lieh durchaus nicht die zunächstliegende. Es gibt
vor allem keinerlei Art Verpflichtung, die unserm
Geschmack entgegen ist. Daß einer das Weib
nimmt, nur weil er sich mit ihm eingelassen hat,
ist eitel wie jedes Experiment: es folgt alles für
ihm daraus, nur nicht was sein Ursprüngliches
braucht. Auch dafür Unfallversicherungen zu
gründen, brächte wohl dem Mann nicht die unge-
nehmere Buße und der Frau die bessere Ein-
nahme. Zufällige Bekanntschaften müssen ja auch
von Männern unter sich nach ihrer Entstehung,
gewertet werden. Zufallswesen sind Menschen,
die von Anfang an nicht zu uns gehörten. Man
hat alte Freunde und unterscheidet die Eindring-
linge, die unsere Attrappe sein wollen, ohne daß
sie eine Verantwortung für uns übernehmen. Eine
Frau darf vollends nie Attrappe sein.
Wie das Kunstwerk dem Künstler näher steht
als der Fremde denkt, so die Frau, wie sie ist, dem
Mann. Mann und Frau können nicht noch ein
drittes Geschlecht durch Gefährten- und Gevatter-
schaften hätscheln. Hohn ist es, in der Kunst und
in der Liebe an die Ueberlegenheit einer franzö-
sischen Rasse oder an die Feinheit einer überkulti-
vierten Nordrasse zu glauben. Kein Trieb und
Geist von Mann und Frau ist zu groß, daß wir die
Menschen überschätzen dürften. Die Natur der
Frau ist nicht unbegrenzt. Ist der Mann im Sport
verdorben, so ist die Frau nicht tiefer. Erst wenn
der Mann wieder ernster ist, wird es auch die
einzelne Frau. An alle Menschenschöpfungen muß
man mit Maßen Vernunft bringen. Der Künstler
verbreitet keine Weltanschauung, sondern gestal-
tet indem er den Stoff an Gehalt vergleicht. Auch
das Kunstwerk ist für vernünftige Betrachtung ge-
schaffen. Doch spricht sein Schöpfer: hier lauscht
auf, um eine neue Form des Menschen euch einzu-
verleiben. Der geistige Mensch herrsche nicht in
der Natur! Die Natur und der Mensch züchten,
denn auch die Natur schafft immer neue Formen.
Aber der lose Geist züchtet nichts, sondern zer-
stört die Sinnlichkeit. Und durch die zerstörte
Sinnlichkeit entsteht der Inbegriff der Rasse: die
Rasse wird zur Zwangsvorstellung. Wer von
Rasse im guten Sinne spricht, meint Vollkommen-
heit, das gesunde ungehemmte Verhältnis von
Sinnlichkeit und Trieb. Der Geist findet am Sitt-
lichen seine Aufgabe. — Das einzige Mittel zur
Vollendung ist, daß wir an unserer Sache fortar-
beiten und, um die unmoralischen Instinkte des
Menschen nicht aufzurühren, nicht von Kirche,
Staat, Religion oder Freiheit reden. Mit 35 Jahren
muß es Männer geben. Das Kind brauchte Frei-
heitsideale. Die Wirklichkeit liegt dem Kinde fern
und schon die Nähe wird ihm hart. Aber der
Mann darf sie nicht fliehen. Frauen und Kinder
sind Mächte des Lebens und nicht bloß für Kinder
und Männer geboren. Der Mann soll Frauen und
Kinder mit höchster Liebe sehen, doch um beide
in ihrem Sinne zu behandeln, nicht mit zum Kind
werden. Das Jahrhundert des Kindes war der
überspannte Gedanke eines Weibes. Ein ganzes
Jahrhundert sollte zum Kind werden, damit das
Kind nicht etwa 15 Jahr, sondern 95 alt werde? Vom
sechzehnten Jahre und eher sind schon die Men-
schen verschieden, und stehen uns ferner als wir
wünschen. Die erste Jugend ist allein noch mensch-
lich zu behandeln, da läßt sich wirken, pflegen und
Eindruck machen. Der Erwachsene lebt außer dem
Kreis unserer Einflüsse, wengleich die Entwick-
lung an uns selbst nicht aufhört. Aber die Jugend,
die an ihresgleichen aufwächst, ist ohne Praxis.
Der junge Mensch hat nur dort Instinkte, wo er
ein Vorbild sieht. Der Mensch kann mit dem Tier
nicht gleichgestellt werden: wir können aus der
Tierliebe kein Wort als Beispiel bringen, das pas-
sen würde. Denn das Tier sagt uns nicht, ob wir
Recht haben, wenn wir von seinen Instinkten
sprechen. Der hilflose Mensch gehört zu einer
fremden Ordnung, weil im Gefolge der Sprache
die Entwicklung des Individuums den längsten
Raum braucht. Das Verhältnis von Trieb und In-
telligenz ist ganz mannigfaltig und der Zweck bei-
der ein Lebensgeheimnis. Alle Tiere verteidigen
im Spiel den Trieb und haben einen Kampf mit
dem Leben. Aber erst auf der Stufe, wo sich im
Menschen der Widerspruch der Gedanken regt,
setzt die Unseligkeit ein, daß den Trieb, der das
Leben ist und den das Leben ernährt, das Leben
und die Leidenschaft zerstören. Wenn der Ver-
stand nur einen einzigen Sinn hat, muß der
Verstand im Menschen als ein Sinn, den der Trieb
schuf, und wie eine Art Trieb, den Trieb, das Ur-
sprüngliche, bedienen und befriedigen. Die Liebe
ist unvernünftig, sonst gäbe es natürlich gar keine
Vernunft. Aber daß das ganze Leben Unvernunft
und Lüge sei, ist eine durchaus unkünstlerische
Behauptung. Der Trieb ist nur stärker und das
Leben nur umfassender als der Verstand.
Das Vorbildliche der orientalischen Ehe ist die
Abgeschlossenheit der Frau vor der Oeffentlich-
keit. Der Osten duldet keine Ehe auf der Straße
und keine jungen Mädchen im Freien. Die Viel-
weiberei ist so häufig und so selten wie bei uns,
nur daß sie leichter als bei uns abstellbar ist.
Denn es ist doch dort überhaupt ein Wesen im
Hause, das eine Geschlechtsbedeutung hat. Die
romanischen Völker sind im Ganzen nach der alten
Welt orientiert. Amerika ist ein Neuland: man darf
ihm nicht zu vieles glauben.
Die Frau schafft und zerstört, im Gegensatz
zum Mann, ursprünglich keine Kultur. Erhaltung
ist die Art ihres Geschlechts, in der Form der
Selbstverhüllung. Doch tut die Frau, was der
Mann tut. Aber sie wisse nichts vom Mann und
der Mann begehre sie, so ist sie begehrenswert.
Die Unnatürliche stammt erst von einem unnatür-
lichen Mann, ihrem ärgsten Feinde. Die Frau ist
alles durch das Geschlecht der äußeren Worte und
Dinge. Und als der Mann sah, daß sie nackt war,
schaffte er ihr Kleider. Die Frechheit, die der
Künstler und Mann gebraucht, um in der Erfüllung
eines Weltkörpers den Willen, den er hat, zu
suchen, soll vor ihr nicht mißbraucht werden, um
durch Enthüllungen ihrer Körperwelt den größten
Verstand, den sie hat, zu verlieren.
Das Bad der Pauline
Borghese
Von Peter Scher
Die Fürstin Borghese empfängt den jungen
Herzog di Castiglione nach ihrer Gewohnheit im
Bade.
Auf den Marmorbänken zu beiden Seiten des
Bassins knien, beide Arme auf die Balustrade ge-
stimmt, ihre Intimen Gina Campostri und die
lustige kleine Prinzessin Servante.
Der Herzog lehnt, halb verborgen, blaß und
mit verkniffenem Munde an der mittleren Säule.
Auf der oberen Stufe der zum Bassin hinunter-
führenden Treppe steht unbeweglich mit ver-
schränkten Armen, das schwarze Gesicht starr
geradeaus gerichtet, der Mohr Timur. Der mäch-
tige Schatten des Riesen streckt sich breit über die
weißen Bärenfelle am Boden und verschlingt das
zierliche Schattenbild des Herzogs. Licht stürzt
aus hohen Fenstern über den Wasserspiegel, prallt
gegen Timurs schwarzen Rumpf und zersprüht
am brennendweißen Leib der Fürstin.
Pauline ist lustig. Sie biegt sich, vor Behagen
schreiend, weit hintenüber und läßt ein Bein um
das andere aus dem Wasser schnellen. Ein Sprüh-
regen saust über Timurs grinsendes Gesicht; auch
die Damen an der Balustrade und der Herzog
bleiben nicht verschont.
Die Damen schütteln sich und kreischen mit
Pauline um die Wette. Die Prinzessin Servante
dreht sich spöttisch nach dem Herzog um und
ruft der Fürstin ein Scherzwort zu. Und Pauline
schnellt ihr Bein noch einmal so lustig aus dem
Wasser, daß di Castiglione, von einem Strahl ge-
troffen, mit beiden Händen nach dem Gesicht
greift und unwillkürlich vor die Säule tritt.
Gina Campostri und die Prinzessin klatschen
ironisch in die Hände. Timur knirscht entzückt
mit den Zähnen.
Nach einer Weile ist die Fürstin der Spielereien
überdrüssig. Sie nickt der Prinzessin ver-
schmitzt zu.
„Nun, Herzog, — wollen Sie mir nicht behilf-
lich sein?“
Pauline hüpft geschickt auf die unterste Trep-
penstufe. Sie steht nackt, mit offenem Haar, die
linke Hand leicht auf die Hüfte gelegt, die rechte
nach oben ausgestreckt, weiß und glänzend über
dem Wasserspiegel in der Sonne.
Der Mohr tritt auf ihren Wink einen Schritt
zur Seite. Die furchtbaren Muskelwülste seiner
nackten Arme und Beine vibrieren. Seine Zähne
knirschen wie Kies. Aber die Damen beachten ihn
nicht. Ihre Augen sind gespannt auf das Gesicht
des Herzogs gerichtet.
Castiglione stürzt nach der Treppe und ergreift
Paulinens Hand.
„Hoheit!“
Die beiden Damen kichern.
Der Herzog glüht bis in die Schläfen.
Die Fürstin stützt sich leicht auf seinen Arm
und sagt:
„Man erzählt mir, Sie hätten ein Sonett auf
mich gedichtet. Ist es wahr?“
Der Herzog wirft einen verzweifelten Blick auf
die Damen, fährt sich mit der freien Hand an die
Kehle. Schweigt.
Pauline läßt seinen Arm los.
„Timur!“
Der Mohr steht mit einem Sprung bei ihr und
beginnt mit Schwämmen und Tüchern ihren Kör-
per zu reiben. Pauline steht vor dem Herzog, das
rechte Bein erhöht gegen die Marmorbank ge-
stemmt, beide Arme über dem Kopf erhoben. Ti-
mur hockt vor ihr. Er hält in jeder Hand ein sei-
denes Tuch und tupft damit die Tropfen von ihren
Hüften.
Gina und die Servante schielen nach dem Her-
zog. Der kleinen Prinzessin bleibt vor Erwartung
der Mund offen.
Der Mohr reibt den Körper der Fürstin; sein
Atem geht laut.
Da fährt der Herzog plötzlich herum, tut einen
Schritt vorwärts, packt den Mohren und reißt ihn
mit solcher Kraft von der Fürstin zurück, daß der
Koloß sich überschlägt und über die Treppe ins
Bassin kollert. Timur prustet und schnauft wie
ein Walroß.
Die Damen schreien und applaudieren.
Der junge Herzog starrt sie groß, fast staunend
an; in seinen Augen zucken Flammen.
Es ist ganz still.
Pauline bückt sich wie von ungefähr nach einem
Seidenschal für ihren Schoß.
Und der Herzog kniet vor ihr nieder und küßt
mit zitternden Lippen ein Wassertröpfchen von
der rosigen Knospe der ihm zugeneigten Brust.
Die Fürstin schließt die Augen.
93
vor allem keinerlei Art Verpflichtung, die unserm
Geschmack entgegen ist. Daß einer das Weib
nimmt, nur weil er sich mit ihm eingelassen hat,
ist eitel wie jedes Experiment: es folgt alles für
ihm daraus, nur nicht was sein Ursprüngliches
braucht. Auch dafür Unfallversicherungen zu
gründen, brächte wohl dem Mann nicht die unge-
nehmere Buße und der Frau die bessere Ein-
nahme. Zufällige Bekanntschaften müssen ja auch
von Männern unter sich nach ihrer Entstehung,
gewertet werden. Zufallswesen sind Menschen,
die von Anfang an nicht zu uns gehörten. Man
hat alte Freunde und unterscheidet die Eindring-
linge, die unsere Attrappe sein wollen, ohne daß
sie eine Verantwortung für uns übernehmen. Eine
Frau darf vollends nie Attrappe sein.
Wie das Kunstwerk dem Künstler näher steht
als der Fremde denkt, so die Frau, wie sie ist, dem
Mann. Mann und Frau können nicht noch ein
drittes Geschlecht durch Gefährten- und Gevatter-
schaften hätscheln. Hohn ist es, in der Kunst und
in der Liebe an die Ueberlegenheit einer franzö-
sischen Rasse oder an die Feinheit einer überkulti-
vierten Nordrasse zu glauben. Kein Trieb und
Geist von Mann und Frau ist zu groß, daß wir die
Menschen überschätzen dürften. Die Natur der
Frau ist nicht unbegrenzt. Ist der Mann im Sport
verdorben, so ist die Frau nicht tiefer. Erst wenn
der Mann wieder ernster ist, wird es auch die
einzelne Frau. An alle Menschenschöpfungen muß
man mit Maßen Vernunft bringen. Der Künstler
verbreitet keine Weltanschauung, sondern gestal-
tet indem er den Stoff an Gehalt vergleicht. Auch
das Kunstwerk ist für vernünftige Betrachtung ge-
schaffen. Doch spricht sein Schöpfer: hier lauscht
auf, um eine neue Form des Menschen euch einzu-
verleiben. Der geistige Mensch herrsche nicht in
der Natur! Die Natur und der Mensch züchten,
denn auch die Natur schafft immer neue Formen.
Aber der lose Geist züchtet nichts, sondern zer-
stört die Sinnlichkeit. Und durch die zerstörte
Sinnlichkeit entsteht der Inbegriff der Rasse: die
Rasse wird zur Zwangsvorstellung. Wer von
Rasse im guten Sinne spricht, meint Vollkommen-
heit, das gesunde ungehemmte Verhältnis von
Sinnlichkeit und Trieb. Der Geist findet am Sitt-
lichen seine Aufgabe. — Das einzige Mittel zur
Vollendung ist, daß wir an unserer Sache fortar-
beiten und, um die unmoralischen Instinkte des
Menschen nicht aufzurühren, nicht von Kirche,
Staat, Religion oder Freiheit reden. Mit 35 Jahren
muß es Männer geben. Das Kind brauchte Frei-
heitsideale. Die Wirklichkeit liegt dem Kinde fern
und schon die Nähe wird ihm hart. Aber der
Mann darf sie nicht fliehen. Frauen und Kinder
sind Mächte des Lebens und nicht bloß für Kinder
und Männer geboren. Der Mann soll Frauen und
Kinder mit höchster Liebe sehen, doch um beide
in ihrem Sinne zu behandeln, nicht mit zum Kind
werden. Das Jahrhundert des Kindes war der
überspannte Gedanke eines Weibes. Ein ganzes
Jahrhundert sollte zum Kind werden, damit das
Kind nicht etwa 15 Jahr, sondern 95 alt werde? Vom
sechzehnten Jahre und eher sind schon die Men-
schen verschieden, und stehen uns ferner als wir
wünschen. Die erste Jugend ist allein noch mensch-
lich zu behandeln, da läßt sich wirken, pflegen und
Eindruck machen. Der Erwachsene lebt außer dem
Kreis unserer Einflüsse, wengleich die Entwick-
lung an uns selbst nicht aufhört. Aber die Jugend,
die an ihresgleichen aufwächst, ist ohne Praxis.
Der junge Mensch hat nur dort Instinkte, wo er
ein Vorbild sieht. Der Mensch kann mit dem Tier
nicht gleichgestellt werden: wir können aus der
Tierliebe kein Wort als Beispiel bringen, das pas-
sen würde. Denn das Tier sagt uns nicht, ob wir
Recht haben, wenn wir von seinen Instinkten
sprechen. Der hilflose Mensch gehört zu einer
fremden Ordnung, weil im Gefolge der Sprache
die Entwicklung des Individuums den längsten
Raum braucht. Das Verhältnis von Trieb und In-
telligenz ist ganz mannigfaltig und der Zweck bei-
der ein Lebensgeheimnis. Alle Tiere verteidigen
im Spiel den Trieb und haben einen Kampf mit
dem Leben. Aber erst auf der Stufe, wo sich im
Menschen der Widerspruch der Gedanken regt,
setzt die Unseligkeit ein, daß den Trieb, der das
Leben ist und den das Leben ernährt, das Leben
und die Leidenschaft zerstören. Wenn der Ver-
stand nur einen einzigen Sinn hat, muß der
Verstand im Menschen als ein Sinn, den der Trieb
schuf, und wie eine Art Trieb, den Trieb, das Ur-
sprüngliche, bedienen und befriedigen. Die Liebe
ist unvernünftig, sonst gäbe es natürlich gar keine
Vernunft. Aber daß das ganze Leben Unvernunft
und Lüge sei, ist eine durchaus unkünstlerische
Behauptung. Der Trieb ist nur stärker und das
Leben nur umfassender als der Verstand.
Das Vorbildliche der orientalischen Ehe ist die
Abgeschlossenheit der Frau vor der Oeffentlich-
keit. Der Osten duldet keine Ehe auf der Straße
und keine jungen Mädchen im Freien. Die Viel-
weiberei ist so häufig und so selten wie bei uns,
nur daß sie leichter als bei uns abstellbar ist.
Denn es ist doch dort überhaupt ein Wesen im
Hause, das eine Geschlechtsbedeutung hat. Die
romanischen Völker sind im Ganzen nach der alten
Welt orientiert. Amerika ist ein Neuland: man darf
ihm nicht zu vieles glauben.
Die Frau schafft und zerstört, im Gegensatz
zum Mann, ursprünglich keine Kultur. Erhaltung
ist die Art ihres Geschlechts, in der Form der
Selbstverhüllung. Doch tut die Frau, was der
Mann tut. Aber sie wisse nichts vom Mann und
der Mann begehre sie, so ist sie begehrenswert.
Die Unnatürliche stammt erst von einem unnatür-
lichen Mann, ihrem ärgsten Feinde. Die Frau ist
alles durch das Geschlecht der äußeren Worte und
Dinge. Und als der Mann sah, daß sie nackt war,
schaffte er ihr Kleider. Die Frechheit, die der
Künstler und Mann gebraucht, um in der Erfüllung
eines Weltkörpers den Willen, den er hat, zu
suchen, soll vor ihr nicht mißbraucht werden, um
durch Enthüllungen ihrer Körperwelt den größten
Verstand, den sie hat, zu verlieren.
Das Bad der Pauline
Borghese
Von Peter Scher
Die Fürstin Borghese empfängt den jungen
Herzog di Castiglione nach ihrer Gewohnheit im
Bade.
Auf den Marmorbänken zu beiden Seiten des
Bassins knien, beide Arme auf die Balustrade ge-
stimmt, ihre Intimen Gina Campostri und die
lustige kleine Prinzessin Servante.
Der Herzog lehnt, halb verborgen, blaß und
mit verkniffenem Munde an der mittleren Säule.
Auf der oberen Stufe der zum Bassin hinunter-
führenden Treppe steht unbeweglich mit ver-
schränkten Armen, das schwarze Gesicht starr
geradeaus gerichtet, der Mohr Timur. Der mäch-
tige Schatten des Riesen streckt sich breit über die
weißen Bärenfelle am Boden und verschlingt das
zierliche Schattenbild des Herzogs. Licht stürzt
aus hohen Fenstern über den Wasserspiegel, prallt
gegen Timurs schwarzen Rumpf und zersprüht
am brennendweißen Leib der Fürstin.
Pauline ist lustig. Sie biegt sich, vor Behagen
schreiend, weit hintenüber und läßt ein Bein um
das andere aus dem Wasser schnellen. Ein Sprüh-
regen saust über Timurs grinsendes Gesicht; auch
die Damen an der Balustrade und der Herzog
bleiben nicht verschont.
Die Damen schütteln sich und kreischen mit
Pauline um die Wette. Die Prinzessin Servante
dreht sich spöttisch nach dem Herzog um und
ruft der Fürstin ein Scherzwort zu. Und Pauline
schnellt ihr Bein noch einmal so lustig aus dem
Wasser, daß di Castiglione, von einem Strahl ge-
troffen, mit beiden Händen nach dem Gesicht
greift und unwillkürlich vor die Säule tritt.
Gina Campostri und die Prinzessin klatschen
ironisch in die Hände. Timur knirscht entzückt
mit den Zähnen.
Nach einer Weile ist die Fürstin der Spielereien
überdrüssig. Sie nickt der Prinzessin ver-
schmitzt zu.
„Nun, Herzog, — wollen Sie mir nicht behilf-
lich sein?“
Pauline hüpft geschickt auf die unterste Trep-
penstufe. Sie steht nackt, mit offenem Haar, die
linke Hand leicht auf die Hüfte gelegt, die rechte
nach oben ausgestreckt, weiß und glänzend über
dem Wasserspiegel in der Sonne.
Der Mohr tritt auf ihren Wink einen Schritt
zur Seite. Die furchtbaren Muskelwülste seiner
nackten Arme und Beine vibrieren. Seine Zähne
knirschen wie Kies. Aber die Damen beachten ihn
nicht. Ihre Augen sind gespannt auf das Gesicht
des Herzogs gerichtet.
Castiglione stürzt nach der Treppe und ergreift
Paulinens Hand.
„Hoheit!“
Die beiden Damen kichern.
Der Herzog glüht bis in die Schläfen.
Die Fürstin stützt sich leicht auf seinen Arm
und sagt:
„Man erzählt mir, Sie hätten ein Sonett auf
mich gedichtet. Ist es wahr?“
Der Herzog wirft einen verzweifelten Blick auf
die Damen, fährt sich mit der freien Hand an die
Kehle. Schweigt.
Pauline läßt seinen Arm los.
„Timur!“
Der Mohr steht mit einem Sprung bei ihr und
beginnt mit Schwämmen und Tüchern ihren Kör-
per zu reiben. Pauline steht vor dem Herzog, das
rechte Bein erhöht gegen die Marmorbank ge-
stemmt, beide Arme über dem Kopf erhoben. Ti-
mur hockt vor ihr. Er hält in jeder Hand ein sei-
denes Tuch und tupft damit die Tropfen von ihren
Hüften.
Gina und die Servante schielen nach dem Her-
zog. Der kleinen Prinzessin bleibt vor Erwartung
der Mund offen.
Der Mohr reibt den Körper der Fürstin; sein
Atem geht laut.
Da fährt der Herzog plötzlich herum, tut einen
Schritt vorwärts, packt den Mohren und reißt ihn
mit solcher Kraft von der Fürstin zurück, daß der
Koloß sich überschlägt und über die Treppe ins
Bassin kollert. Timur prustet und schnauft wie
ein Walroß.
Die Damen schreien und applaudieren.
Der junge Herzog starrt sie groß, fast staunend
an; in seinen Augen zucken Flammen.
Es ist ganz still.
Pauline bückt sich wie von ungefähr nach einem
Seidenschal für ihren Schoß.
Und der Herzog kniet vor ihr nieder und küßt
mit zitternden Lippen ein Wassertröpfchen von
der rosigen Knospe der ihm zugeneigten Brust.
Die Fürstin schließt die Augen.
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