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I. Kapitel: Begriff und Wesen der Kunstgeschichte.
usw. Beschränkung in lokaler oder zeitlicher oder in beiden Hinsichten:
W. Bode, Geschichte der deutschen Plastik; Th. Raspe, Die Nürnberger
Miniaturmalerei bis 1517, Straßburg 1900; Richter, The golden age of classic
christian art, London 1904.
b) Die Einteilung des Stoffes nach örtlichen Gesichtspunkten spielt
aus vielen Gründen, namentlich in den Anfangsstadien der Kunstgeschichte,
eine große Rolle; zu den pragmatischen Interessen, wie sie sich namentlich
in nationalen und lokalpatriotischen Ambitionen widerspiegeln, gesellen
sich die Beobachtungen einer engen und natürlichen Verbindung der Kunst-
entwicklung mit der physischen und kulturellen Umgebung. Jene pragma-
tische Herkunft dieses Einteilungssystems verrät sich am stärksten darin,
wie zäh sich gerade hier die biographische Aufzählung, die Künstlergeschichte,
hält. Lanzi, Storia Pittorica dell Italia, Bassano 1795 und Decamps, La
vie des peintres Flamands, Paris 1753, bilden den Abschluß dieser nationalen
Biographik. Die Umwandlung der Künstlergeschichte in die Kunstgeschichte
führt zu einer neuen Durcharbeitung des nationalen Denkmälerbesitzes,
deren großartigster erster Erfolg in Italien die geniale Synthese von Rumohrs
Italienischen Forschungen (s. oben) war, denen im Norden in den Werken
Hothos, Schnaases und Michiels verwandte Darstellungen der deutschen
und niederländischen Kunst folgen. Dann setzt auch hier erfolgreich die
Spezialisierung ein, die die Kunstgeschichte von Ländern, Provinzen und
einzelnen Städten erforscht, zeitweilig wieder zu mächtigen Gesamtdar-
stellungen von einem Einzelnen oder mehreren Forschern zusammengefaßt
(Venturi, Storia dell'arte italiana, Mailand 1901 ff. oder die Geschichte
der deutschen Kunst von Bode, Dohme, Falke, Janitschek, Lützow)1)
oder zu Kompendien zusammengedrängt wird (z. B. die Sammlung Ars
Una usw.).
Die Schwierigkeit bei solcher Behandlung lokaler Gebiete ist die gleiche
wie bei allen anderen quantitativen Teilungen; es handelt sich darum, die
Fäden, die das Sondergebiet mit dem Ganzen verbinden, behutsam zu
lösen, die Vorgänge in jenem in ihrer charakteristischen Eigenart zu erfassen
und doch den Blick für die größere Hauptentwicklung nicht einzubüßen.
Von wesentlicher Bedeutung ist hierbei die Vorfrage, wieweit das behandelte
Gebiet auch künstlerisch eine Einheit oder ob es aus anderen Gründen ein
zusammenhängender Organismus ist, ob also die territoriale Abgrenzung
einem inneren Bedürfnis der kunstgeschichtlichen Behandlung entgegen-
kommt. Dies festzustellen ist eine Sache des wissenschaftlichen Taktes,
da ja eine vollständige Isolierung eines Gebietes natürlich ausgeschlossen
ist. Immerhin gibt es territoriale Verbände, in denen sich die Entwicklung
f) Ebenso ist The History of American Art, I—V, herausgegeben von C. van Dycke,
New York 1902 ff., organisiert.
I. Kapitel: Begriff und Wesen der Kunstgeschichte.
usw. Beschränkung in lokaler oder zeitlicher oder in beiden Hinsichten:
W. Bode, Geschichte der deutschen Plastik; Th. Raspe, Die Nürnberger
Miniaturmalerei bis 1517, Straßburg 1900; Richter, The golden age of classic
christian art, London 1904.
b) Die Einteilung des Stoffes nach örtlichen Gesichtspunkten spielt
aus vielen Gründen, namentlich in den Anfangsstadien der Kunstgeschichte,
eine große Rolle; zu den pragmatischen Interessen, wie sie sich namentlich
in nationalen und lokalpatriotischen Ambitionen widerspiegeln, gesellen
sich die Beobachtungen einer engen und natürlichen Verbindung der Kunst-
entwicklung mit der physischen und kulturellen Umgebung. Jene pragma-
tische Herkunft dieses Einteilungssystems verrät sich am stärksten darin,
wie zäh sich gerade hier die biographische Aufzählung, die Künstlergeschichte,
hält. Lanzi, Storia Pittorica dell Italia, Bassano 1795 und Decamps, La
vie des peintres Flamands, Paris 1753, bilden den Abschluß dieser nationalen
Biographik. Die Umwandlung der Künstlergeschichte in die Kunstgeschichte
führt zu einer neuen Durcharbeitung des nationalen Denkmälerbesitzes,
deren großartigster erster Erfolg in Italien die geniale Synthese von Rumohrs
Italienischen Forschungen (s. oben) war, denen im Norden in den Werken
Hothos, Schnaases und Michiels verwandte Darstellungen der deutschen
und niederländischen Kunst folgen. Dann setzt auch hier erfolgreich die
Spezialisierung ein, die die Kunstgeschichte von Ländern, Provinzen und
einzelnen Städten erforscht, zeitweilig wieder zu mächtigen Gesamtdar-
stellungen von einem Einzelnen oder mehreren Forschern zusammengefaßt
(Venturi, Storia dell'arte italiana, Mailand 1901 ff. oder die Geschichte
der deutschen Kunst von Bode, Dohme, Falke, Janitschek, Lützow)1)
oder zu Kompendien zusammengedrängt wird (z. B. die Sammlung Ars
Una usw.).
Die Schwierigkeit bei solcher Behandlung lokaler Gebiete ist die gleiche
wie bei allen anderen quantitativen Teilungen; es handelt sich darum, die
Fäden, die das Sondergebiet mit dem Ganzen verbinden, behutsam zu
lösen, die Vorgänge in jenem in ihrer charakteristischen Eigenart zu erfassen
und doch den Blick für die größere Hauptentwicklung nicht einzubüßen.
Von wesentlicher Bedeutung ist hierbei die Vorfrage, wieweit das behandelte
Gebiet auch künstlerisch eine Einheit oder ob es aus anderen Gründen ein
zusammenhängender Organismus ist, ob also die territoriale Abgrenzung
einem inneren Bedürfnis der kunstgeschichtlichen Behandlung entgegen-
kommt. Dies festzustellen ist eine Sache des wissenschaftlichen Taktes,
da ja eine vollständige Isolierung eines Gebietes natürlich ausgeschlossen
ist. Immerhin gibt es territoriale Verbände, in denen sich die Entwicklung
f) Ebenso ist The History of American Art, I—V, herausgegeben von C. van Dycke,
New York 1902 ff., organisiert.