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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0068
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IV. Raphaels Grosser Stil.

ist erst kürzlich zutreffend demselben Schüler zugewiesen worden,
welcher die Madonna von Monteluce ausgeführt hat.1 Auch in
der Farbe steckt ein Misston. Aehnliches gilt von der Bestraf-
ung des Ananias. Die Hauptgruppe auf der Jahrmarktbühne ist
eine schwächliche Nachahmung der Mittelgruppe in der Schule
von Athen, Ananias selbst mahnt an den Heliodor und nur der
zurückprallende Jüngling rechts im Vordergrund ist eine Neu-
schöpfung in der Art des Johannes in der Transfiguration. Schwach
ist auch die Blendung des Elymas.
In den übrigbleibenden vier Cartons ist das zum Höchsten
entwickelt, was wir Stil nennen. Raphaels Ausdruck ist ruhig und
klar, ohne Anstrengung entstehen die Compositionen, einige können
in der Auswahl des für die Wirkung Notwendigen nicht überboten
werden. So gleich der wunderbare Fischzug Petri. In dem einen
Boot drei Fischer, welche den zuständlichen Hintergrund für das
Geschehnis schaffen, das sich in den drei Gestalten des andern
Bootes abspielt. Dabei ist die Composition von naivster Einfach-
heit. Den Rahmen liefern die beiden schräg und fast parallel
verlaufenden Ufer, zwischen denen die horizontal gleitenden
Boote vermitteln müssen. Die Figuren sind so angeordnet, dass
jede Ueberschneidung vermieden wird. Daher sitzt der Steuer-
mann und bücken sicli die Fischer to tief vor. Andreas bildet das
Rückgrat des Ganzen, das Zünglein an der Waage, an der sich
robuste Kraft auf der einen Seite, Andacht und Demut auf
der andern das Gleichgewicht halten sollen. Raphaels eigenstes
Empfinden liegt auf der Seite des Christusschiffleins, an dem
Fischerboot daneben haben Antike und Michelangelo gleich stark
mitgearbeitet.
Die Heilung des Lahmen vor der schönen Thür (Kn. 84) ist
schwächer als der Fischzug Petri. Raphael hat sich hier etwas zu
sehr von momentanen Eindrücken leiten lassen, wie er sie von
den gewundenen Säulen in der alten Peterskirche und Akten, in der
Art derjenigen im Brand des Borgo, empfangen hatte. Das Bild ist

1 Dollmair im Jahrbuch der Kunstsammlungen des Allerh. Kaiser-
hauses Bd. XVI.
 
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