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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Achtes Heft
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Liebmann, Kurt: Schräg geöffnet
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Walden, Herwarth: Unter den Sinnen, [4]: Dichtung zwischen Menschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0175
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Schatten klaftern
trippelgrau
schwebkreisen Taster quales Kreuz
und
flatterhuschen
ängsten
Qual
Mond ätzt das Gift
und
Kichern reitet spitzes Ohr
ein Greisen weisst auf rotem Eis
perlt Hüsteln
sinkt
krallt Hand
versinkt.
Kurt Liebmann


Unter den Sinnen
Dichtung zwischen Menschen
Herwarth Walden
Fortsetzung
Sie haben immer das meiste Interesse für
Ihr Fräulein Schwester gehabt
Das ist ja furchtbar, Ernst, Die arme Friedel.
Sie müssen uns unbedingt sagen wo sie
liegt. Wir wollen sofort zu ihr, nicht Ernst.
Da es einen Arzt nunmehr in Eurer Fa-
milie gibt, wäre es doch das Natürlichste
gewesen, dass Deine Schwester mich hätte
rufen lassen
Ich konnte ihr doch unsre Verlobung nicht
mitteilen.
Es zeigt einen bedenklichen Mangel an Fa-
miliensinn, wenn wir Deiner Schwester zur
Uebermittlung eines einfachen Glückwun-
sches erst eine gedruckte Anzeige senden
müssen. Es hat doch in allen führenden
Zeitungen gestanden.
Friedel liest sicher keine Zeitung.
Ich bin durchaus nicht beleidigt. Wir wollen
aber nicht gegen den Willen Deiner Eltern
handeln.
Ich gehe zu ihr.
Ich dürfte doch wohl auch ein Wörtchen
mitzureden haben.
Willst Du mir verbieten meine kranke Lieb-
lingsschwester zu besuchen.
Mann und Frau müssen sich aufeinander
abstimmen.
Du hast Dich sehr verändert Ernst.
Ich habe die grössere Lebenserfahrung Kind.
Niemand kann tun was er will. Wir sind

alle aufeinander angewiesen.
Also auch Friedel auf uns.
Das ist unlogisch, um nicht zu sagen jesu-
itisch. Wer sich ausserhalb der Familie
stellt, hat kein Recht auf die Vorteile der
Familie.
Es ist mir peinlich durch meine Mitteilung
ein Zerwürfnis herbeizuführen
Begleiten Sie mich zu meiner Schwester.
Wegen solch einer Kleinigkeit willst Du
mir nicht gehorchen.
Du darfst mir meine Freiheit nicht nehmen,
wo es Dir nicht schadet.
Darüber werde ich mir wohl selbst ein
Urteil bilden können.
Ich gehe.
Das also ist Deine Liebe.
Ernst
Ich empfehle mich.
Es ist mir wirklich peinlich gnädiges Fräulein
Ich hasse ihn
Ich werde nie heiraten
Ich muss, ich muss. Kommen Sie.
Friedel, mein armes Kind. Tut es sehr weh.
Ich bin doch fortgelaufen.
Ernst wollte mich nicht zu Dir gehen lassen.
Lass ihn laufen.
Du hast noch immer Mut. Wir haben uns
öffentlich verlobt.
Ich werde nie heiraten.
Du stehst und ich liege zu Boden, hilf mir
Friedel.
Lass ihn laufen.
Wie soll ich denn leben. Die Eltern
werden immer älter. Und was wird Deine
Krankheit wieder kosten.
Deine Eltern brauchen nichts zu zahlen.
Wer soll es sonst tun.
Das kann ich Dir nicht sagen
Ich frage nicht aus Neugierde, aber Du
musst mich beruhigen.
Wie versorgt Ihr alle seid.
Du kannst doch nicht von diesem jungen
Menschen Geld nehmen.
Ich nehme nie Geld.
Friedel, das kann ich nicht von Dir denken.
Das darfst Du nie tun.
Wie versorgt Ihr alle seid.
Du bist kein schlechter Mensch.
Ich bin.
Deine Stimme klingt hell und fremd, Friedel
Ich bin eine Tänzerin auf der Strasse.
Du schwärmst

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