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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0055
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II. Raphael und Bramante.

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Kraft, die in dem Gemälde entfesselt scheint, zum guten Theil
auf unseren Dürer zurückgeht. Die hohe Eiche in einer von
Meereswogen gepeitschten Wildnis, der Hügel links mit Baum
und Busch besetzt, die schwer lastende Wolke über dem Allen,
das kosmisch Uebermächtige der auf dieser Folie erwachsenden
Vision, das Alles ist aus Dürefschem Geiste geboren und wird
noch grossartig verstärkt durch die mit den Mitteln der Antike
und Michelangelos ins Uebermenschliche gesteigerte Erscheinung
Jehovahs. So ist ein Bild entstanden, dass bei aller skizzenhaften
Kleinheit als packender Ausdruck eines Unendlichen wirkt. — Ueber
die Beziehungen Raphaels zu Dürer, die durch Vasari und Dolce,
die Handzeichnung der Albertina von 1515 und den Spasimo
documentarisch belegt sind, brauche ich hier wohl kein Wort zu
verlieren.1 Raphael dürfte eher eine dem Christus am Kreuz oder
dem Allerheiligenbilde verwandte Schöpfung gekannt haben, als
dass er von der Apokalypse aus zu diesem entwickelten Motiv
Dürers durchgedrungen sein könnte. Immerhin ist zu beachten,
dass schon die Madonna di Foligno in der Combination der Land-
schaft mit der darauf lastenden Wolke deutsche bezw. Dürer'sche
Anklänge zeigt. Sie mögen dort noclr zufällig sein; in der Vision
Ezechiels sind sie unläugbar.

1 Vgl. Thaussing, Dürer 2 A. II. S. 90 ff, Springer, Raffael und
Michelangelo 2. Aufl. II, S. y5, Dehio in der Zeitschrift für bildende
Kunst XVI, S. 253 ff
 
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