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Thode, Henry; Thode, Henry [Editor]
Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 3,1): Der Künstler und seine Werke: Abth. 1 — Berlin: Grote, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.47068#0436
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Der erzwungene Bund.

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verurtheilt, indessen das geistige Leben zu höchsten Leistungen ent-
fesselt ist. Riesenglieder, ihres Werthes und ihrer Bedeutung durch
den Intellekt beraubt — wie ferne sind wir der Antike! Wie ganz
im christlichen Bereiche! Und doch wieder: was hat denn diese
sich überwältigend vordrängende Leiblichkeit mit christlicher An-
schauung zu thun, wie antikisch muthet sie an! In jeder einzelnen
Figur zeigt sich das Ringen des Künstlers nach einer Verschmelzung
der beiden Welten — was seine unvergleichliche Kraft erreichte,
war ein persönlicher Stil, und dieser war der Ausdruck eben jenes
Ringens selbst, dem niemals das Ziel vollkommener Harmonie,
reiner Schönheit zu erreichen möglich war. — In den Malereien
der Sixtinischen Decke entschied sich das Geschick dieser Kunst.
Was wir, in ihren Anblick versenkt und von ihm überwältigt, als
ein Ungeheures empfinden — dies ist es: das Leiden der unerlösten
Menschheit wird uns von einem Meister geschildert, dessen Schaffen
selbst, je gewaltiger es sich entfaltet, desto mehr einem unentrinn-
baren Verhängniss verfällt. Auf die stürmende Kraft der Sixtinischen
Decke sollte die furchtbare Verzweiflungsklage der Medicigräber
folgen.
 
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