cben hat sich der Neuen Sezession angeschlossen.
Das stärkste Temperament ist M a x P e c h s t e i n.
Die reinsten Kunstwerke zeigt W a s s i 1 y ,K a n -
d i n s k y. So etwas Reinmalerisches ist noch nicht
gesehen worden. Ueber ihn, über Pechstein, sowie
iiber die anderen wird noch ausfiihrlich zu schrei-
ben sein.
E1 Qreco
Die Bewertung des Qenies ist weniger eine
Frage der Zeit, als eine Frage der Zeiten. Nie-
mais wird es gelingen, der Welt sogenannte posi-
tive Beweise für das zu geben, was man im
Sprachgebrauch Qenie nennt. Die Erklärung
hierfür ist sehr einfach. Das Erkennen eines
Kunstwerks setzt künstlerische Fähigkeiten auch
beim Aufnehmenden voraus. Das Künstlerische
besteht nicht nur im Schaffen, sondern auoh im
Aufnehmen. Seine Voraussetzung ist das Vor-
handensein von Phantasie, das heißt der Fähigkeit,
sich Unkörperliches sinnlich vorstellen zu können.
Die Fähigkeit des Schaffenden ist, unsinnliche Vor-
gänge sinnlich zu gestalten. Je größer die Per-
sönlichkeit und die Kraft der Qestaltung ist, desto
größer ist die Kunst und desto schwerer die Wir-
kung auf den Aufnehmenden. Die Kraft muß erst
durch die Zeiten zersetzt, die Persönlichkeit in
Zitate oder Details atifgelöst werden, um die all-
gemeine Wirkung zu erreichen. Oder der Name
mtiß durch seinen Ruhm so berühmt geworden sein,
daß das Kunstwerk selbst außer Betrachtung
bleibt. Das wird für Werke der Literatur und
Musik ohne weiteres erklärlich sein. Bei der
Malerei geht das Publikum aber noch immer von
der irrigen Vorstellung aus, daß sie Qegenständ-
liches wiedergebe, oder mit anderen Worten ge-
sagt, N a 11! r vorzutäuschen versuche. Je „na-
tiirlicher“, desto wertvoller. Nttn werden aber in
Wirklichkeit auch durch die bildenden Künste ttn-
sinnliche Vorgänge, das heißt innere Erlebnisse des
Künstlers, durch das Mittel der Farbe oder des
Steins wiedergegeben. Das Körperliclte der Natur
ist etwas ganz anderes, als das Körperliche der
Kunst. Das Kunstwerk fordert zu seiner V/irkung
einen selbständigen Organismus. Zttr Wiedergabe
dt-s inncren Erlebr.isses ist die reale Darstellung
der Realität nicht brauchbar. Im Qegenteil. Der
Maler will etwa die Kraft des Stoßes ausdrücken.
Er malt die eine Faust größer, a)s es ihm die Natur
gestattet. Laien nnd Kunstkritiker sagen dann,
der Mann habe nicht zeichnen können. Sie sittd
stolz attf ihr Wissett, daß eine Faüst ebcn so groß
ist wie die andere, und nehmen an, daß dem Maler
diese Kenntnis versagt blieb. Das ist nur ei n Bei-
spiei. Aber diese Art der Betrachtung malerischer
Werke ist allgemein üblich.
Diese Selbstverständlichkeiten wieder attszu-
sprechen gibt die erste Biographie Aniaß, die iiber
den Maler E1 Greco erschienen ist. (Delphin-Ver-
lag, Miinchen.) Man hat sich unt diesen Meister
verschiedene Jahrzehnte nicht sehr gekiimmert.
Juiius Meier-Qräfe hat das Verdienst, die „allge-
meine Aufmerksamkeit“ auf iltn durch seine Essay-
sammlung Spanische Reise „gelenkt“ zu haben.
Greco wurde nicht etwa von ihm „entdeckt“, er
war in zahlreichen Museen zu finden, in Deutschland
allerdings seltener. Die Kollegen von Julius Meier-
Gräfe ärgerten sich nun maßlos, daß sie auf Qreco
nicht „hingewiesen“ hatten. Es ergab sich die üb-
liche Situation: eine Kunsthändlerclique sollte hin-
ter dem Kritiker stehen, die mit Qreco Qeschäfte
machen wollte. Dabei hätte ein verstehender Kri-
tiker gar nicht die Macht, einen seltenen Künstler
hervorzuhebefi, wenn nicht die Verständnislosen
durch ihre Angriffe den berühmteri weiteren Krei-
sen zunächst einmal Mitteilung von dem Vorhanden-
sein eines verstehenden Kritikers gäben. Dadurch
wird attch das Interesse für den Künstler „rege“,
was in diesem besonderen Falle besonders wertvoll
erscheint. Es gibt Qenies, deren Namen jeder im
Mun-de führt, die jeder lobt, aber sich mit dieser
Art von Anerkennung völlig begnügt. Von andern
Qenies weiß niemand den Namen, aber sie werden
von Wenigen schwärmerisch verehrt, geliebt, zu
ihnen gehört E1 Qreco. Erst durch die „Entdek-
kung“ von Julius Meier-Qräfe wurde er in die Ka-
tegorie der Namensberübmten gehoben. Dadurch
erhielt er auch die äußere Ehre der Monographie.
Monographien iiber Maler haben heute wenigstens
den Wert, den Maler selbst in zahlreichen Abbii-
dttngen zu zeigen, wenn auch gleich gesagt werden
ntuß, daß die Vorsteliung von Qemälden durch noch
so gute photographische Reproduktionen stets unzu-
länglich bleibt. Eigentlich vertragen sie nur Qe-
tties. Die Originalität und Intensität der farbigen
Anschauung ist selbst durch Photographie nicht
gänzlich zu vernichten. Deshalb soil dieses erste
Qrecobuch willkonnnen sein. Denn E1 Qreco ist
ein Qenie. Seine Qernäide gehören zu den bedeu-
tendsten Schoepfungen künstlerischen Qeistes. Er
war vielleicht der erste Maler, der keine Nattir
vortäuschen wollte. Jedes Bild ist absolut Ausdruck
eines persönlichen Erlebnisses in eigener Gestal-
tung. Qreco besaß eine ungesehene Fähigkeit, für
jede Nuance des Gefühlsmäßigen die adäquate
Farbe zu finden. Er besaß das Bewußtsein, daß
tiur die F a r b e das malerische Kunstwerk hervor-
bringen kann. Sonst hat er mit „Verzeichnungen“
gearbeitet. Ich finde es trotz der populären Absicht
des Qrecobiographen Angust L. Mayer nicht rich-
tig, daß er die tatsächliche Möglichkeit der Ver-
zeichnung überhaupt diskutiert. „Was am meisten
bei den Schöpfungen Grecos Anstoß erregt, ist be-
kanntlich die Zeichnung. Es gibt aber Fälle, wo man
sich mit diesen Verzeichnungen wirklich abfinden
muß, ja, wo sie wirklich gefordert erscheinen. Eine
tiatürliche Zeichnung wiirde da den ganzen Cha-
rakter des Bildes stören. Bei anderen Werken wir-
ken diese Verzeichnungen doch stark als Manier.“
V/enn man unter Manier Absicht versteht, so hat
der Monograph Recht. Es nimmt nur Wunder, daß
'nan einen Künstler erkennen will ttnd ihm wesent-
liche Mittel seiner Kunst als „Manier“ vorwirft.
Jedenfalls hätte sich Herr Mayer den Uinweis auf
die „Behauptung von ärztlicher Seite“ schenken
miissen. daß die „Verzeichnungen“ Qrecos mit
eiuer Augenkrankheit im Zusammenhang stünden.
Solchen Unsinn soll man niclit verbreiten. Man
kann attch viele Aerzte finden, die behaupten, daß
künstlerische Tätigkeit mit Qeisteskrankheit „im
Zttsammenhang stünde“. Krankheit ist aber häufig
das, was dem Arzt fehlt, das, was er bei sich für
„gesund“ hält.
Man soii nicht zttviel iiber Maler lesen, sondern
Bilder sehen. Es ist daher sehr lobenswert, daß
die Grecobiographie ein Verzeichnis der Haupt-
werke Qrecos mit Ortsangabe enthält. In Deutsch-
land findet man Bilder in der Königlichen Qemälde-
galerie zu Dresden, in der alten Pinakothek zu Miin-
chen, und in den Gemäldesammlungen zu Straß-
burg urtd Stuttgart.
Trust
«
Der PariserKorrespondent
Dieser vielseitige, talentstrotzende Herr V i c -
tor Auburtin ist zurzeit Korrespondent in Pa-
ris fiir das „Berliner Tageblatt“. Noch vor weni-
gen Wochen weilte er in unserer Mitte, in Berlin.
Eines Tage skletterte er auf die Schultern eines Ver-
iegers und heulte wie ein Schoßhund: „Die Kunst
stirbt!“ Er wußte nicht, daß Kunst gerade das ist,
was selbst unter den Fingern eines Mossefeuilleto-
nisten nicht stirbt; wußte nicht, daß die Kunst min-
destens so unsterblich ist, wie das Verdienst eines
Pariser Korrespondenten, die Liebesgeheimnisse
der Madame Curie seiner Firma telegraphisch iiber-
mittelt zu haben.
Madame Curie, — hier ist der Mann auf seinem
Posten. Hier reißt man die Augen auf. Die Kunst,
sagt er, stirbt. Aber die Kunst, Unrat zu erschnüf-
feln, wo andre nur Radium sehen, gedeiht bis zu der
Vollkommenheit, wo anständige Menschen seekrank
werden. Da er die Kunst, die sich mit ihm nicht
einließ, nicht kompronüttieren konnte, geht er nach
Paris und komproinittiert Madame Curie. Denn
die Welt ist groß, und was ein tüchtiger Mensch ist,
schlägt sich iiberall durch. Herr Auburtin ist es;
tüchtig und strebsam. Und ehrgeizig. Weil er in
der Politik die feste Kundschaft seines Vorgängers
iibernahm, fiihit er sich als ehrgeiziger Vertreter
seiner Firma verpflichtet, auch selbständig zu ar-
beiten. So stellt er sich einfach attf die Lauer ttnd
schnuppert.
Unt die Ecke aber bog Madaine Curie. Die
holt sich der Ritter mit kecketn Finger. Dabei geht
er mit einer Vorsicht zu Werke, die die Kuppei-
mutter jener Weisheit der Spinne und der inainzer
Sittenpolizisten ist. Er beginnt einfach damit, daß
er sein Opfer vorerst als die wahrscheinliche Trä-
gerin des diesjährigen Nobelpreises lanciert. Aber
schon am nächsten Tage läßt er ab von Nobei und
greift blitzschnell nach dem Nabel dieser Frau!
Hätte er es nicht nur bildlich getan, er fände mil-
dere Richter. Weil es wer.iger schtnachvoll ist.
einem Weibe die Ehre zu rauben, als ihre Ehre zu
besudeln. Er aber greift nur telegraphisch unter
die Röcke dieser Frau und untersucht, „ob der Pro-
fessor Langevin ttnd Madame Curie, wenn sie int
Laboratorium zusammen arbeiten, vvirklich nur
iiber die Kathodenstrahlen sprechen!? . . .“
Pikant! Nttn wissen wir Bescheid. Bis jetzt
stand dieses Weib nur unter der Kontrolle der Wis-
senschaft. Nttn wird es eine andere Kontroilc
sein . . . Eine raffinierte Person, diese Cttriel
Zwar hat sie mit der Erfindung des Radiums die
Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Aber das tat
sie eben nur, um die Aufmerksamkeit von sich ab-
zulenken ... In Wirklichkeit ist sie nichts, als
eine ganz gewöhnliche, nach Liebe hungernde Krea-
tur. Die Moral stirbt! — ruft Herr Auburtiii, und
nieint zuversichtlich, daß nach diesern „Skanüal
die Pforten der Akademie für Frau Cttrie wohl rtie-
tnals sich öffnen diirften! Sie wird sich mit Herrn
Auburtin begnügen.
Ferdinand Kiss
Beachtenswerte
Bücher
Ausführliche Besprechung vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Falle statt
PETER ALTENBERG
Bilderbögen des kleinen Lehens
Verlag Erich Reiß / Berlin
LA MELEE / Zeitschrift
Verlag: Paris, 6 rue Belzunce
RICHARD DEHMEL
Michel Michael / Komödie
Verlag S. Fischer / Berlin
INSELALMANACH auf das Jahr 1912
Inselverlag / Leipzig
MICHEL PUY
Le dernier etat de la peinture
Les successeurs des Impressionnistes
Le Feu / Union Franpaise d’Edition Paris o7 j
Rue Caulaincourt
DER ZWIEBELFISCH / Eine kleine Zeitschrift
für Geschmack in Büchern und anderen
Dingen
Dritter Jahrgang / Heft 6
München / Hyperionverlag Hans von Weber
mmmmmmmmmmmmmmmammmmmmmm
Verantwortlich für die Schriftleitung
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
68«
Das stärkste Temperament ist M a x P e c h s t e i n.
Die reinsten Kunstwerke zeigt W a s s i 1 y ,K a n -
d i n s k y. So etwas Reinmalerisches ist noch nicht
gesehen worden. Ueber ihn, über Pechstein, sowie
iiber die anderen wird noch ausfiihrlich zu schrei-
ben sein.
E1 Qreco
Die Bewertung des Qenies ist weniger eine
Frage der Zeit, als eine Frage der Zeiten. Nie-
mais wird es gelingen, der Welt sogenannte posi-
tive Beweise für das zu geben, was man im
Sprachgebrauch Qenie nennt. Die Erklärung
hierfür ist sehr einfach. Das Erkennen eines
Kunstwerks setzt künstlerische Fähigkeiten auch
beim Aufnehmenden voraus. Das Künstlerische
besteht nicht nur im Schaffen, sondern auoh im
Aufnehmen. Seine Voraussetzung ist das Vor-
handensein von Phantasie, das heißt der Fähigkeit,
sich Unkörperliches sinnlich vorstellen zu können.
Die Fähigkeit des Schaffenden ist, unsinnliche Vor-
gänge sinnlich zu gestalten. Je größer die Per-
sönlichkeit und die Kraft der Qestaltung ist, desto
größer ist die Kunst und desto schwerer die Wir-
kung auf den Aufnehmenden. Die Kraft muß erst
durch die Zeiten zersetzt, die Persönlichkeit in
Zitate oder Details atifgelöst werden, um die all-
gemeine Wirkung zu erreichen. Oder der Name
mtiß durch seinen Ruhm so berühmt geworden sein,
daß das Kunstwerk selbst außer Betrachtung
bleibt. Das wird für Werke der Literatur und
Musik ohne weiteres erklärlich sein. Bei der
Malerei geht das Publikum aber noch immer von
der irrigen Vorstellung aus, daß sie Qegenständ-
liches wiedergebe, oder mit anderen Worten ge-
sagt, N a 11! r vorzutäuschen versuche. Je „na-
tiirlicher“, desto wertvoller. Nttn werden aber in
Wirklichkeit auch durch die bildenden Künste ttn-
sinnliche Vorgänge, das heißt innere Erlebnisse des
Künstlers, durch das Mittel der Farbe oder des
Steins wiedergegeben. Das Körperliclte der Natur
ist etwas ganz anderes, als das Körperliche der
Kunst. Das Kunstwerk fordert zu seiner V/irkung
einen selbständigen Organismus. Zttr Wiedergabe
dt-s inncren Erlebr.isses ist die reale Darstellung
der Realität nicht brauchbar. Im Qegenteil. Der
Maler will etwa die Kraft des Stoßes ausdrücken.
Er malt die eine Faust größer, a)s es ihm die Natur
gestattet. Laien nnd Kunstkritiker sagen dann,
der Mann habe nicht zeichnen können. Sie sittd
stolz attf ihr Wissett, daß eine Faüst ebcn so groß
ist wie die andere, und nehmen an, daß dem Maler
diese Kenntnis versagt blieb. Das ist nur ei n Bei-
spiei. Aber diese Art der Betrachtung malerischer
Werke ist allgemein üblich.
Diese Selbstverständlichkeiten wieder attszu-
sprechen gibt die erste Biographie Aniaß, die iiber
den Maler E1 Greco erschienen ist. (Delphin-Ver-
lag, Miinchen.) Man hat sich unt diesen Meister
verschiedene Jahrzehnte nicht sehr gekiimmert.
Juiius Meier-Qräfe hat das Verdienst, die „allge-
meine Aufmerksamkeit“ auf iltn durch seine Essay-
sammlung Spanische Reise „gelenkt“ zu haben.
Greco wurde nicht etwa von ihm „entdeckt“, er
war in zahlreichen Museen zu finden, in Deutschland
allerdings seltener. Die Kollegen von Julius Meier-
Gräfe ärgerten sich nun maßlos, daß sie auf Qreco
nicht „hingewiesen“ hatten. Es ergab sich die üb-
liche Situation: eine Kunsthändlerclique sollte hin-
ter dem Kritiker stehen, die mit Qreco Qeschäfte
machen wollte. Dabei hätte ein verstehender Kri-
tiker gar nicht die Macht, einen seltenen Künstler
hervorzuhebefi, wenn nicht die Verständnislosen
durch ihre Angriffe den berühmteri weiteren Krei-
sen zunächst einmal Mitteilung von dem Vorhanden-
sein eines verstehenden Kritikers gäben. Dadurch
wird attch das Interesse für den Künstler „rege“,
was in diesem besonderen Falle besonders wertvoll
erscheint. Es gibt Qenies, deren Namen jeder im
Mun-de führt, die jeder lobt, aber sich mit dieser
Art von Anerkennung völlig begnügt. Von andern
Qenies weiß niemand den Namen, aber sie werden
von Wenigen schwärmerisch verehrt, geliebt, zu
ihnen gehört E1 Qreco. Erst durch die „Entdek-
kung“ von Julius Meier-Qräfe wurde er in die Ka-
tegorie der Namensberübmten gehoben. Dadurch
erhielt er auch die äußere Ehre der Monographie.
Monographien iiber Maler haben heute wenigstens
den Wert, den Maler selbst in zahlreichen Abbii-
dttngen zu zeigen, wenn auch gleich gesagt werden
ntuß, daß die Vorsteliung von Qemälden durch noch
so gute photographische Reproduktionen stets unzu-
länglich bleibt. Eigentlich vertragen sie nur Qe-
tties. Die Originalität und Intensität der farbigen
Anschauung ist selbst durch Photographie nicht
gänzlich zu vernichten. Deshalb soil dieses erste
Qrecobuch willkonnnen sein. Denn E1 Qreco ist
ein Qenie. Seine Qernäide gehören zu den bedeu-
tendsten Schoepfungen künstlerischen Qeistes. Er
war vielleicht der erste Maler, der keine Nattir
vortäuschen wollte. Jedes Bild ist absolut Ausdruck
eines persönlichen Erlebnisses in eigener Gestal-
tung. Qreco besaß eine ungesehene Fähigkeit, für
jede Nuance des Gefühlsmäßigen die adäquate
Farbe zu finden. Er besaß das Bewußtsein, daß
tiur die F a r b e das malerische Kunstwerk hervor-
bringen kann. Sonst hat er mit „Verzeichnungen“
gearbeitet. Ich finde es trotz der populären Absicht
des Qrecobiographen Angust L. Mayer nicht rich-
tig, daß er die tatsächliche Möglichkeit der Ver-
zeichnung überhaupt diskutiert. „Was am meisten
bei den Schöpfungen Grecos Anstoß erregt, ist be-
kanntlich die Zeichnung. Es gibt aber Fälle, wo man
sich mit diesen Verzeichnungen wirklich abfinden
muß, ja, wo sie wirklich gefordert erscheinen. Eine
tiatürliche Zeichnung wiirde da den ganzen Cha-
rakter des Bildes stören. Bei anderen Werken wir-
ken diese Verzeichnungen doch stark als Manier.“
V/enn man unter Manier Absicht versteht, so hat
der Monograph Recht. Es nimmt nur Wunder, daß
'nan einen Künstler erkennen will ttnd ihm wesent-
liche Mittel seiner Kunst als „Manier“ vorwirft.
Jedenfalls hätte sich Herr Mayer den Uinweis auf
die „Behauptung von ärztlicher Seite“ schenken
miissen. daß die „Verzeichnungen“ Qrecos mit
eiuer Augenkrankheit im Zusammenhang stünden.
Solchen Unsinn soll man niclit verbreiten. Man
kann attch viele Aerzte finden, die behaupten, daß
künstlerische Tätigkeit mit Qeisteskrankheit „im
Zttsammenhang stünde“. Krankheit ist aber häufig
das, was dem Arzt fehlt, das, was er bei sich für
„gesund“ hält.
Man soii nicht zttviel iiber Maler lesen, sondern
Bilder sehen. Es ist daher sehr lobenswert, daß
die Grecobiographie ein Verzeichnis der Haupt-
werke Qrecos mit Ortsangabe enthält. In Deutsch-
land findet man Bilder in der Königlichen Qemälde-
galerie zu Dresden, in der alten Pinakothek zu Miin-
chen, und in den Gemäldesammlungen zu Straß-
burg urtd Stuttgart.
Trust
«
Der PariserKorrespondent
Dieser vielseitige, talentstrotzende Herr V i c -
tor Auburtin ist zurzeit Korrespondent in Pa-
ris fiir das „Berliner Tageblatt“. Noch vor weni-
gen Wochen weilte er in unserer Mitte, in Berlin.
Eines Tage skletterte er auf die Schultern eines Ver-
iegers und heulte wie ein Schoßhund: „Die Kunst
stirbt!“ Er wußte nicht, daß Kunst gerade das ist,
was selbst unter den Fingern eines Mossefeuilleto-
nisten nicht stirbt; wußte nicht, daß die Kunst min-
destens so unsterblich ist, wie das Verdienst eines
Pariser Korrespondenten, die Liebesgeheimnisse
der Madame Curie seiner Firma telegraphisch iiber-
mittelt zu haben.
Madame Curie, — hier ist der Mann auf seinem
Posten. Hier reißt man die Augen auf. Die Kunst,
sagt er, stirbt. Aber die Kunst, Unrat zu erschnüf-
feln, wo andre nur Radium sehen, gedeiht bis zu der
Vollkommenheit, wo anständige Menschen seekrank
werden. Da er die Kunst, die sich mit ihm nicht
einließ, nicht kompronüttieren konnte, geht er nach
Paris und komproinittiert Madame Curie. Denn
die Welt ist groß, und was ein tüchtiger Mensch ist,
schlägt sich iiberall durch. Herr Auburtin ist es;
tüchtig und strebsam. Und ehrgeizig. Weil er in
der Politik die feste Kundschaft seines Vorgängers
iibernahm, fiihit er sich als ehrgeiziger Vertreter
seiner Firma verpflichtet, auch selbständig zu ar-
beiten. So stellt er sich einfach attf die Lauer ttnd
schnuppert.
Unt die Ecke aber bog Madaine Curie. Die
holt sich der Ritter mit kecketn Finger. Dabei geht
er mit einer Vorsicht zu Werke, die die Kuppei-
mutter jener Weisheit der Spinne und der inainzer
Sittenpolizisten ist. Er beginnt einfach damit, daß
er sein Opfer vorerst als die wahrscheinliche Trä-
gerin des diesjährigen Nobelpreises lanciert. Aber
schon am nächsten Tage läßt er ab von Nobei und
greift blitzschnell nach dem Nabel dieser Frau!
Hätte er es nicht nur bildlich getan, er fände mil-
dere Richter. Weil es wer.iger schtnachvoll ist.
einem Weibe die Ehre zu rauben, als ihre Ehre zu
besudeln. Er aber greift nur telegraphisch unter
die Röcke dieser Frau und untersucht, „ob der Pro-
fessor Langevin ttnd Madame Curie, wenn sie int
Laboratorium zusammen arbeiten, vvirklich nur
iiber die Kathodenstrahlen sprechen!? . . .“
Pikant! Nttn wissen wir Bescheid. Bis jetzt
stand dieses Weib nur unter der Kontrolle der Wis-
senschaft. Nttn wird es eine andere Kontroilc
sein . . . Eine raffinierte Person, diese Cttriel
Zwar hat sie mit der Erfindung des Radiums die
Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Aber das tat
sie eben nur, um die Aufmerksamkeit von sich ab-
zulenken ... In Wirklichkeit ist sie nichts, als
eine ganz gewöhnliche, nach Liebe hungernde Krea-
tur. Die Moral stirbt! — ruft Herr Auburtiii, und
nieint zuversichtlich, daß nach diesern „Skanüal
die Pforten der Akademie für Frau Cttrie wohl rtie-
tnals sich öffnen diirften! Sie wird sich mit Herrn
Auburtin begnügen.
Ferdinand Kiss
Beachtenswerte
Bücher
Ausführliche Besprechung vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Falle statt
PETER ALTENBERG
Bilderbögen des kleinen Lehens
Verlag Erich Reiß / Berlin
LA MELEE / Zeitschrift
Verlag: Paris, 6 rue Belzunce
RICHARD DEHMEL
Michel Michael / Komödie
Verlag S. Fischer / Berlin
INSELALMANACH auf das Jahr 1912
Inselverlag / Leipzig
MICHEL PUY
Le dernier etat de la peinture
Les successeurs des Impressionnistes
Le Feu / Union Franpaise d’Edition Paris o7 j
Rue Caulaincourt
DER ZWIEBELFISCH / Eine kleine Zeitschrift
für Geschmack in Büchern und anderen
Dingen
Dritter Jahrgang / Heft 6
München / Hyperionverlag Hans von Weber
mmmmmmmmmmmmmmmammmmmmmm
Verantwortlich für die Schriftleitung
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
68«