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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 2): Das 6. und frühe 7. Jahrhundert — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.71526#0139
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Gruppe II.
Kirchen mit überwiegend oder ausschließlich
korinthischen Kapitellen

EINFÜHRUNG
Es gibt kaum eine lokale Werkstatt des 6. und frühen
7. Jahrhunderts, die nicht wenigstens eine der Neuerun-
gen des großen Bauzentrums von Qalcat Simcän über-
nommen hat, doch die Intensität sowie die Art und
Weise, in der dies geschah, waren höchst unterschiedlich.
Die Kirchen, deren Dekorationsformen von lokalen
Werkleuten gearbeitet wurden, teilen sich auf in zwei
große Gruppen, die sich wie im 5. Jahrhundert am be-
sten anhand der Säulenkapitelle gegeneinander abgren-
zen lassen: Kirchen mit korinthischen Kapitellen als
Hauptform und Kirchen, in denen korinthische, ioni-
sche, toskanische und Varianten bzw. Umbildungen des
toskanischen Kapitells in einer Säulenreihe nebeneinan-
der saßen. Das Erstaunliche an dem Befund der Kirchen
mit korinthischen Kapitelle ist die Tatsache, daß sie alle
Säulenkapitelle mit glattem Akanthus aufweisen und bis
jetzt keine Kirche regionaler Tradition aus den zentralen
Regionen der Antiochene (Karte 1—3) bekannt wurde, in
der korinthische Kapitelle mit gekerbten Blattformen -
vergleichbar der Kirche des 6. Jhs. von Frikya im Gebel
Zäwiye (Karte 4) — das Gesamtbild des Innenraumes be-
stimmten.

öebel Barisa
ALLATA ES SARQIYE
Der zwischen dem öebel Bärlsä und dem Südteil des
Öebel il Acla auf einer Berghöhe gelegene Ort524 war bis
zum Bau einer Asphaltstrasse in den 80 ger Jahren nur
über eine Piste von der Strasse Funduq-Armenaz aus er-
reichbar. H.C. Butler und G. Tchalenko suchten ihn
nicht auf, doch I. Pena, P. Castellana und R. Fernandez
nahmen ihn in ihr Inventar auf und stellten zum ersten
Mal die außerhalb des Ortes gelegene Kirche525 vor. Ich
kam erst 1989 nach Abschluß der Materialaufnahmen
zum 6. Jahrhundert nach Allata und fertigte Photos und
Skizzen von den Kapitellen und Türen in Fundlage an.
Kirche des 6. Jhs.
Eine dreischiffige Säulenarkaden-Basilika526 mit je sieben
Säulenjochen auf der N- wie S-Seite, halbrunder Apsis

mit nördlichem Apsisnebenraum und südlichem Marty-
rion bei gerade abschließender O-Wand (Taf. 85b. c),
zwei Türen in der Süd- und wohl einer Tür in der Nord-
und Westfassade. Die auf einem hohen Podium stehende
Kirche war ihrer Lage nach wahrscheinlich eine Pilger-
kirche. Nach den Angaben des Inventars ist der Bau
28,80 m lang und 18,80 m breit. Ich konnte ihn erst
1989, nach Abschluß der Außenaufnahmen, aufsuchen
und habe alle Kapitelle im Versturz photographiert.
Erhaltungszustand. Die Säulenarkaden-Hochwände
und der größte Teil der West-, Nord- und Südfassade sind
eingestürzt. Im Ostteil der Kirche sind in situ: Das Apsis-
rund mit seinen drei Außenfenstern (Taf. 85c), das Apsis-
innengesims (Abb. 85d), die erste sowie ein Teil der zwei-
ten und dritten Quaderlage der Apsiskalotte (Taf. 85b),
die Nordwand des Martyrions bis zur Höhe der Apsiska-
lotte sowie seine O-Wand bis zum Ansatz des Ostfensters,
die Ostfassade bis zur Fensterlaibung des nördlichen Ne-
benraumes, der Osteil der Nordwand mit seinem Podium
und einem Quader des fortlaufenden Fenstergesimses, die
unteren Quaderlagen der Nord- und Westfassade. Von
den ehemals 12 Säulenkapitellen konnten 9 in Fundlage
im Kircheninneren und jeweils ein weiteres vor der West-
und Südfassade ausgemacht werden. Ebenfalls im Ober-
flächenbefund sichtbar sind: ein großer Teil der Säulen
und Säulenbasen, ein Teil der Fassadengesimse, ein Frag-
ment der SO-Tür (Taf. 86a) sowie zwei Vorlagenkapitelle
und ein Reliquiar innerhalb des Martyrions (Taf. 85e. f).
Apsisinnengesims. Es schloß in Höhe der Apsiskapitelle ab
(Taf. 85d), kombiniert ein oberes Wulstprofil mit der
Profilfolge der Fassadengesime - hohe obere Leiste, cyma
recta und drei Faszien - und ist somit reicher als die ent-
sprechenden Gesimse in den großen Kirchen der Antio-
chene, die im Vorangehenden vorgestellt wurden. Alle
Profile sind ohne Ornament.
Kapitelle des Apsisbogens. Korinthische Kapitelle mit
glatt ausgearbeiteten Blattformen mit Rankenelementen

524 Er wurde in das Inventar des Gebel il Acla aufgenommen — In-
ventare II 50 ff. und nach der Beschreibung der Regionengrenze
des öebel Bärlsä bei Tchalenko - Tchalenko, Villages III 130 ff. - ist
diese Zuweisung auch überzeugend. Dennoch wurde er hier unter
dem öebel Bärlsä geführt, weil ich durchgehend nach dem Karten-
system Tchalenkos zitiert habe - Tchalenko, Villages II Taf. IV.
525 Inventaire 50 ff. Abb. 3—6.
526 a. O. Abb. 3.

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