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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Erstes Heft
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Striepe, Kurt: Maya!
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0012
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Ich habe Ihnen das nie gesagt. Und doch liebe ich Ihre
Hände. Ihre Augen. Ihren Namen.
— Weib, das meinen Brautfinger glüht, dich liebe ich.
Deine Haare sind der Mondtempel meiner Bitten.
Deine Augen träumen am Abend.
Meine Hände spielen . . Spielen Mondtraum. Glühen Liebe
in meine Einsamkeit.
„Ich liebe Dich "
„Ich bin das Leben", sagtest Du.
Daß ich das nicht verstand.
„Mich friert das Leben". Da lachtest Du. „Warum denkst
Du an das Leben — was willst Du: Ich bin das Leben!"
Meine Augen starren in mich.
Du bist kein Traum.
Maya — Ihre Hände weinen über mir. Mein Hirn ist tan-
zender Kreisel . . Ich drehe mich. Nie kann ich mich fassen.
„Ich bin das Leben", — das Leben ist mein Traum. Du
aber bist! — Braut! Du fühlst nichts. Du denkst nichts.
Du bist!
Morgen bin ich auch. Die Gewißheit des Wissens ist Ruhe.
Mein Herz springt, mein Auge springt, mein Blut springt —
Nerven sind Melodien, Hände der Glanz meiner Musik. Alles
will zu mir — das in mir ist.
Das Irritierende ist vorbei.
Ich weiß.
„Ich bin das Leben" — Du lachst.
„Ich habe ein Recht auf den Tod!"
Das ist mein Stolz
Du —
*
Maya
An dem Wasser saß ich, das ganz schwarz ist, mein Leben
war müde. Ich starre mir selbst ins Gesicht. Mein Degen zer-
fleischt mich. Aber die Wellen haben immer Ruhe. Ich kenne
dies Lachen. Das ist nicht mein Lachen. In meiner Liebe starb
eine Frau. Ihr Erbe war ein Lachen.
Das reizt mich. Ich will nichts mehr von der Frau. Ich
will . . . das Wasser verschlingt mich. Die Wellen glucksen
das Lachen.
Daran denke ich nun.
Und daß wir einmal an einem Wasser gingen — in gleichem
Schwung — an unserem letzten Tag.
Aus den Wänden meines Zimmers glühen mir Maiglöck-
chen entgegen und rote Nelken. Ich habe die Sträuße gezählt.
Ich wartete auf etwas und zählte.
Die Ruhe der Tür unterbricht meine bunten Wände —
Ich hasse ihre Weißheit — als ob nie schmutzige Finger sie be-
rührt hätten. Ich warte — sie öffnet sich nicht. Ich warte
auch nicht auf Menschen, die kommen, meine Schmerzen zu
befühlen. Das ist zu wenig, ich warte auf m,ehr.
Sieben dunkle und acht helle Streifen hat meine Bettdecke.
Die wühlen sich in meine Wunde. Aber es sind doch mehr helle
als dunkle Streifen. Und auch darin sind Maiglöckchen ge-
webt. Meine Augen tanzen. Das ist ihnen zu bunt.
Auf dem Bahnhof gab ich Ihnen einen Strauß davon. „Die
sind ja giftig". — Ich wollte Ihnen kein Gift geben — Maya,
das ist nun lange her. In meinem Waffenrock sind sie braun
geworden.
Plötzlich weiß ich, worauf ich warte.
„Armut ist ein Glanz von Innen", sagt jemand. Mir innen
ist eine große Flamme. Ich bin ein glühendes Fanal. Mein
Glanz ist rot. Blut. Blut bringt Schmerzen.
Darauf warte ich.
Ich will meine Schmerzen. Meine Wunden glühen. Sieben
glühende Wunden. Sieben ist eine heilige Zahl. Ich bin
glücklich.
Ich bin König meiner Schmerzen.
Man hat Schläuche in meinen Leib gedreht. Rechts und
links hängen sie aus meinem Bett. Der Eiter tropft, gleich-
mäßig. Ich bin sehr matt geworden. Meine Augen sind sehr
müde.

Letzten Endes warte ich doch nicht auf die Schmerzen
Der Tod wäre mir lieber.
Der Tod ist ganz weich — ganz sanft.
Der Tod ist noch weicher als der Glanz Ihrer Hände.
Und die sind sonnensommerlich.
Maya!
Diese Nacht kann ich Ihnen alles sagen. Meine Nerven
sind wirres Bacchanal. Blut stößt gegen die Schläfen. Ryth-
mus rast. Meine Augen flimmern haschischtoll — über Allem
saugt mein Mund die Weiße der Maiglöckchen vor mir und die
Süße der ganz blonden Frau. O in Ihren Locken ertrinken, aus
Ihren Heliotrop-Händen hellen Rausch schlürfen.
Maya — Ihr Brief!
Mein Herz war wund. Meine Hände haben Ihr Gesicht
verlernt. Und Ihr Leben. Spielen! — Maya — Zum Spielen
sind wir zu ernst geworden. Eine seltne Orchidee küssen —
ich küsse ihre Seltenheit, ein^ schöne Frau lieben — ich liebe
die Schönheit. Ist das Spiel?
Ich habe mich wieder. Ich packe mich. Werfe mich ia
den Raum. Stehe im Fenster. Mein Körper zittert. Drunten
das Leben.
Leben, das wir zusammen lebten. Erde, die wir zusammen
haßten. O du grausames Leben! O du schöne Erde!
Ist d a s mein Leben. Mich nahm wer. Warf mich hin, wo
viel Löcher den Boden tränken. Gab mir Eisen in den hellen
Leib. Meine Hände sehnen ins Dunkel. Zerteilen Nebel.
Sonne kommt nicht. Sonne küßt nicht. Scheiben pressen Stir-
nen glatt. Kirchen flattern die Luft. Straßen schwingen sich.
Menschen lachen. Dies Lachen — unser Leben? Meine
Schmerzen wühlen. Nerven zerreißen. — Mein Leben!
Meine Seele irrt nicht im Kalten. Meine Seele ist weitfern
traumschallend. Ich bin nicht I c h. Der dieses litt — wenn
Sie wußten . . . Ich bin meine Mutter.
Herrscher möchte ich sein — oder Tier. Nur nicht Ge-
bärde.
D as ist das Wunder: daß es ein Jahr war. Ich liege in der-
selben Stadt, demselben Haus, dem gleichen Zimmer und Bett
und auf den Tag kommt das Rauschen wieder aus Ihren Hän-
den. Danach stand meine Sehnsucht wie ein irrer Traum. Wie
eine Geburt aus dem Manne.
Die ganz blonde Frau. Maya — ich krieche in mich.
Meine Wunden blecken die Ränder zusammen. Augen starren
Schlaf. Ob sie mich küssen wird?-„Kinder haben" —
-Ich schreie. „Jemand wird in Deinem Haar seine hinger
trocknen!" — „Nein — niemand!" „Ich will Grauen, doch die
Zeit und der Tod. Mein sagen". Sie starrt. Ihre Hand schleift
meinen Mund. Ich küsse die Hand. Und wünsche — mehr.
Der Brief meiner Braut: „Du Geliebter! Die Schmerzen
waren rasend. Ich habe sie ertragen. Ich wollte das. Man
sagt — ich sei tapfer gewesen. Ich weiß für wen ich das tat
Ihr wühlt man den Leib auf — ich küsse einer fremden
Frau die Hand. Und wünsche mehr.
Wer bin ich? Was bin ich?
Wesen aus den Exaltationen meines Nichts! Wesen —
Vielleicht nur Mechanismus. Hohles leeres Ding.
Ich bin doch Dichter.
Dichter sind Gottes Ebenbilder, glaubte ich. Und ich —
daß man mich schlüge!
Mein Leben wäre auf Lügen erbaut.
Ich bin doch Dichter.
Die Nacht kommt nicht, die mir Frieden gibt.
Der Tag kommt nicht, der mir Lügen nimmt.
Ich bin der Uebergangene im Leben.
Ich, der ich hinter Dornen raste
und nur im Dunkel weiter taste
muß dennoch so an dieser Erde kleben.
Maya — schenken Sie mir die Ruhe wieder — nur mir!
Das Wunder Ihrer Sonnenhände. Das Leuchten Ihrer Rosen-
nägel. Und das Zittern, das in Ihrem Herzen thront.

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