Anhang. Rembrandt.
123
den er der Kunst in seinem Innern aufgerichtet hat, in immer
magischerem Licht erstrahlt. Hätte er wie Dürer am Anfang,
statt in der Periode allgemeiner Versumpfung der reformatori-
schen Bewegung gelebt, er hätte wohl die Energie gefunden
sich aufzuraffen; seine Zeit aber konnte ihm leicht dieser Mühe
nicht wert erscheinen. Was wir an Goethes Faust begreifen,
das sollte doch auch an dem verständlich sein, der den Faust
zuerst im Goetheschen Sinne zu verkörpern gewusst hat.
Die Stimmung nun, die Dürer in seiner Melancholie so
ergreifend zum Ausdruck gebracht hat, findet sich wieder in
Rembrandts bekannter Landschaft mit den drei Bäu-
men.1 Was man bisher in dieser Schöpfung zu sehen gewohnt
war, hat am kräftigsten W. v. Seidlitz ausgesprochen: „Rem-
brandt verleiht dieser Natur Seele und Leidenschaft: die Gewalten
des Himmels sind mit Leben und Persönlichkeit ausgestattet, die
Wolkengebilde wirken und wüten wie bewusste Wesen; und
auch die Erde, mit dem reichen Leben, das sie trägt, erscheint
wie ein geschlossener Organismus. Das Drama, das hier vorge-
führt wird, weist über die gewöhnlichen menschlichen Leiden-
schaften hinaus: es ist, im Bilde der Natur dargestellt, der Kampf,
der sich in des Künstlers eigenem überreichem und überstarkem
Innern abspielt, der alte Kampf zwischen hellleuchtenden ewigen
Mächten des Lichts und den stets grollenden Gewalten der Fin-
sternis." 2 So viel also ist klar erkannt, dass es sich in der
Landschaft mit den drei Bäumen noch viel weniger als in den
anderen Landschaften, die Rembrandt am Anfänge der vierziger
Jahre geschaffen hat, um eine objective Darstellung der Natur
handelt, dass der Künstler vielmehr in ihrem Bilde auszudrücken
sucht, wozu ihm Farbe und Worte fehlen. „Daran habe ich
solchen Schmerz gehabt, dass ichs nicht aussprechen kann" sagt
Dürer beim Tode seiner Mutter. Seine Melancholie drückt das
im Bilde aus. Und wenn wir uns Rembrandt wie jene Frauen-
1 Es ist unbegreiflich, wie Knackfuss sie in seiner Monographie
hat wegiassen können.
2 Zeitschrift für bildende Kunst N. F. III. S. 204.
123
den er der Kunst in seinem Innern aufgerichtet hat, in immer
magischerem Licht erstrahlt. Hätte er wie Dürer am Anfang,
statt in der Periode allgemeiner Versumpfung der reformatori-
schen Bewegung gelebt, er hätte wohl die Energie gefunden
sich aufzuraffen; seine Zeit aber konnte ihm leicht dieser Mühe
nicht wert erscheinen. Was wir an Goethes Faust begreifen,
das sollte doch auch an dem verständlich sein, der den Faust
zuerst im Goetheschen Sinne zu verkörpern gewusst hat.
Die Stimmung nun, die Dürer in seiner Melancholie so
ergreifend zum Ausdruck gebracht hat, findet sich wieder in
Rembrandts bekannter Landschaft mit den drei Bäu-
men.1 Was man bisher in dieser Schöpfung zu sehen gewohnt
war, hat am kräftigsten W. v. Seidlitz ausgesprochen: „Rem-
brandt verleiht dieser Natur Seele und Leidenschaft: die Gewalten
des Himmels sind mit Leben und Persönlichkeit ausgestattet, die
Wolkengebilde wirken und wüten wie bewusste Wesen; und
auch die Erde, mit dem reichen Leben, das sie trägt, erscheint
wie ein geschlossener Organismus. Das Drama, das hier vorge-
führt wird, weist über die gewöhnlichen menschlichen Leiden-
schaften hinaus: es ist, im Bilde der Natur dargestellt, der Kampf,
der sich in des Künstlers eigenem überreichem und überstarkem
Innern abspielt, der alte Kampf zwischen hellleuchtenden ewigen
Mächten des Lichts und den stets grollenden Gewalten der Fin-
sternis." 2 So viel also ist klar erkannt, dass es sich in der
Landschaft mit den drei Bäumen noch viel weniger als in den
anderen Landschaften, die Rembrandt am Anfänge der vierziger
Jahre geschaffen hat, um eine objective Darstellung der Natur
handelt, dass der Künstler vielmehr in ihrem Bilde auszudrücken
sucht, wozu ihm Farbe und Worte fehlen. „Daran habe ich
solchen Schmerz gehabt, dass ichs nicht aussprechen kann" sagt
Dürer beim Tode seiner Mutter. Seine Melancholie drückt das
im Bilde aus. Und wenn wir uns Rembrandt wie jene Frauen-
1 Es ist unbegreiflich, wie Knackfuss sie in seiner Monographie
hat wegiassen können.
2 Zeitschrift für bildende Kunst N. F. III. S. 204.