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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0110
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Correggio.

henden Zügen. Und doch — ein leiser Zug des Misstrauens drängt
sich ein: ist das noch ganz wahr wie bei Leonardo? Steckt darin
nicht etwas von der Koketterie des schönen Putto-Ganymed?
In diesem Misstrauen bestärkt die übergraziöse Bewegung der
Hände, und die mitten in den gefühlvollen Ernst der Handlung
grotesk hereinspielende Komik des Knaben, der an Magdalenas
Salbenbüchse riecht.
Eine Steigerung des Affectes über diese Magdalena hinaus,
war aus dem Gemütsleben in der Richtung Leonardos nicht mehr
möglich. Correggio wendet sich daher einem Kreise von Empfin-
dungen zu, die, vom Körper ausgehend, auch äusserlich mit leich-
terer Mühe kenntlich zu machen sind. Schon die Gemälde der
Domkuppel trugen den religiösen Gegenstand nur noch als Feigen-
blatt. In Tafelgemälden macht dasselbe bald einem mythologischen
Schultermäntelchen Platz, die beide die nackte Wahrheit mildern
sollen. Trotzdem sinken Correggios Bilder nie zur Nudität her-
unter. Am ehesten könnte man dafür die sogenannte Antiope
des Louvre (Kn. 101, Kl. B, 808), eine gefällige Blosstellung von
zum Teil recht plumpen Reizen ansehen, über die man aber durch
den in Licht und Farbe geheimnissvoll wirkenden Zauber hinweg-
getäuscht wird. In der frühesten Schöpfung dieser mythologischen
Gattung, der sogenannten. Schule des Amor in der National
Gallery (Kn. 99) schliesst Correggio offenbar noch schüchtern an
Leonardo an. Frau Venus hält wie Raphaels Galathea den Typus
der Leda des Altmeisters fest. Seine eigene Leda, die Danae
und Jo erst bedeuten den eigentlichen Correggio. Sie sind ent-
schieden schlüpfrig; auch der Unbefangene fühlt sich bei ihrem
Anblick wie auf Glatteis; zuletzt aber siegt doch immer die
unbedingte Bewunderung dieses, wenn ich so sagen darf, ur-
wüchsig natürlichen Raffinements. Richtern gegenüber, die zu
streng urtheilen sollten, dürfte sich Correggio in der Lage von
Lorenzo Lotto's Eitelkeit in dem herrlichen Bilde des Casino
Rospigliosi befinden: mitten in ihrem Putz von der zürnenden
Keuschheit gestört und geschlagen, sieht sie diese im Entweichen
gross an; sie begreift garnicht, was das Weib will. Sie kennt
eben nur ein Leben nach dem nächsten Zweck und der ist in
 
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