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scheint auf dem Hintergrunde unseres Bildes ein gemaltes Bild in seinem
mitgemalten Rahmen. Wir könnten uns kein besseres Element wünschen,
um die Auffassung festzulegen, welche diese Zeit von einem Bilde hat. Ein
Gemälde, ein Bild, das ist eine bemalte, gerahmte Fläche aus Holz oder
Leinen, die einem Objekte ähnlich und wenn möglich auch geschmackvoll
sein soll. Man hängt solche Arbeiten in die gute Stube, sie sind eine Art
von Möbelstücken geworden. Malt nun ein Maler eine biirgerliche gute
Stube, die ein ebenso wiirdiger Gegenstand der Kunst ist wie irgend etwas
sonst, weshalb soll er nicht dann auch die gute Stube in kleinerem Maßstabe
an der Wand mitmalen, die als braveMalerei eines Kollegen in jener guten
Stube als gerahmtes Bild an der Wand hängen könnte? Es wären schließlich
unendlich viele ineinandergestellte gemalte gute Stuben hintereinander auf
einem Bilde theoretisch möglich. Niemand stößt sich daran. Warum auch?
Aber daß niemand sich daran stößt, ist ein Beweis, daß völlig das Gefühl
dafür erloschen ist, daß jedes Kunstwerk eine Auseinandersetzung mit dem
Sinn der Welt ist, also etwas ehrlich Ausschließliches. Souverain tritt jedes
wahr empfundene Werk eines Künstlers in die Welt, so daß es der wahre
Künstler nur als eine Aufhebung seines ganzen Wesens empfinden könnte,
wenn man ihm zumutete, selbst, innerhalb seiner Schöpfung, darauf anzu*
spielen, daß es derartige Dinge zu Dutzenden allerorten gibt. Profanität
wird hier nahezu Frivolität.

Wir haben die Fortsetzung des Rogier van der Weyden, der zwar auch
schon ein Bild im Bilde malte, aber es doch noch nicht als isolierte, gerahmte
Leistung eines anderen motivierte. Jetzt ist selbst der langweiligste Rahmen
eines gemalten, sehr gleichgültigen Bildnisses ein ausreichender Gegenstand
der Malkunst geworden.

Zugleich aber erkennen wir noch, weshalb der banale Vierkantsrahmen zu
so unbeschränkter Geltung kommen mußte. Woher dieser Rahmen kam,
hörten wir schon. Jetzt nun als Stubenbild, als ein Stück des Mobilars
mußte sich das Bild selbstverständlich dem Milieu anpassen, den Stühlen,
Fenstern, Tischen, Schränken und Truhen. Diese alle aber sind aus prakti*
schen Gründen rechtwinklig. Was blieb also dem Gemälde übrig, als sich
ebenfalls in vier rechte Winkel einzupassen? Damit war seine Loslösung
vom Architektonischen, seine Abirrung vom Kosmischen zu Ende geführt.

Zum Gegenständlichen gezwungen, führt das Bild in der guten Stube, im
Salon, ein profanes Dasein. Es ordnet sich zwischen Gardinen, Portieren
und Nippes ein. Daß es unter den Gebrauchsgegenständen des bürgerlichen

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