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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0082
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IV. Raphaels Grosser Stil.

wie nur irgend ein Bild des 16. und 17. Jahrhunderts. Wenn
das bisher nicht erkannt wurde, so liegt der Grund wohl darin, dass
diese Barockhälfte des Bildes oben einen Renaissance-Abschluss
hat und weil Raphael, trotz der ungeheuren Kühnheiten, die im
Aufbau und in der Fassung des Gegenständlichen liegen, die volle
Kraft erreicht hatte, den Inhalt mit so viel Wahrhaftigkeit zu durch-
dringen, dass Ursache und Wirkung sicli nach Renaissanceart
das Gleichgewicht halten.
Dazu gesellen sich dann aucli noch die feinfühligsten Ueber-
legungen im Einzelnen. Schon Justi hat darauf hingewiesen,
wie trefflich es Raphael verstanden hat, den Eindruck des Häss-
lichen in dem von Krämpfen gequälten Knaben und der starren
Angst des Vaters zu mildern dadurch, dass er ihm die beiden
schönen Frauen an die Seite und den einzigen Jüngling unter
den Aposteln zum Gegenüber gegeben hat. Damit ist in das Com-
positionsgerippe ein fester Mittelrahmen gebracht. Man beachte
nun weiter wie die von dem Knaben ausgehende und durch die
knieenden Frauen angeschlagene Richtung nach links vorn und
hinten übernommen wird von den ausgestreckten Armen der
beiden Apostel, die vorn und rückwärts die Eckpfeiler der Apostel-
masse bilden und wie endlich diese ganze Gruppe durch die
imposante Gewandfigur in der Mitte, welche dem kranken Knaben
gegenüber aufragt, mit dem oberen Theile des Bildes glücklich
verbunden ist •— ich betone ausdrücklich nochmals: in der Com-
position, — dadurch, dass dieser Apostel, dem Bericht des Mat-
thäus entsprechend, mit der Hand nach oben weist, als wollte er
sagen: „Wir können dich nicht heilen, aber der dort auf den
Berg gegangen ist, der vermag es!" Die schräg nach oben ge-
richtete Hand, verstärkt durch die des Jüngers, der davor am
Boden kauert, geht ungefähr parallel zu der oben durch Moses
gebildeten Dreiecksseite, die Gegenrichtung bereitet rechts der ge-
krümmte Rücken des Vaters vor; aucli die so auffallend plump
erhobene Rechte des rufenden Mannes dahinter dient nur dem
Zwecke, die Richtung des Elias schon unten anzuschlagen. Dadurch
bereitet die untere Gruppe wohlthuend auf die Hauptlinien der
oberen vor, deren Dominante, Christus, unten, wie gesagt, von einem
 
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