Sie an unsern Papagei. Unaufgefordert setzt
sich Feininger hin, und schreibt Ihnen einen
Brief, der keinen Anfang und kein Ende
hat: „Sehr geehrter Herr Westheim! Meine
Differenzen mit Walden . . .“ Wie? Quasi,
als wüsste er, dass Sie keine Sorgen haben,
äusser, sich über seine Differenzen mit
Walden den Kopf zu zerbrechen. Er lässt
es darauf ankommen, dass Sie bei der
überraschenden Ankunft dieses Briefes den-
ken müssen, dieser Feininger sei plötz-
lich übergeschnappt. Wie kommt der Mann
dazu, Ihnen seine Differenzen mit Walden
auszuplaudern? Was konnten Feiningers
Differenzen mit Walden Sie interessieren?
Dass Sie vor Ihren Lesern so tun, als hätte
Feininger an Walden nicht etwas ganz
anderes geschrieben, das will ich Ihnen
hingehen lassen. Man kann die Ehrlichkeit
auch bis zur Dummheit treiben, ist Ihr
Sprichwort. Oder ist es nicht etwas anderes,
was Feininger an Walden schreibt: „Dass
ich vor zweieinhalb Jahren von Ihnen fort-
ging, lag nur an meiner Überreiztheit.“ Ist
dieser Feininger ein Mann von so himm-
lischer Güte, dass er in herzlichen Be-
ziehungen zu einem Menschen steht, dessen
Geschäftsbetrieb er entlaufen ist? Es mag
schon sein, dass er Ihnen unaufgefordert
etwas von Differenzen geschrieben hat.
Wenn er Ihnen aber nicht noch einiges
dazu geschrieben hat, dann ist er ein
Schwätzer, der nicht schlafen kann, ehe er
Ihnen sein Herz geöffnet hat. Denn nach
Paul Westheim hatte Feininger über-
haupt keinen Grund, an Paul Westheim
zu schreiben. Sie brauchen aber nur
Feiningers Brief noch einmal durchzu-
lesen. Dann werden Sie Anfang und Ende
finden und wissen, warum er Ihnen Auf-
klärung geben musste. Weil er, als an-
ständiger Mensch, sich durch Ihre ent-
stellte Wahrheit zum Schreiben a u f ge-
fordert fühlte. Weil er es nicht leiden
wollte, dass Sie ihn zu einem von Herwarth
Walden Begaunerten machen. Sie sollten
von ihm selbst erfahren, dass er nicht
einem Geschäftsbetrieb entlaufen war, son-
dern Differenzen künstlerischer Art hatte.
Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit
Sie alle Hindernisse überwinden, um einen
offenbaren Protest in eine Zustimmung
zu verwandeln. Es macht Ihren Fall Fei-
ninger zu einem Unicum unter den West-
heimiaden. Sie sind der Herr Beschuldiger,
der zwischen Uhr und Papagei, zwischen
Nehmen und Schenken keinen Unterschied
kennen will, und dem es leid tut, dass er
wirklich nicht weiss, was es zu berichtigen
gäbe. Bis an Ihr Lebensende darf es Ihnen
leid tun. So gewiss Sie mit dem Fall Marc
auf eine Leichenfledderei angespielt haben,
ebenso gewiss wollten Sie mit dem Fall
Feininger ein geringeres Vergehen vermuten
lassen. Aber etwas, das nur grade nicht
so abscheulich ist wie eine Leichenfledderei,
muss noch immer etwas sein, das Herwarth
Walden zur Unehre oder Schande gereicht.
Fangen Sie an, mich zu verstehen? Fei-
ninger sagte sich wegen künstlerischer
Differenzen in heftiger Weise vom Sturm
los! Über etwas so vollkommen Unehren-
haftes berichtet ein Westheim nicht. Auch
der Herr Beschuldiger wusste, dass niemand
ein Lump ist, weil er einem anderen einen
Papagei schenkte. Darum beschimpfte er
denjenigen, der ihn richtig verstanden hatte
und schrieb im Kunstblatt:
„Was aber wird den Lesern des Sturm
hierzu (zum Fall Feininger) mitgeteilt?“
„Herr Westheim,“ ich pflege, wie schon
einmal gesagt, immer wörtlich zu zitieren,
„unterstellt, dass Feininger wegen geschäft-
licher Ausbeutung und wegen seiner Er-
kenntnis des höheren Wertes des Herrn
Westheim den Sturm verlassen habe.“ Ein
armseliger Kniff! Nichts davon ist wahr.
Jede Zeile, die mir da angedichtet wird, ist
plumpe Fälschung und elendige Unter-
stellung. . . . Ich stelle fest, dass hier die
Leser des Sturms mit offenbarem Schwindel
bedient worden sind. . . .“
Das ist der Korybantenlärm, der von Ihrem
Hokuspokus ablenken soll. Unter diesem
Spektakel von Schimpfworten und Belei-
digungen soll man übersehen, wie Sie
Feiningers Protest in ein Attest umdeuten.
Wenn Einer herausfinden müsste, was Sie
mit Ihrem mysteriösen Fall Feininger ge-
meint haben, dann könnte er sich wohl
eine Weile den Kopf zerbrechen. Ich würde
ihm aber das Raten erleichtern, indem ich
ihm eine Postkarte vorlegte, in der Herr
Westheim beispielsweise und wenigstens
den Fall Marc authentisch erklärt hat. Nun
könnte er eine Ahnung haben, was für Ver-
gehen an Feininger begangen sein müssen,
da er doch einem „Geschäftsbetrieb ent-
182
sich Feininger hin, und schreibt Ihnen einen
Brief, der keinen Anfang und kein Ende
hat: „Sehr geehrter Herr Westheim! Meine
Differenzen mit Walden . . .“ Wie? Quasi,
als wüsste er, dass Sie keine Sorgen haben,
äusser, sich über seine Differenzen mit
Walden den Kopf zu zerbrechen. Er lässt
es darauf ankommen, dass Sie bei der
überraschenden Ankunft dieses Briefes den-
ken müssen, dieser Feininger sei plötz-
lich übergeschnappt. Wie kommt der Mann
dazu, Ihnen seine Differenzen mit Walden
auszuplaudern? Was konnten Feiningers
Differenzen mit Walden Sie interessieren?
Dass Sie vor Ihren Lesern so tun, als hätte
Feininger an Walden nicht etwas ganz
anderes geschrieben, das will ich Ihnen
hingehen lassen. Man kann die Ehrlichkeit
auch bis zur Dummheit treiben, ist Ihr
Sprichwort. Oder ist es nicht etwas anderes,
was Feininger an Walden schreibt: „Dass
ich vor zweieinhalb Jahren von Ihnen fort-
ging, lag nur an meiner Überreiztheit.“ Ist
dieser Feininger ein Mann von so himm-
lischer Güte, dass er in herzlichen Be-
ziehungen zu einem Menschen steht, dessen
Geschäftsbetrieb er entlaufen ist? Es mag
schon sein, dass er Ihnen unaufgefordert
etwas von Differenzen geschrieben hat.
Wenn er Ihnen aber nicht noch einiges
dazu geschrieben hat, dann ist er ein
Schwätzer, der nicht schlafen kann, ehe er
Ihnen sein Herz geöffnet hat. Denn nach
Paul Westheim hatte Feininger über-
haupt keinen Grund, an Paul Westheim
zu schreiben. Sie brauchen aber nur
Feiningers Brief noch einmal durchzu-
lesen. Dann werden Sie Anfang und Ende
finden und wissen, warum er Ihnen Auf-
klärung geben musste. Weil er, als an-
ständiger Mensch, sich durch Ihre ent-
stellte Wahrheit zum Schreiben a u f ge-
fordert fühlte. Weil er es nicht leiden
wollte, dass Sie ihn zu einem von Herwarth
Walden Begaunerten machen. Sie sollten
von ihm selbst erfahren, dass er nicht
einem Geschäftsbetrieb entlaufen war, son-
dern Differenzen künstlerischer Art hatte.
Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit
Sie alle Hindernisse überwinden, um einen
offenbaren Protest in eine Zustimmung
zu verwandeln. Es macht Ihren Fall Fei-
ninger zu einem Unicum unter den West-
heimiaden. Sie sind der Herr Beschuldiger,
der zwischen Uhr und Papagei, zwischen
Nehmen und Schenken keinen Unterschied
kennen will, und dem es leid tut, dass er
wirklich nicht weiss, was es zu berichtigen
gäbe. Bis an Ihr Lebensende darf es Ihnen
leid tun. So gewiss Sie mit dem Fall Marc
auf eine Leichenfledderei angespielt haben,
ebenso gewiss wollten Sie mit dem Fall
Feininger ein geringeres Vergehen vermuten
lassen. Aber etwas, das nur grade nicht
so abscheulich ist wie eine Leichenfledderei,
muss noch immer etwas sein, das Herwarth
Walden zur Unehre oder Schande gereicht.
Fangen Sie an, mich zu verstehen? Fei-
ninger sagte sich wegen künstlerischer
Differenzen in heftiger Weise vom Sturm
los! Über etwas so vollkommen Unehren-
haftes berichtet ein Westheim nicht. Auch
der Herr Beschuldiger wusste, dass niemand
ein Lump ist, weil er einem anderen einen
Papagei schenkte. Darum beschimpfte er
denjenigen, der ihn richtig verstanden hatte
und schrieb im Kunstblatt:
„Was aber wird den Lesern des Sturm
hierzu (zum Fall Feininger) mitgeteilt?“
„Herr Westheim,“ ich pflege, wie schon
einmal gesagt, immer wörtlich zu zitieren,
„unterstellt, dass Feininger wegen geschäft-
licher Ausbeutung und wegen seiner Er-
kenntnis des höheren Wertes des Herrn
Westheim den Sturm verlassen habe.“ Ein
armseliger Kniff! Nichts davon ist wahr.
Jede Zeile, die mir da angedichtet wird, ist
plumpe Fälschung und elendige Unter-
stellung. . . . Ich stelle fest, dass hier die
Leser des Sturms mit offenbarem Schwindel
bedient worden sind. . . .“
Das ist der Korybantenlärm, der von Ihrem
Hokuspokus ablenken soll. Unter diesem
Spektakel von Schimpfworten und Belei-
digungen soll man übersehen, wie Sie
Feiningers Protest in ein Attest umdeuten.
Wenn Einer herausfinden müsste, was Sie
mit Ihrem mysteriösen Fall Feininger ge-
meint haben, dann könnte er sich wohl
eine Weile den Kopf zerbrechen. Ich würde
ihm aber das Raten erleichtern, indem ich
ihm eine Postkarte vorlegte, in der Herr
Westheim beispielsweise und wenigstens
den Fall Marc authentisch erklärt hat. Nun
könnte er eine Ahnung haben, was für Ver-
gehen an Feininger begangen sein müssen,
da er doch einem „Geschäftsbetrieb ent-
182