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Thode, Henry; Thode, Henry [Editor]
Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 3,2): Der Künstler und seine Werke: Abth. 2 — Berlin: Grote, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.47069#0242
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Die Treppe des Vestibüles. Der Bibliothekssaal.

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Michelangelos zu betrachten, was, auf Grund ernster ästhetischer
Erwägungen neuerdings, von Seiten Geymüllers, bezweifelt worden.
Eine gewissenhafte Untersuchung der erhaltenen Skizzen und der
zwei Aussagen des Meisters 1555 und 1559 ergeben mit Sicherheit,
dass Ammanati den Gedanken Michelangelos verwirklicht hat.
Fraglich bleiben kann nur das Eine, ob in Dessen Modell nicht
auch für den oberen Theil Seitenläufe, hier ohne Balustraden, nach
dem Mitteltheil zu angeordnet waren, die in dreieckigem Grund-
riss spitz zu den Thürpfosten verliefen. So befremdlich dies auch
gewesen wäre, so hätten dann doch die Seitentreppen, die jetzt
ganz unmotivirt erscheinen, da sie gar nicht in die Mitteltreppe
ausmünden, sondern nur kläglich seitlich mit dieser vermittelt sind,
einen Sinn gehabt. Geymüllers Verurtheilung dieses eigenwilligen
Gebildes besteht zu Recht. Die Treppe hat kein Verhältniss noch
Zusammenhang mit dem doch für sie bestimmten Vestibül, sie wirkt
wie „herbeigeholt und an die Thür herangeschoben“, der sie sich
oben wie eine „Zugbrücke“ nähert; sie hat keine seitlichen Be-
grenzungen, kein „Gehäuse“, und, muss man hinzufügen, die Mittel-
stufen, die gleich Wellen auf flachem Strande ausschweifen und sich
seitwärts kräuseln (Michelangelo selbst sagt: wie ovale, auf ein-
ander gelegte Schachteln, die nach oben immer schmäler werden),
wirken wie eingezwängte, in flüssigem Zustande erstarrte Masse.
(Skizzen in der CasaBuon., Verz. 138, 108. In den Uffizien, Verz. 244,
244 a Kopien.)
Tritt man durch die viereckige Thüre, über der ein mächtiger,
unten durchbrochener Giebel auf schwachen Lisenen ragt, so bietet
sich ein neuer merkwürdiger Eindruck im Anblick des langen
Bibliotheksaales, der von der linken Seite her sein Licht durch
Fenster erhält. Auch hier haben die Wände eine reiche ausfüllende
Dekoration erhalten, und zwar, wie richtig bemerkt worden ist, eine,
deren Stil, gleich jenem des Vestibüls, einer äusseren, nicht aber
einer inneren Wandausstattung entspricht. Man steht, als blickte
man in eine Theaterdekoration, zwischen zwei nach innen gekehrten,
durch eine Holzdecke verbundenen Fassaden. Diese sind durch
dünne und flache toskanische Pilaster, die auf einem Sockel in Höhe
der Bücherbänke aufsitzen, gegliedert. Die Wandstreifen zwischen
ihnen enthalten unten in einem gerahmten Felde auf der einen Seite
wirkliche, auf der anderen blinde Fenster mit schwerfälligen geraden
Gesimsen über schwachem, von Voluten getragenem Architrav,
 
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