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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0074
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IV. Raphaels Grosser Stil.

töne und in der Freude daran, keine Farbe zweimal anzuwenden.
Trotzdem fällt diese zerstreute Farbengebung nicht störend auf,
wie etwa in der Grablegung, weil fast die ganze Gruppe, besonders
aber Mitte und rechte Seite in ein gleichmässiges Helldunkel getaucht
sind. Daraus ragt in vollem Lichte eigentlich nur die meisterhaft
verkürzte Hand des hl. Sixtus hervor und einzelne weisse Stellen
seines Gewandes. Im Uebrigen vermitteln die Vorhänge und das
Sims vorn ein Dämmerlicht, das die scharfen Umrisse begründet,
mit denen sich die einzelnen Gestalten von dem im Hintergründe
goldig von unten heraufstrahlenden Lichte abheben.
Dieser überaus kühnen, eines Rembrandt würdigen Anwend-
ung malerischer Gegensätze entspricht die Bewegung, welche Raphael
seiner Hauptgestalt zu geben wusste, und deren Art Brunn so über-
zeugend nachgewiesen hat.1 Aber auch hier begegnen wir dem
Contrast. Was da auf uns zu und an uns vorüber zu gleiten scheint,
hat trotz der Bewegung an sich die Ruhe einer Bildsäule und ist
in der That ein hehres Cultbild von so hoher statuarischer Er-
scheinung, wie die gesammte Antike keines geschaffen hat. Um
diesen Contrast von Bewegung und Ruhe bilden zu können, musste
Raphael über seine malerische Zeit hinaus in die plastische Periode
seiner Entwicklung eingetreten sein, Antike und Michelangelo
mussten ihm die Mittel zu einer so monumentalen Wirkung in
die Hand gegeben haben. Nehmen wir noch Sixtus, Barbara und
die beiden Putti dazu, so haben wir eine statuarische Gruppe,
die ähnlich zusammengeschoben ist wie Verrocchios Christus und
Thomas, d. h. ohne Rücksicht auf das für die statuarische Gruppe
gesetzmässige Nebeneinander der Figuren in einer Raumebene:
Die Gestalten sind hier im Zickzack hinter einander gestellt, erst
ganz vorn die Putti, dann links Sixtus, dahinter rechts Barbara,
in der Mitte des Grundes Maria.2

1 Deutsche Rundschau XII.

2 Nebendinge vermitteln: Tiara und Papstmantel die Nähe der
männlichen Gestalt an der Brüstung, der Wolkenstreif, der sich hinter
die Brüstung schiebt, das Zurücktreten der hl. Barbara, die Putti und
die Wolkenmassen dahinter den Abstand der Madonna von der Brüs-
tung und der hinter Maria sich aufblähende Mantel des Sixtus, dass
 
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