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Die Geisselung Christi. Die Transfiguration,
In diesem ist der Christus durch Ausprägung des Leidens im
stark gesenkten Kopfe bedeutend eindrucksvoller und seine in der
Studie zarte Bewegung viel energischer geworden. Das Mitwirken
Michelangelos, der vermuthlich auch auf die Vereinfachung der
Komposition gedrungen haben wird, ist ersichtlich. Der Vorgang
dürfte also vielleicht derart gewesen sein: er verfertigte zuerst, an
Studien für die Sklaven des Juliusdenkmales anknüpfend, eine
Skizze des Schmerzensmannes in ruhigerer Haltung, den er sich als
Mittelpunkt einer reicheren Szene dachte, und entwickelte dann
das Motiv in grösserer Weise. Das tief Ergreifende liegt nun in
dem Sichneigen des Oberkörpers, der das Kreuz auf sich zu nehmen
bereit erscheint: in der widerstandslosen Ergebenheit, mit welcher
dieser jeder Kraftleistung fähige, heldenhafte Leib der Schmach und
Marter sich unterwirft.
Mit geringen Veränderungen verwerthete Sebastiano das Motiv
des gesenkten Oberkörpers später für seine hl. Agathe in den
Uffizien.
Die Transfiguration.
So sicher es ist, dass Sebastiano in der Kapelle von S. Pietro
in montorio bei den ungeschickten Figuren der Hl. Petrus und Franz,
sowie bei dem Propheten und der Sibylle, welche Eindrücke der
Kunst Raphaels und Michelangelos verquickt zeigen, seine eigene
Erfindung bewährte, muss angesichts der Transfiguration unbedingt
die Frage aufgeworfen werden, ob ihm nicht auch hier sein Be-
schützer zu Hülfe kam. Man ist geneigt, es ohne Weiteres voraus-
zusetzen, da er durch dieses Werk ja wieder den Vergleich mit
einer Raphaelschen Schöpfung herausforderte. In der That kann man
ihn einer Inspiration von solcher Grösse, wie sie den Christus ein-
gegeben hat, schwerlich für fähig halten. Der künstlerische Abstand
der frei nach Raphaels Bild entworfenen Jünger und Propheten von
jener grossartigen, visionären Erscheinung ist der zwischen dem
Genie und dem Talent. Darf man sich doch mit vollem Rechte
fragen, ob dieser Verklärte an Erhabenheit nicht den des Urbi-
naten übertrifft! Wir werden es noch an einem anderen Beispiel
gewahren, wie Michelangelo ein Motiv Raphaels — es ist hier das
der erhobenen, geöffneten Hände — übernimmt, um es in seiner
Weise umzugestalten , als wollte er sagen : so war es zu machen.
Oder ist Michelangelos Gedanke, der, ebenso wie der des Ge-
Die Geisselung Christi. Die Transfiguration,
In diesem ist der Christus durch Ausprägung des Leidens im
stark gesenkten Kopfe bedeutend eindrucksvoller und seine in der
Studie zarte Bewegung viel energischer geworden. Das Mitwirken
Michelangelos, der vermuthlich auch auf die Vereinfachung der
Komposition gedrungen haben wird, ist ersichtlich. Der Vorgang
dürfte also vielleicht derart gewesen sein: er verfertigte zuerst, an
Studien für die Sklaven des Juliusdenkmales anknüpfend, eine
Skizze des Schmerzensmannes in ruhigerer Haltung, den er sich als
Mittelpunkt einer reicheren Szene dachte, und entwickelte dann
das Motiv in grösserer Weise. Das tief Ergreifende liegt nun in
dem Sichneigen des Oberkörpers, der das Kreuz auf sich zu nehmen
bereit erscheint: in der widerstandslosen Ergebenheit, mit welcher
dieser jeder Kraftleistung fähige, heldenhafte Leib der Schmach und
Marter sich unterwirft.
Mit geringen Veränderungen verwerthete Sebastiano das Motiv
des gesenkten Oberkörpers später für seine hl. Agathe in den
Uffizien.
Die Transfiguration.
So sicher es ist, dass Sebastiano in der Kapelle von S. Pietro
in montorio bei den ungeschickten Figuren der Hl. Petrus und Franz,
sowie bei dem Propheten und der Sibylle, welche Eindrücke der
Kunst Raphaels und Michelangelos verquickt zeigen, seine eigene
Erfindung bewährte, muss angesichts der Transfiguration unbedingt
die Frage aufgeworfen werden, ob ihm nicht auch hier sein Be-
schützer zu Hülfe kam. Man ist geneigt, es ohne Weiteres voraus-
zusetzen, da er durch dieses Werk ja wieder den Vergleich mit
einer Raphaelschen Schöpfung herausforderte. In der That kann man
ihn einer Inspiration von solcher Grösse, wie sie den Christus ein-
gegeben hat, schwerlich für fähig halten. Der künstlerische Abstand
der frei nach Raphaels Bild entworfenen Jünger und Propheten von
jener grossartigen, visionären Erscheinung ist der zwischen dem
Genie und dem Talent. Darf man sich doch mit vollem Rechte
fragen, ob dieser Verklärte an Erhabenheit nicht den des Urbi-
naten übertrifft! Wir werden es noch an einem anderen Beispiel
gewahren, wie Michelangelo ein Motiv Raphaels — es ist hier das
der erhobenen, geöffneten Hände — übernimmt, um es in seiner
Weise umzugestalten , als wollte er sagen : so war es zu machen.
Oder ist Michelangelos Gedanke, der, ebenso wie der des Ge-