt-
reihe der Stirnseite (Taf. 15a. c)115. Seiner Gesamtform
nach ist es den östlichen Vorlagenkapitellen der Ostkir-
che in Qalcat Simcän nahe, da es seiner Deckplatte nach
ein Doppelkapitell ist, die Blattreihen seiner Längsseiten
jedoch durchgehend und ohne Zweiteilung oder Mitte-
lachse gearbeitet sind116. Auf der Stirnseite schließen sich die
beiden Blattreihen in durchgehender Berührung der seit-
lichen Blattzacken, während auf den Längsseiten lang-
stielige Caules trennend zwischen den oberen Blättern
aufsteigen. Die am Deckplattenrand abschließende Zone
der Hüllblattkelche ist streng horizontal von der oberen
Blattreihe getrennt. Auf allen Seiten herrscht ein Blatty-
pus, der - wäre von der Kirche nur dieses Kapitell erhal-

ten - sich direkt in die Formenwelt von Q. Simcän ein-
ordnen würde. Allein auf der Stirnseite sind die Blätter
durch die Steigerung der Blattzacken etwas reicher un-
tergliedert. Das kleeblattförmige Mittelmedaillon mit
einem Vierblatt-Kreuz als Füllmotiv (Taf. 15c) nimmt
die volle Höhe der oberen Blattreihe ein und reicht bis
zum Rand der Deckplatte hinauf.
Säulenkapitelle. Von einem korinthischen Kapitell
blieb die obere Kapitellhälfte erhalten (Taf. 15b), von
dem Kapitell der Zeichnung bei de Vogüe, das auch
durch das Photo von Butler dokumentiert ist (Taf.
14f)117ein Fragment (Taf. 14e) und von einem weiteren
Kapitell ebenfalls ein Fragment (Taf. 14d). Ihre Aussage
wird ergänzt durch die Kapitelle der Klosterkirche von
Deir Setä, die, wie wir sehen werden, eng mit denen der
Nordkirche Zusammenhängen.
Es ist nicht zu bezweifeln, daß auf den Säulen aus-
schließlich korinthische Kapitelle mit normalem und mit
windbewegtem Akanthus in verschiedenen Blattypen
saßen und daß sie in ihren Blattformen einerseits zum
Zentrum QaFat Simcän und andererseits zu den Kapitel-
len der Madrasa al Hallawiya führen.
Das Fragment eines korinthischen Kapitells mit glatt
ausgearbeiteten Blättern und Dreiecksmustern in den
Blattflächen (Taf. 15b; Abb. 1 f. h) führt direkt zu eini-
gen Kapitellen in QaFat Simcän zurück und ist diesen
nicht nur in der Ausbildung der Blattkränze, sondern
auch in der Form der Caules mit abgekanteter Spitze so-
wie der Anlage der Hüllblätter außerordentlich nahe118.
Seine Deckplatte wurde mit Scamillus gearbeitet — ein
wichtiger Befund, den wir in den zentralen Regionen
auch im 6. Jahrhundert nur bei städtischen Werkleuten
antreffen werden. Hervorzuheben ist, daß keines der
Kapitelle in Aleppo die Dreiecksmuster in einer der

108 Er ist eines der Hauptornamente lokaler Bauten der zentralen
Regionen - siehe S. 66.
109 Er könnte auch die Apsisarchivolte in der Westkirche von Turin
geprägt haben hier sind die Freilegungsarbeiten im Kircheninneren ab-
zuwarten.
110 Khoury, Deir Setä II Abb. 135.
111 Für diese spezielle Ausbildung des Wulstprofils kann ich bis jetzt
nur eine Parallele aus einem Bau des Bergmassivs nennen: eine der
Türen der Westkirche von Mecez (Taf. 57d). Sie begegnet jedoch häu-
figer bei nordmesopotamischen Bauten - dazu S. 76.
112 Strube, Baudekoration I Taf. 86a.
113 Neben der Westkirche von Turin ist hier vor allem die Westkirche
von Mecez zu nennen. Weiteres Beispiel bei Naccache, Decor II, Taf.
CL, 2.
114 Strube, Baudekoration ITaf. 86a.
115 Khoury, Deir Setä Abb. 151.
116 Zur Form der Deckplatten siehe Strube, Baudekoration I 97
Abb. 6.
117 de Vogüe Taf. 116; AAES II196.
118 Vergleiche Strube, Baudekoration ITaf. 88b. 106b.e.

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