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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0037
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II. Raphael und Bramante.

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scheinen, dann die imposante Gewandfigur. Raphael gebraucht
hier wie Leonardo ein Mittel, das, bei aller Gleichwertigkeit der
aufgewandten Massen, doch wesentlich dazu beiträgt, jeden Ein-
druck einer pedantischen Symmetrie aufzuheben. In der Schule
von Athen wird dieses Abwägen bei Verschiebung der Massen
zur genialen Vollendung gebracht, im Heliodor beherrscht es die
ganze Composition.
Es ist oben gesagt worden, dass das, was uns an Disputa
und Schule von Athen zuerst und am mächtigsten anzieht, der
dargestellte Raum ist. Wenn nun auch Leonardo dem jungen
Künstler die Mittel ihn zu bilden in die Hand gab, so hat er ihm
doch nicht die Raumvorstellung selbst, wie sie in den beiden
Hauptgemälden der Stanza della Segnatura hervortritt, übermittelt.
In keinem von Leonardos im Original oder in Copien erhaltenen
Gemälden zeigt sich eine Grösse der Raumvorstellung, wie sie
hier bei Raphael vorliegt. Da davon auch in seinen eigenen
Jugendwerken aus Florenz und Umbrien nichts zu finden ist, so
stehen wir vor einem Rätsel. Dazu schaltet Raphael schon in
der Disputa mit dem Raume so aus dem Vollen heraus, dass
es unbegreiflich scheint, woher ihm dieses ganz neue, grosse
Raumgefühl so plötzlich gekommen ist. Indem er Altar und
Monstranz, diese beredten Symbole, weit zurück in den Hinter-
grund stellt und den Raum davor, der ihm bis dahin als das für
die bildliche Darstellung einzig Brauchbare erschienen war, ganz
leer lässt, bekennt er klar: dieser Raum, den ihr da vorn seht,
der ist mir mit die Hauptsache, auf den kommt es mir sehr an.
Und man muss gestehen, mit Hilfe der Mittel Leonardo's hat er
denselben thatsächlich zu monumentaler Wirkung gebracht. Woher
ihm das neue Raumgefühl selbst kam, sagt uns vielleicht die Schule
von Athen.
Raphaels Aufgabe in der Schule von Athen (Kl. B.
563/4) war, der vom Glauben durchdrungenen Kirche in der Dis-
puta die griechische Philosophie, ihr Suchen nach der causarum
cognitio darzustellen und dabei, wie wieder die weibliche Gestalt
an der Decke mit dem liber moralis und naturalis in den Händen
vorschreibt, auf die Spitzen in Plato und Aristoteles hinzuweisen.
 
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