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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 10.1919-1920

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Viertes Heft
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Walden, Herwarth: Die Freiheit in der Fachkritik
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Schreyer, Lothar: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.37115#0058
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Worunter natürlich nur der Impressionis-
mus zu verstehen ist. Sein Wesen ist näm-
lich der sogenannte individuelle Ausdruck.
Die Expressionisten dagegen sind nicht per-
sönlich, wohl aber die Kunstkritiker. Was sie
persönlich verstehen, ist ihnen, Kunst. Und
Künstler ist der, den sie persönlich kennen.
Wenn tatsächlich die sogenannten Persön-
lichkeiten die größten Künstle^ wären, so
hätte man nur zu bedauern, daß nicht lieber
die Kunstkritiker Bilder malen. Ich könnte
mir wenigstens nichts erfreulicheres den-
ken., als die Eigenart des Herrn Professor
Glaseri durch Herrn Doktor Adolf Behne im
Bilde festgeha'lten zu sehen. Der Expres-
sionist aber entäußdrt sich dieser sogehahn-
ten Persönlichkeit. Er fühlt s,ich nicht als
Herrscher der Kunst, wie der Kunstkriti-
ker. Er ist ihr WerkzQUg. Br gestaltet
nicht die Erfahrung, er gestaltet das Nicht-
erfahrene. Das kanin sich ein Kunstkriti-
ker "natürlich nicht denken. Denn er
kann nur denken, was gedacht ist.
Seine Persönlichkeit ist die Sum-
me d.QS Gedachten, das er sich
zufällig erworben hat. Das künstlerische
Denken ist aber die Gestaltung des inneren
Erlebnisses. Damit hat die sogenannte
Geistigkeit, weder eine neue noch eine alte,
etwas ^zu tun. Kunst selbst ist Tat und nicht
Vermittlung von Tatsachen. Deshalb ist der
Unterricht in der Sturm-Schule negativ.
Gelehrt wird nicht das Lernen, gelehrt wird
das Verlernen. Nämlich die Befreiung von
Tatsachen, von Nachahmungen und Nach-
bildungen. Der Expressionismus ist nicht
individuell, er ist typisch. Er ist also nicht
übersubjektiv, er ist überaus objektiv. Er
gestaltet die Art des Gefühls, nicht seine
Abart in einem Individuum. Man kommt
allerdings um das Vergnügen, aus einem
Kunstwerk etwa die Abart des Herrn Glaser
kennen zu lernen. Oder die Geistigkeit des
Herrn Behne. , Kunst verzichtet nun einmal
auf Subjekte. Das Kunstwerk gestaltet nur
ewige Gefühle der Menschenmasse. Ueber
die sich geistige Sozialisten dank ihrer Indi-
vidualität besonders erhaben fühlen. Darum
wird die Kunst sich mit dem unbedeutenden
Volk begnügen müssen. Darum wird dem
Volk der Expressionismus und nur er Kunst
bedeuten. Denn der Expressionismus ist die
Kunst. Das werde ich den Herren Kritikern

durch die Tat der Kunst beweisen. Wenn
so bedeutende Persönlichkeiten überhaupt
gütigst sich etwias beweisen lassen
Herwarth Waiden

Gedichte
Lothar Schreyer
Feuermantel
Tiefes Zittern
Schlingen Arme Erde
Fluten Heben
Gießt der Atem
Wandel der Geburt
Sammeln Strahlen
Schöpfen Welten
Glut
Neigen Du
Lösen Du
Hauch
Feuern
Stalten
Insel Rollen Meer entmeeren
Falten Häuser Glanz umwellen
Fahren Straßen rund umstrahlen
Schütten Schatten Wald Land Lande
Leuchtevogel
Strählen Flammen Segel
Blitz Flug Ballen
Kreisen Körper Burt der Kreuze
Kinder auferstehen Augen
Blumt der Tropfen Loh
Erdsplitter
Glasen Tiereherzen
Flügel Monde
Steht das Meer
Flammen
Schreiten
Schreiten
Rauschewald der weißen Stämme
Kelcht die Blume
Wurzellos
Brechen die Gestein#
Strahlen streuen
Mondsee
Steigen Tiefen Glanz
Strömen Leuchte Strömen
Blitzewald der weißen Stämme
Blatt und Gras und Warten
Hell weit

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