Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sturm, Leonhard Christoph
Leonhard Christoph Sturms Durch Einen grossen Theil von Teutschland und den Niederlanden biß nach Pariß gemachete Architectonische Reise-Anmerckungen: Zu der vollständigen Goldmannischen Bau-Kunst VIten Theil, als ein Anhang gethan ... — Augspurg: Wolff, 1719

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.62405#0172
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
. . / S a 97
inn gebauet worden / und mit ſchoͤnen Marmor⸗Saͤulen außgeſetzet auf Saͤulen⸗Stüͤhlen /
deren Wuͤrffel ſo wohl als oben in dem Gebaͤlcke der Borten mit eben dem Marmor ver-
kledet ſind. Die an der rechten Seite iſt der H. Margaretha gewidmet. Gleich gegen uͤber iſt
das marmorne Grabmahl de Caſtelan, weſches Girardon angegeben. Nahe dabey iſt ei-
nes Grafen von der Marck Lombeau, welchen Coyzevox geordnet. Die andere Capelle
iſt dem. H. Caſimir Koͤnig in Pohlen dediciret / von dem Koͤnig Caſimir Koͤnig in Pohlen /
der nachdem als Abbt dieſes Cloſters in Franckreich geſtorben iſt. Sein Hertz lieget darinn
unter einem Grabmahl darquf er in ſeinem Koͤniglichen Habit aus weiſſem Marmor knyend
auf einem ſchwartzen Sarg und ſeine Cron und Scepter opfferend / vorgeſtellet iſt. Der Pie.
deſtal, darauf der Sarg ſtehet / hat eine gegoſſene Taffel / darauf eine Schlacht mit den Tuͤr⸗
cken vortrefflich vorgeſtellet iſt / darinn dieſer Koͤnig den Sieg erhalten. Die ſehr weitlaͤufft-
ge Grabſchrifft kan in des Brice Buch nachgeleſen werden.

In einer Capelle hinter dem Chor ſind noch ein Paar marmorne Grabmahle der Fa-
milie de Douglas zu obſerviren. Zu aͤuſſerſt der Kirche neben der Orgel koͤnnen die Liebha-
ber der Antiquitaͤt des St. Germain eigene Grabſchrifft leſen / welche ihm der Koͤnig Gilde-
bert ſelbſt gemachet hat. In dem Eloſter iſt noch das Refectorium, und darinnen eine
kün tliche Windel⸗Treppe zu ſehen / und denn noch die Biblothec, welche in Manuſcriptis
76 allen zu Paris / ausgenommen die Koͤnigliche / zuvor thut / auch an gedruckten Buͤchern
ſehr wenigen nachgiebet / auch ſonſt einige Raritaͤten zeiget. Zu dieſer Abbtey rechnen wir
billich des Abbes palaſt / welcher ein wenig davon apart nicht weit von dem Hötel de
Eiancouroelieget / deſſen wir oben gedacht haben. Er iftjeko ſehr wohl zugerichtet / und mit
einem ſchoͤnen Garten verſehen / daß er vor einen ziemlichen und ſehens⸗wuͤrdigen Palaſt
wohl paßiren kan. Die Liebhaber der Natur⸗Curioſitaͤten werden nicht verſaͤumen in einem
kleinen Pavillon das Laboratorium eines weit beruͤhmten und weit gereiſeten Medici, P
Abbe Aignan zu beſehen. Ich aber beſchlieſſe hiemit das dritte Viertheil der Stadt Paris /
und bitte mir die Erlaubniß aus / daß ich von meinem ziemlich groſſen Spatziergang / den ich
auf meinem Stuhl ſitzend verrichtet habe / ſo lange auszuruhen / biß ich mich durch ein Ant-
wort⸗Schrelben erquicket habe / welches Mein Herr ſo bald ohne ſeine Ungemachlichkeit ge-
ſchehen kan / ſchicken wird .

x Seinem
Roſtock / den 9. Nov. 1716. 3 Aur
| f zu Dienſt gen dmeten diener


2
n

„Mein Herr! ‚ ) 5
ese Ir haben neulich das Quartier St. Germain bey dem Abbteylichen Palaſt geendiget /
e e wir uns — da an den naͤchſten Weg nach dem letzten Viertheil der
Stadt Paris begeben / welches weil es keinen eigenen Nahmen annoch hat / erlau-
bet ſeyn wird / das Pfaffen⸗Viertheil zu nennen / wie wir uns etwa das erſte / als des Koͤnigs
Veertheil vorſtellen koͤnnen“ weil die Koͤnigliche Palaͤſte das vornehmſte darinn ausma-
chen / das andere als das Miniſter Viertheil / weil in keinem ſo viel Miniſter des Koͤnigs
wohnen / das dritte das Herren Viertheil / weil am meiſten Fuͤrſten von dem Koͤniglichen
Geblüͤte daſelbſtihre Hörels haben / wie auch viel andere vornehme Herren. Denn im die-
ſem vierten werden wir nichts von Herren⸗Haͤuſern ſondern bloß und allein dem Geiſtlichen
Stand zugehoͤrige Gebaͤude finden. Wir gehen nun den naͤchſten Weg zu dem *
Franciſc aner Kloſter oder des Cordeliers. Davon einen Anfang unſers
Spatziergangs zu machen. In welchem auch vie! Koͤnigliche Perſonen begraben liegen /
deren Grabmahle aber A0. 15 80. in einer groſſen Feuers⸗Brunſt verdorben worden. Das
vornehmſte was bey dieſen Patribus zu fehen/ iſt ihr neu erbauetes Cloſter / worinnen bey
nahe hundert ſchoͤne und helle Zellen ſind. Es iſt laͤnglicht viereckigt gebauet um einen arti-
gen Garten. Der Creuz⸗Gang iff ſauber gewölbet“ ſo verdienen auch das Ketectorium,
Capittul und die Bibliothec das Beſehen. In ihrer Kirche aber iſt nichts ſonderlichs zu
ſehen. Von da an aber haben wir nicht weit nach der e kn
Sorbonne. Da wir mehr werden zu ſehen bekommen / ſonderlich bey der Kirche /
deren Faclata dieſen ſchoͤnen Vortheil genie et / daß ein ſo groſſer Platz davor lieget als genug
iſt fie anſehnlicher zu machen. Narot hat ſie in einem Grund⸗Riß einer Faciata und
zwey Profilen gar nett vorgeſtellet Dieſe Faciata iſt von ziemlich reiner Archi-
dectur, wiewohl wenn man ſcharff criulren will! noch unterſchiedliches mit
Recht dawider ʒu ſagen iſt. Denn erſtlich iſt in der Mitte der obern Etage eine
Arcade, welche nicht nur uͤber dem Saͤulenſtuhl erſt anfaͤnget / welches etwas
ungewoͤhnliches iſt / ſondern auch alsdenn drittehalb mahl ſo hoch als breit
iſt / welches ʒuſam̃en nicht anderſt kan als das Geſicht choquiren / maſſen eine
ſo geſchlancke Hoͤhe des Bogens kaum zu entſchuldigen waͤre / wenn ſie wie
gebraͤuchich durch den Saͤnlenſtuhl hmnuntß reichte. Sum andern 175

——
 
Annotationen