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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0053
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II. Raphael und Bramante.

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Ich kann die Betrachtung dieser zweiten, im wahren Sinne
malerischen Periode in Raphaels Entwicklung nicht schliessen,
ohne einen Augenblick vor zwei Gemälden des Pitti Palastes
stehen zu bleiben, in denen sich Raphael zur Erzielung der beab-
sichtigten Wirkungen nordischer Hülfsmittel bediente. Das Por-
trait Leo X. mit den beiden Cardinälen (Kn. zu S. 94, Kl. B.
548) ist in einem grossen Stile gehalten. Der diagonale Aufbau der
Composition vom Tisch zum Papst und zum Cardinal rechts, den
die Gestalt im Halbdunkel links nur wenig ins Symmetrische
abschwächt, ist wie Licht und Farben sehr der Madonna mit dem
Fisch verwandt. Und doch ist die Wirkung der letzteren ent-
schieden monumentaler. Es kommt das wohl daher, weil Raphael
sich einiger realistischer Einzelheiten bedient hat, die das räum-
liche Hintereinander des Dargestellten greifbarer machen sollen.
Der mit Malereien reich ausgestattete Codex und die über und über
verzierte Glocke dienen dazu, die Tischfläche in ihrer Ausdehnung
nach der Raumtiefe zu beleben und die polirte Kugel auf der
Stuhllehne zwischen dem Papst und dem Cardinal de' Rossi, ist
gewählt, um als Lichtfänger in dem herrschenden Helldunkel ein
Massstab für das Hintereinander der Figuren zu werden. Es ist
bekannt, dass Vasari gerade bei Aufzählung dieser Nebendinge
enthusiastisch verweilt. Von der Grösse der Gestalten selbst, merkt
er nichts, prüft aber die Fasern des Sammets, den Damast, die
Haare des Pelzfutters, Gold und Seide, die der Wirklichkeit
gleich seien. Mir will nun scheinen, dass diese Einseitigkeit im
Lobe Vasaris sich daraus erklärt, dass die Darstellung solcher
Dinge mit so subtiler Feinheit in italienischen Bildern ungewohnt
ist. Von Giorgione wird Aehnliches berichtet. Wie bei dem
Venetianer, so mag auch bei Raphael dieser Zug auf die Berüh-
rung mit nordischer Kunst zurückgehen. Die Kugel, in der sich
der Vorderraum spiegelt, und die minutiöse Darstellung des male-
rischen Beiwerkes waren seit den van Eycks in den Niederlanden
zu Hause, Raphael mochte direl<t durch solche Bilder oder durch
Vermittlung eines Hausgenossen angeregt worden sein, des Fla-
mänders Giovanni, den Vasari im Leben des Giovanni da Udine
erwähnt und den man neuerdings mit einem Giovanni Ruysch identi-
 
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