Die neue antikisch christliche Mythologie.
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Allegorie vergönnt ihm freiere Möglichkeiten einer idealen Wieder-
gabe des Reinmenschlichen. Er nimmt das Thema der frühen
mittelalterlichen, ja der altchristlichen Kunst auf. Rein künst-
lerische Gründe bewegen ihn dazu, die gleiche Lösung des Pro-
blemes, wie jene plastisch schauende Zeit, die noch unter dem
Bann der Antike stand, sie gegeben, seinerseits zu versuchen.
In der Allegorie erfaßt er ein mythologisches Moment. In ihr
erstrebt er die Versöhnung des Christlichen mit dem Antiken.
Antikisch kosmische und christlich heilige Vorstellungen werden
zum Bunde gezwungen und an der Stätte des Todes der Verherr-
lichung menschlichen Lebens nach dessen höchster heroischer Be-
deutung dienstbar gemacht.
Bedenkt man, welche Freiheit diese Mythologie dem plastischen
Genius gewährte, wie er in ihr Ideen für die Gestaltung gewann,
die der antiken Götterwelt zwar nicht ebenbürtig waren, aber doch
in ein ähnliches Bereich des Allgemeinen, Typischen führten, so
ist es begreiflich, daß die Vereitelung der Ausführung des gewal-
tigen Planes, in dem sein Lebenswerk zu gipfeln bestimmt gewesen
wäre, zu einem ihn innerlich fast verzehrenden Leiden werden
mußte.
Aber die gewonnene Anschauung wirkt weiter. Als die Male-
reien an der Sixtinischen Decke auszuführen ihm zugemuthet wird,
weigert er sich, die Apostel darzustellen. Allgemein Menschliches
zu bringen, erkennt er auch hier als seine Aufgabe und wählt, da
es sich um eine Verbildlichung des christlichen Welt- und Er-
lösungsgedankens handeln mußte, die alttestamentarische Mythologie.
Damit nimmt er auch hier das Thema der altchristlich-mittel-
alterlichen Kunst auf. Auch hier entwirft er das Bild des Menschen-
wesens und -daseins überhaupt, aber diesmal, indem er dessen
Tragik in Sünde und Leiden enthüllt.
Es ist dieser tragische Gedanke, den er dann der wiederum
allegorischen Gestaltung der Medicigräber, in denen er die kos-
mischen Andeutungen des Juliusdenkmals zur vollen Entwicklung
bringt, zu Grunde legt. Die Verherrlichung des geistig siegreichen
Heroenlebens wird von Todessehnsucht verdunkelt. Des Meisters
Mythus gelangt aus Leidenserkenntniss zur Verneinung des Lebens,
und damit zur Verneinung auch der plastischen Veranschaulichung
der Welt. Der christliche Todesgedanke, in ungeheurem Ringen
mit dem Lebensideal der Antike, wird Herr!
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Allegorie vergönnt ihm freiere Möglichkeiten einer idealen Wieder-
gabe des Reinmenschlichen. Er nimmt das Thema der frühen
mittelalterlichen, ja der altchristlichen Kunst auf. Rein künst-
lerische Gründe bewegen ihn dazu, die gleiche Lösung des Pro-
blemes, wie jene plastisch schauende Zeit, die noch unter dem
Bann der Antike stand, sie gegeben, seinerseits zu versuchen.
In der Allegorie erfaßt er ein mythologisches Moment. In ihr
erstrebt er die Versöhnung des Christlichen mit dem Antiken.
Antikisch kosmische und christlich heilige Vorstellungen werden
zum Bunde gezwungen und an der Stätte des Todes der Verherr-
lichung menschlichen Lebens nach dessen höchster heroischer Be-
deutung dienstbar gemacht.
Bedenkt man, welche Freiheit diese Mythologie dem plastischen
Genius gewährte, wie er in ihr Ideen für die Gestaltung gewann,
die der antiken Götterwelt zwar nicht ebenbürtig waren, aber doch
in ein ähnliches Bereich des Allgemeinen, Typischen führten, so
ist es begreiflich, daß die Vereitelung der Ausführung des gewal-
tigen Planes, in dem sein Lebenswerk zu gipfeln bestimmt gewesen
wäre, zu einem ihn innerlich fast verzehrenden Leiden werden
mußte.
Aber die gewonnene Anschauung wirkt weiter. Als die Male-
reien an der Sixtinischen Decke auszuführen ihm zugemuthet wird,
weigert er sich, die Apostel darzustellen. Allgemein Menschliches
zu bringen, erkennt er auch hier als seine Aufgabe und wählt, da
es sich um eine Verbildlichung des christlichen Welt- und Er-
lösungsgedankens handeln mußte, die alttestamentarische Mythologie.
Damit nimmt er auch hier das Thema der altchristlich-mittel-
alterlichen Kunst auf. Auch hier entwirft er das Bild des Menschen-
wesens und -daseins überhaupt, aber diesmal, indem er dessen
Tragik in Sünde und Leiden enthüllt.
Es ist dieser tragische Gedanke, den er dann der wiederum
allegorischen Gestaltung der Medicigräber, in denen er die kos-
mischen Andeutungen des Juliusdenkmals zur vollen Entwicklung
bringt, zu Grunde legt. Die Verherrlichung des geistig siegreichen
Heroenlebens wird von Todessehnsucht verdunkelt. Des Meisters
Mythus gelangt aus Leidenserkenntniss zur Verneinung des Lebens,
und damit zur Verneinung auch der plastischen Veranschaulichung
der Welt. Der christliche Todesgedanke, in ungeheurem Ringen
mit dem Lebensideal der Antike, wird Herr!