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dem der Staat als Ganzes Hunderte von Städten umfaßt, sind die staatlichen
Bauten in den einzelnen Städten gewissermaßen Fremdlinge. Auch ist es
nicht mehr wie früher, daß alles vor den öffentlichen Bauten ehrerbietig
Platz macht und sich ganz nach ihnen richtet. Sie haben keine Sonderrechte
mehr, ihre örtliche richtige Stellung ist oft nur schwer zu erreichen, ihre
künstlerische Gestaltung ergibt sich nicht mehr ohne weiteres durch die eng
begrenzte Eigenart des Staatsbietgees.« So schreibt Philipp A. Rappaport
im »Städtebau«. Und weiterhin erwähnt derselbe Verfasser, daß die Bau*
ordnung sowohl, wie die Aufstellung eines Bebauungsplanes Sache der
Stadtgemeinde sei, welche danach auch das Recht der Verteilung dieser
Bauten im Stadtgebiete habe, soweit nicht der Staat sich selbst rechtzeitig
Land erwirbt. Es trete eine »Landflucht«, eine Verlegung der Staatsbauten
in die Peripherie der Stadt in die Erscheinung. — So scheint sich auch hier
äußere Form und Inhalt völlig zu decken und wir müssen nach einem an?
deren Kopf für den Rumpf suchen.

GEBT EINE FAHNE

Es muß auch heute wie beim alten Stadtbilde sein, daß das Höchste, die
Krone, sich im religiösen Bauwerk verkörpert. Das Gotteshaus bleibt
wohl für alle Zeiten der Bau, zu dem wir immer hinstreben, der unser tiefstes
Gefühl den Menschen und der Welt gegenüber tragen kann.

Warum ist denn aber nicht in den letzten Zeiten, etwa seit der Blütezeit
des Jesuitismus, irgendwo ein großer Dom gebaut oder wenigstens ernst-
haft geplant worden? Schinkels romantischer Zug führte ihn zu einem gro*
ßen Domprojekt auf dem Templowerberge bei Berlin, aus dem Gefühl,
endlich einmal etwas zu schaffen, was Sehnen und Hoffen derMenschen in
Gemeinschaft zusammenfiihrt. Doch die Anregung fand keinen Nachhall.

In der Idee der neuen Stadt fehlt die Kirche. Es werden zwar in den Plänen
auch Kirchen vorgesehen, doch werden sie so verteilt, daß sie keine über*
ragende Bedeutung finden können. Auch die Gottesidee zerfließt, wie die
neue Stadt selbst. Es soll nicht behauptet werden, daß das religiöse Leben
an Innigkeit nachgelassen habe. Aber es zerfließt mehr und mehr in kleine
Kanäle; das gemeinsame Gebet, die lithurgische Handlung hat an zusammen*
haltender Kraft verloren. Es ist, wie wenn eine seltsame Schamhaftigkeit im
frohen Bekennen des religiösen Glaubens eingetreten wäre, wie wenn es
sich nur auf das stille Kämmerlein des einzelnen zurückgezogen hätte. Und

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