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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0015
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EINLEITUNG.

Bas an Raphaels Sposalizio so anzieht, ist der zart-
lyrische Ausdruck, der sich in dieser Weichheit wohl
in keinem anderen Bilde des Meisters findet. Die
sittsame Andacht der Jungfrau, der ritterliche Ernst
des Joseph, das freundliche Auftreten des Hohenpriesters, die
vornehme Zurückhaltung der Frauen links, die liebenswürdige
Art, in der sich die Männer rechts getröstet haben, das
Alles bewegt sich nicht einfach in den hergebracht umbrischen
Geleisen; es spricht daraus vielmehr ein so einziges Zartgefühl,
dass wir in ihm den Kern der genialen Begabung des Künstlers
zu erkennen glauben und verstehen, wie Raphael ein Madonnen-
maler werden konnte, der heute, wie vor einem halben Jahr-
tausend zum Herzen spricht. Im Sposalizio ist Alles mit schlich-
tester Wahrhaftigkeit gegeben. Das breite, gleichmässige Licht,
die symmetrische Anordnung der drei Hauptfiguren in der Mitte
des Vordergrundes, die Art wie der Ringwechsel zum Mittelpunkt
des Ganzen gemacht, die Nebenfiguren seitlich gruppirt, der
Tempel zusammenfassend in den Hintergrund gestellt ist, kurz
die Anordnung in allen ihren Einzelheiten, will nichts anderes
als dem Gegenstände gerecht werden. Es drängt sich nichts vor,
die künstlerische Absicht decl<t sich vollkommen mit dem, was
der Gegenstand ungezwungen zulässt. Eine gewisse Zaghaftigkeit,
 
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