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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 11.1920

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Neuntes und zehntes Heft
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Blümner, Rudolf: Die vier Toten der Fiametta
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Blümner, Rudolf: Parallelität und Lächerlichkeit
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Nebel, Otto: Totentanz, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37133#0139
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ch empfunden: So müssen diese mit der
walt der Natur, mit der Selbstverständ-
lkeit des Grössten auf sie gewirkt haben.
5se Menschen müssen, da sich in Deiner
sik nicht eine einzige anlehnende Melodie
indet, Deine Musik als die letzte Selbst-
rständlichkeit empfunden haben, die in
lern Menschen ist. Ernst Rodewald, der
t langem in Breslau mit Fanatismus für
:ine Musik kämpft, hat mir vor zwei Jahren
imal eine ausgezeichnete Analyse Deiner
usik vorgetragen und dabei von ihrer
nialen Banalität gesprochen. Und das ist
chtig. Deine Melodien und Harmonien
bind nicht von Dir, sondern von aller
Menschen Seelen Tiefen. Sie sind von
jener Banalität, die Beethoven nur in den
grössten Augenblicken seiner musikalischen
Empfängnisse bekommen hatte, in der
Musik des Chors aus der Neunten Sym-
phonie, in der grossen Melodie des ersten
Satzes aus dem Violinkonzert und in vielen
Stellen seiner grossen Klavier - Sonaten.
Diese menschliche, diese göttliche, diese
kosmische Banalität ist Dir gegeben, Dir
als dem Einzigen und Dir als dem Ersten
Komponisten dieser Welt. Du weisst, dass
dies nicht mein Glaube ist, sondern mein
unantastbares Wissen seit jenem Tage,
als Du mir zum ersten Mal im Jahre 1905
das grösste Wunder meines Lebens, Deine
Musik, olfenbartest. Es ist von keiner Be-
deutung, ob mir heute oder in naher Zeit
irgend ein Mensch glaubt. Aber es ist von
Bedeutung, dass ich dieses Wissen von
Deiner menschlichen und göttlichen Bana-
lität hier nicht bekenne, sondern dokumen-
tiere. Denn dieses Dokument wird auch
sein aere perennius, wie die tiefste und ge-
waltigste Musik aller Zeiten, Deine Musik,
Herwarth Waiden.
Rudolf Blümner
Aufführung im Alberttheater zu Dresden am
12. Oktober 1920

Parallelität und Lächerlichkeit
Der Dresdner Kritiker A. G. schrieb über
die Pantomime „Die vier Toten derFiametta"
von Herwarth Waiden und William Wauer
" vom 20. Oktober 1920
Parallelität
f < aen Gestik".

Dieser Kritiker hat auch die folgenden
Urteile gefällt:
Studiert man die Partitur der Matthäus-
Passion oder der Neunten Symphonie, so
stellt man eine lächerliche Parallelität
aller Instrumente und Stimmen fest.
Die Tatsache, dass im rechtwinkligen Drei-
eck die Summe der Quadrate über den
Katheten gleich dem Quadrat über der
Hypotenuse ist, wirkt gradezu lächerlich.
Es gibt nichts Lächerlicheres als die
Paratlelität von Herz- und Pulsschlag.
* *
*
Die Parallelität von Licht und Schatten ist
einfach zum Lachen.
Dividiert man die Zahl Hundert durch Vier,
so ergeben sich vier Zahlen von lächer-
licher Gleichheit.
Wenn zwei Kritiker über die Musik von
Herwarth Waiden schreiben, so ergeben
sich zwei Banalitäten von lächerlicher Pa-
rallelität.
Rudolf Blümner

Totentanz
(Wie man mit dem Rasiermesser philoso-
phiert)
Uber unter den Linden reitet der grosse
Fritz Stahl, um auf die Bäume zu klettern,
gehen wir heute unter die Linden, um auf
die Universität zurückzublicken von unten
herauf, von oben hinab und von vorn-
herein, herein Gesellen alle lassen wir
uns gesagt sein, Stahlfritz ist der grösste
teutsche Satiriker wider seinen Wider-
willen, wenn auch die Figur in einer
Hecke einen leidlichen Hintergrund er-
hielte. Jener Schreibfritz, dieser junge
Held, der hier zusammengebrochen wird,
ein Bein steht kaum noch, kann keinem
mehr ein Mitleid zufügen, hat es beschaut.
Hast Du nicht gesehen, hat er es auch
schon beschrieben. Wen oder was und
wo und warum nicht. Und um die Säulen
windet sich der Kranzkuchen.
„Die Berliner Universität will ihren im

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