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Taut, Bruno
Die Stadtkrone — Jena, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.29957#0021
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Und es treten die hellgrünen Engel mit dunkelgrünen Tannenzweigen
hervor, und mit den dunkelgrünen Tannenzweigen berühren sie alle Unzus
friedenen.

Und die Berührten fallen um und sind tot.

Rasch werden sie hinausgetragen und wieder im Schnee verscharrt.

Jede Spur der Bösen ist bald verweht.

Die guten Menschen aber, die schon dankbar sind, wenn sie bloß in einer
glanzseligen Traumwelt leben können, nehmen die Qualen des alten Lebens
ruhig ins neue Leben hinüber, lachen lustig über alles und wollen nicht mehr.

Wie die hellgrünen Engel zurückkommen, streicheln sie den guten Men*
schen freundlich die klugen Köpfe.

Durch die bunten Glasscheiben strahlt das neue Glück in die Schneenacht
hinaus, daß die gar seltsam wird.

Die Smaragdkugeln leuchten mit ihren grünen Lichtkegeln durchs schwarze
Weltall.

Die Saphirtürme recken sich noch höher — wie übermütige Gespenster.

Die riesigen Opalgitter schimmern wie Millionen aufgescheuchter Schmet>-
terlinge.

Die vielen kleineren Schlösser sehen auf dem weißen Schneeball, der sich
Erde nennt, wie Glühwürmchen aus.

Und es ist alles so rührend=feierlich in der ewigen Dämmerstunde, daß
jeder ruhig werden kann.

Die Erzengel beugen sich zum zweiten Male zur Erde herab.

Die blonden Riesenlocken bilden wie vorhin einen prächtigen Haarring.

Die unbeschreiblich großen Engel stecken die festlich erleuchteten Paläste
wieder in ihren Rucksack, ziehen ihre Handschuhe an, nehmen ihre Dome
in den Arm-und flattern davon.

Bald dreht sich der ganze Erdball so langsam wie vorhin — wie ein großer
Schneeball, den Kinder rollen, wenn sie einen Schneemann bauen.

Die violette Sonne glüht in der Ferne wie eine Ampel, der das Ö1 ausgeht.

Die goldenen Sterne funkeln im tiefschwarzen Sammethimmel — wie glück*
liche Strahlburgen.

Und die Nacht ist so still — so grabesstill!

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