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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Neuntes Heft
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Walden, Herwarth: Sünde: ein Spiel an der Liebe
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0138
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Der Vater
Dem Alter gehört der Himmel. Ich kann einen ausgezeich-
neten Engel abgeben
Die Tochter
Willst Du mich töten Vater
Der Vater
Engel segnen. Ich kann ausgezeichnet segnen
Die Tochter
Sensen sind Deine Worte Vater
Der Vater
Der Vater und der Sohn
Die Tochter
Ich liebe Dich Vater
DerVater
Liebst Du
DieTochter *
Ich liebe
Der Vater
Liebst Du mich
Die Tochter
Ich liebe Dich
Der Vater
Glaubst Du
Die Tochter
Ich glaube
Der Vater
Glaubst Du mich
Die Tochter
Ich glaube Dich
Der Vater
Holist Du
Die Tochter schweigt
Der Vater
Hoffst Du
DieTochter ganz leise
Ich liebe
Der Vater.
Der Sohn wird meine Tochter heimführen. Aus meinem
Heim führen. In die Heimat. Meine Tochter wird Vater
und Mutter verlassen. Die Mutter hat den Vater und der
Vater die Mutter. Alte Leute können allein sein
Die Tochter
Ich werde Dich nie verlassen Vater
DerVater
Alte Leute müssen getröstet werden. Die Tochter küßt die
Stirn und der Sohn die Hand
Die Tochter
Welcher Sohn Vater
Der Vater
Der Deinen Mund küßt
Die Tochter
Nie habe ich einen Mann geküßt
Der Vater
Oder der Dich küßt. Der Unterschied ist nicht erheblich
Die Tochter
Du bist furchtbar Vater
Der Vater
Ich bin alt. Ich bin bescheiden. Ich werde mich bescheiden,
Du Jungfrau mit den Zöpfen
Die Tochter faßt beide Hände des Vaters
Du glaubst mir nicht Vater. Ich schwöre Dir bei meiner
Seele, bei Deiner Seele Deines Kindes
Der V a t e r
Dem Vater gehört die Seele. Eine ausgezeichnete Ein-
richtung, die Seele. Schon daß man bei ihr schwören kann
Die Tochter steht dicht vor ihm
Hier bin ich Vater. Dein bin ich Vater. Nimm mich
Der Vater
Geh

Die Tochter
Nie habe ich einen Mann geküBt. Nimm mich.
Der Vater
Glaubst Du
Die Tochter
Ich glaube
Der Vater
Liebst Du
Die Tochter
Ich liebe
Der Vater
Mich. Liebst Du mich
Die Tochter umschlingt ihn und küßt ihn tief und lange mit-
ten auf den Mund
DerVater löst sich sanft von ihr
Der Vater
Nun geh in Deine Jugend mein Kind
Die Tochter
Dir bleibe ich. Immer bleibe ich Dir. Treu bleibe ich Dir
Der Vater
Die Treue ist nicht die Liebe. Liebe tötet Treue. Nun bin
ich alt. In mir glänzt der Stern, den sie Sünde nennen. Ver-
gib mir.
Der Vater fällt vor ihr auf die Knie
Die Tochter
Was tust Du, mein Vater, immer sind Dir meine Hände ge-
faltet
Der Vater
Ich bin ein Mensch. Du Liebe meiner Liebe. Vergib mir.
Die Tochter
Daß ich Dich schauen dürfte. Daß meine Lippen Dir röter
blühten
Der Vater
Eine Lerche jubelt mir spät am Abend. Geh in die Frühe.
Gib Dir das Ziel
Die Tochter
Ich hoffe, denn ich liebe
Der Vater
Im Himmel sind alle Menschen gleich. Geh
Die Tochter
Einmal habe ich gelebt im Paradiese
DerVater küßt sie auf die Stirn, sehr sanft
Geh
Die Tochter
Aber treu darf ich Dir sein Vater
Der Vater-
Treu darfst Du mir sein, denn die Treue ist nicht die Liebe,
die sie Sünde nennen.
DieTochter
Ich habe das Wunder gelitten, das sie Liebe nennen.
Der Vater
Nun bist Du stark, stark genug die Liebe zu leiden, die sie
Wunder nennen. Es liebt nur, wer geliebt hat.
Die Tochter
Meine Augen träumen Deine Tage
Der Vater
Geh
Die Mutter
Jetzt wird er gleich kommen. Was ist mit Deinem Kleid ge-
schehen
Die Tochter
Ich bin gefallen Mutter
Der Vater
Ich bin zu alt. 'Ich habe sie fallen lassen. Nimm sie in
Deine Hand. Dann ist sie gut aufgehoben
Die Mutter
Der Doktor wird morgen um Deine Hand anhalten. Viel-
leicht schon heute. Er ist ein guter Mensch. Reich und ge-
bildet. Er liebt Natur und Kunst. Du bist doch einverstanden

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