Correggio.
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in der Darstellung Magdalenas vollzieht. Wir begegnen ihr in jenem
herrlichen Weibe, das als malerische Vordergrundfigur in einem
Madonnenbilde der Galerie zu Parma erscheint, das wir, als
Gegenstück der Nacht, den „Tag" des Correggio zu bezeichnen
pflegen (Kn. 90/1, Kl. B. 951). Deutlich macht sich auch hier
im hl. Hieronymus die kecke Einführung eines di sotto in su wie für
die Domkuppel gefertigten Aktes geltend, doch rundet sich das
Bild im übrigen einheitlicher als in der Nacht. Magdalena und
Hieronymus im Vordergründe nehmen Maria mit dem wie ein
Pascha auf ihrem Schosse thronenden Kinde, dem ein Engel mit
submissem Lächeln etwas in einem Buche vormacht, in die Mitte.
Die centrale Composition tritt aber vollständig zurück gegen das
schon an der Scodella-Madonna beobachtete Aufrauschen der
Massen, hier von rechts unten nach links oben. Und wie in der
Scodella Madonna unser Blick immer wieder zurückkehrt zu dem
reizendschönen Knabenkopf, so können wir hier nicht loskommen
von dem Kopf der reuigen Schönen. Ganz im Vordergründe rechts
stehend, weiss sie die Entfernung vom Christuskinde dadurch zu
überbrücken, dass sie den einen Fuss auf ein zwischenliegendes
Felsstück setzt, und den Oberkörper darüber hinaus nacli dem
Mittelgrunde beugt. So schmiegt sie sich an die Hauptgruppe,
streichelt so zu sagen mit dem Kopfe den Leib des Kindes, welches
wie der richtige Pascha von dieser zärtlichen Huldigung nur
nebenbei Notiz nimmt. Indem er sein Händchen auf ihr Haar
legt, durchglüht es die Schöne heiss und sie verbleibt regungslos
in ihrer Lage.
Was Correggio in dieser Gestalt leistet, ist der erste grosse
Schritt bergab von der Höhe, die Leonardo in seinem Schutz-
engel erreicht hat. In diesem Engel der Londoner Grottenmadonna
ist Alles selbstlose Hingabe, gegründet auf ein ernst bewusstes
Selbstgefühl; hier bei Correggio wird schon ein Schmachten daraus.
Leonardo weiss bei aller Innigkeit der Empfindung den Eindruck
der von sanftem Gleichmut getragenen Seele zu geben, bei
Correggio fehlt jeder Massstab, Empfindung und Bewusstsein ver-
schwimmen in einem süsslichen Sichgehenlassen. Das Auge
kann sich gar nicht satt sehen an diesen in seligem Frieden ru-
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in der Darstellung Magdalenas vollzieht. Wir begegnen ihr in jenem
herrlichen Weibe, das als malerische Vordergrundfigur in einem
Madonnenbilde der Galerie zu Parma erscheint, das wir, als
Gegenstück der Nacht, den „Tag" des Correggio zu bezeichnen
pflegen (Kn. 90/1, Kl. B. 951). Deutlich macht sich auch hier
im hl. Hieronymus die kecke Einführung eines di sotto in su wie für
die Domkuppel gefertigten Aktes geltend, doch rundet sich das
Bild im übrigen einheitlicher als in der Nacht. Magdalena und
Hieronymus im Vordergründe nehmen Maria mit dem wie ein
Pascha auf ihrem Schosse thronenden Kinde, dem ein Engel mit
submissem Lächeln etwas in einem Buche vormacht, in die Mitte.
Die centrale Composition tritt aber vollständig zurück gegen das
schon an der Scodella-Madonna beobachtete Aufrauschen der
Massen, hier von rechts unten nach links oben. Und wie in der
Scodella Madonna unser Blick immer wieder zurückkehrt zu dem
reizendschönen Knabenkopf, so können wir hier nicht loskommen
von dem Kopf der reuigen Schönen. Ganz im Vordergründe rechts
stehend, weiss sie die Entfernung vom Christuskinde dadurch zu
überbrücken, dass sie den einen Fuss auf ein zwischenliegendes
Felsstück setzt, und den Oberkörper darüber hinaus nacli dem
Mittelgrunde beugt. So schmiegt sie sich an die Hauptgruppe,
streichelt so zu sagen mit dem Kopfe den Leib des Kindes, welches
wie der richtige Pascha von dieser zärtlichen Huldigung nur
nebenbei Notiz nimmt. Indem er sein Händchen auf ihr Haar
legt, durchglüht es die Schöne heiss und sie verbleibt regungslos
in ihrer Lage.
Was Correggio in dieser Gestalt leistet, ist der erste grosse
Schritt bergab von der Höhe, die Leonardo in seinem Schutz-
engel erreicht hat. In diesem Engel der Londoner Grottenmadonna
ist Alles selbstlose Hingabe, gegründet auf ein ernst bewusstes
Selbstgefühl; hier bei Correggio wird schon ein Schmachten daraus.
Leonardo weiss bei aller Innigkeit der Empfindung den Eindruck
der von sanftem Gleichmut getragenen Seele zu geben, bei
Correggio fehlt jeder Massstab, Empfindung und Bewusstsein ver-
schwimmen in einem süsslichen Sichgehenlassen. Das Auge
kann sich gar nicht satt sehen an diesen in seligem Frieden ru-