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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0044
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II. Raphael und Bramante.

Wie die Socratesgruppe, so springt fertig aus seinem Kopfe
die Füllung rechts hervor. Ich könnte suchen, ob auch dafür eine
Anregung von aussen mitgewirkt hat, aber das ist ja Neben-
sache. Thatsache ist, dass nie wieder etwas von so unnachahm-
licher Grazie entstanden ist, wie die beiden Männer, die sich auf
der Treppe begegnen, nie wieder etwas von so überzeugender
Ungezwungenheit, wie dieser Diogenes. Ihm gegenüber ist noch
niemand auf den Gedanken gekommen, dass er eine Gruppe des
triviums oder quadriviums verkörpern soll; er ist eben so populär
wie Socrates und kam Raphael gerade gelegen oder mochte ihm
von vornherein, was wahrscheinlicher ist, für diese Rolle (als
Cyniker zu Füssen der Heroen) auch in der äusseren Erschei-
nung festgestanden haben. Für die beiden treppauf, treppab
steigenden Jünglinge, die ein ganzes System der Ablösung und
Verbindung in sich verkörpern, belegen Zeichnungen, wie Raphael
erst nach langem Mühen diese vollendete Form fand.
Während die Lösung dieser rechten Seite von einem wunder-
bar energisch- zielbewussten und doch zugleich ästhetisch abge-
klärten Rythmus erfüllt ist, ähnlich der Socratesgruppe oben
gegenüber, leidet die Füllung der linken Seite an ähnlichen, sagen
wir, Schwerfälligkeiten, wie die Gruppe am Wandpilaster rechts
oben. Zunächst belegt der Mailänder Carton, dass die aufdring-
liche Figur in der Mitte des Vordergrundes ursprünglich nicht in
der Absicht Raphaels lag. Und das versteht sich: denn einmal
wollte der Künstler ja wie in der Disputa den Raum vorn frei
haben, um in dem Beschauer dann durch die seitliche Composition
recht eindringlich die Vorstellung seiner Existenz wachzurufen;
und zum andern dachte er jedenfalls, dass die beiden zwischen
der Mitte bezw. der Socratesgruppe und der linken Vordercoulisse,
die in der Musiktafel endet, vermittelnden Figuren schon in-
folge ihrer durch die perspectivische Nähe bedingten Grösse den
drei Figuren rechts auf der Treppe das Gleichgewicht halten
würden. Er bringt daher zunächst wie in der Disputa den nach
der Mitte schreitenden und zurückblickenden Jüngling an, der
hier ganz der Formen eines Leonardo-Sodoma entkleidet und
durchaus raphaelisch umgebildet ist. Damit im Zusammenhänge
 
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