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»Städtebau« genannt. Sie blieb zwar, von manchen Nachbetem nur äußer*
lich aufgefaßt, großenteils bis heute in formalistischen Dingen stecken; im
wesentlichen aber erwies sie sich als ein fruchtbarer Keim. Nach und nach
wurden alle guten Kräfte von ihr mitgerissen, und die Frucht vieler Entwürfe
und theoretischer Studien ist, daß wir heute eine Vorstellung davon haben,
wie eine moderne Stadt am besten zu organisieren ist.

Die Verteilung der Wohrn, Industrie* und Geschäftsviertel im Stadtgefilde,
die Unterbringung der öffentlichen Bauten, Schulen, Verwaltungen usw.,
alles fand schließlich wenigstens in der Theorie eine feste Form. Es blieb
aber nicht allein dabei, wie das Bestehende am besten umzugestalten und
zu disziplinieren sei. Es wurde weiter untersucht, welche neuen Formen eine
neue Stadt haben muß, damit die Einwohner in ihr glücklich sein können.
Die kritische Sichtung führte zur theoretischen Ablehnung der Mietskaserne
und zur Erkenntnis, daß das kleine Einzelwohnhaus, in Reihen gebaut, mit
eigenem Garten wohl möglich und durchfiihrbar sei. Die Gartenstadt*
bewegung, deren Ziel die Schöpfung einer neuen Stadt mit solchen Garten-
reihenhäusern in engster Anlehnung an Garten« und Ackerbau, mit praktisch
und rentabel angelegten Wohnstraßen, gut verteilten Parks, verniinftiger
Unterbringung der Industrie und überhaupt Disziplinierung aller Ingre*
dienzien unter Ausschluß der Bodenspekulation war, — diese Bewegung
wurde am kräftigsten in England propagiert und führte dort zur Neugrün*
dung einer solchen Stadt eine Bahnstunde von London entfernt in der »ersten
Gartenstadt Letchworth«. Viele sich an Großstädte anlehnende Vorortsied-
lungen würden auch in Deutschland nach ähnlichen Gedanken errichtet.

Wenn man die Gartenstadtbewegung und dazu alle die städtebaulichen
Arbeiten, die im Anschluß an bestehende Städte Erweiterungen und in
diesen Städten Verbesserungen vomahmen, ferner die vielen fruchtbaren
Anregungen in diesem Gebiete überschaut, so kann man sagen: alle diese
Arbeiten folgen einer neuen Vorstellung, die, wenn auch durch Kompro*
misse vielfach verschleiert, in ihnen lebt. Eine neue Idee lenkt alle diese
Köpfe und Hände, es ist die Idee der neuen Stadt. Eine tiefe Sehnsucht leitet
uns alle: wir wollen wieder Städte, in denen wir nach Aristoteles nicht bloß
sicher und gesund, sondern auch glücklich wohnen können. Diese Sehn*
sucht sitzt so tief, daß wir nicht mehr nach dem Alten zu schielen brauchen.
Mit Stolz kennen wir unsere eigenen, ganz von den alten Zeiten abweichen*
den Wünsche und Neigungen und streben ihnen voll Hoffnung, unbeirrt
durch alle Hemmungen, zu.

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