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Engel, die nicht größer als die Menschen sind, in zarten hellgrünen, helh
blauen und hellroten Gewändem und warten.

Feierliche Begrüßung! HändedrückenundWangengestreichel! Kopfnicken
und Armgewackel! Viel Gelächter! Und viel lächelnde Behaglichkeit!

Die großen Burgen, die aus reinen Riesendiamanten bestehen, sprühen
ihren Farbenbrand so festlich in die Dämmerung. Und die andern Edelsteine
der weiten Säulenhallen glänzen mit den reinen Riesendiamanten um die
Wette. Und die kostbaren Steingewächse, die aus den Domen aufstreben,
sind auch so wunderbar. Die Smaragdkuppeln einzelner Schlösser werden
von innen erleuchtet und werfen in den schwarzen Sammethimmel weite grüne
Lichtkegel, die sich langsam bewegen. Die Saphirtürme ragen höher empor
als die andern Türme. Und das stille Licht, das überall durch die tausend*
farbigen Glasfenster hinausströmt, das schimmert so heiligsbunt und ver«
heißungsvoll. Ungeheure Palastgebirge sind mit riesigen Opalbogen um*
gittert. Wenn das Auge von Pol zu Pol schweift, so wird es verzückt bei all
der Glanzglut. Der Bauzauber ist so gewaltig, daß man sich verwundert
fragt, wie es kommt, daß die auferstandenen Menschen nicht einfach toll
werden. Aber — so entsetzlich es auch ist, so wahr ist es: die meisten Men«
schen denken bloß an das gute Abendbrot, das ihnen nach ihrer Meinung
in den Domen und Palästen von eifrigen Dienern vorgesetzt werden wird.

Wie verblüfft sind da die Auferstandenen, als sie im Innern all der vielen
Glanzburgen gar kein Abendbrot finden! Männlein und Weiblein sehen
sich verwundert um, entdecken aber nichts. Draußen haben sie schon
schmerzlich den gänzlichen Mangel an Bäumen, Früchten und Gemüsen
bemerkt — und jetzt ist auch drinnen alles nur unfruchtbarer Stein! Marmor
und Rubine, Gold und Silber, bunte Lampen und bunte Wände, entzückend
gegliederte Kuppeln, ein bißchen Sammet und Seide, mächtige Granitsäulen,
glitzernde Glasgrotten und ähnliche Sachen gibt’s ja in unüberschaubarer
Menge—dochvonHammelbraten,SchneckensalatundFeuerweinkeineSpur!

»Engel, wo bleibt das Abendbrot?«

Also ruft demnach baldigst ziemlich einstimmig das ganze große Menschen*
geschlecht.

Die Engel öffnen schweigend im Innern der Paläste und Dome kleine
Seitenpforten, die bis dahin den Blicken der Menschen entzogen waren.
Alle denken natürlich — jetzt gibt’s zu essen, zu trinken und zu rauchen.
Hei! Wie sie sich freuen!

Indessen — diesmal ist die Enttäuschung noch viel größer.

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