maß von Verehrung dargebracht werden wird, darüber an der Spitze eines Buches
Vermutungen anstellen zu wollen, das der Gegenwart dienen soll, erscheint müßig.
Werden es die ernsten, in scharfem Kontur die Wand schneidenden Gestalten der
römischen Frauen sein, deren natürliche Hoheit dem Germanen als die menschlich
verkörperte, künstlerisch idealisierte Sehnsucht nach dem Zauberlande des Südens vor
die Seele tritt? Oder wird den lieblichen Mädchenfiguren der Preis zufallen, deren
malerische Harmonie wie ferne Musik aus den glücklichen Hainen der deutschen
Romantik herübergehaucht zu sein scheint? Den energischen, in der Wahrheit der
menschlichen Charakterisierung lebendig herausgearbeiteten Bildnissen etwa, und
endlich vielleicht gar den in der Farbe so wundervoll einheitlichen Landschaften, deren
absichtsloser Malerei mühelos gelang, was vor Feuerbach Hunderte von deutschen
Künstlern vergeblich zu erreichen suchten : die atmosphärische Stimmung der Campagna
und den schlichten Rhythmus ihres Geländes ganz sachlich und einfach wiederzugeben.
In Feuerbachs Landschaften haftet allein der Erdhauch der Sabinerhügel, und über das
Rauschen der Gewässer tönt die melancholische Flöte des großen Pan.
In der Vielseitigkeit des Meisters erkennen wir seine Begabung und übersehen
die Gefahren nicht, die ihr drohen. Aus all dem Offenen und Verborgenen die Ein-
heitlichkeit zu finden, die nicht allein das Gesamtwerk zusammenschließt, die auch
den Künstler mit dem Menschen einigt, würden wir uns vergebens mühen müssen,
wenn uns nicht der Meister selbst den Schlüssel seines Wesens hinterlassen hätte.
Mehr noch als aus seinem „Vermächtnis“, der vielbewunderten autobiographischen
Skizze, die Feuerbachs Mutter nach dem Tode ihres Sohnes herausgegeben hat, sind
wir aus seinen Briefen, deren Veröffentlichung vor kurzem erfolgt ist, die Widersprüche
dieser temperamentvollen Künstlernatur zu erklären in der Lage. Erst aus diesen Briefen
kann das Ferment gewonnen werden, das dem Durcheinander der glitzernden Kristalle
Ordnung und Platz gebietet. In ihnen begegnet sich der Romantiker mit dem Klassizisten,
dem Pathos der großen Malerei tritt die offene Freude an Farbenproblemen gegenüber,
der Mensch kommt uns entgegen mit dem weichen Kinderglauben, dem glücklichen
Humor der Jugend, mit dem kritischen Ernst der Mannesjahre, der sich die Hoffnung
auf den endlichen Erfolg als treue Begleiterin gesellt, mit der Verbitterung der letzten
Lebenszeit, dem die eigene Resignation den Lorbeer verweigert. In diesen Briefen,
die an die treueste aller Mütter gerichtet sind, wird uns das Geschick Anselm Feuer-
bachs vom Auszug zur Kunstschule nach Düsseldorf an, die der Sechzehnjährige
unternahm, in einer wundervollen Anschaulichkeit mitzuerleben ermöglicht. Ein sonder-
barer Zufall hat gerade der Kunst Feuerbachs, die deren bedurfte, die literarische
Ergänzung geboten. Sie wird uns im Nachfolgenden als der erfreuliche und würdige
Anhalt für die Erkenntnis der wechselvollen und eben darum so anregenden Persön-
lichkeit des Meisters dienen.
*
Wer sich eine längere Zeit hindurch ausschließlich mit Feuerbach beschäftigt und
an der Hand der eben genannten autobiographischen Quellen, wie auch, was nicht
minder wichtig ist, in genauer Betrachtung der Stellung von Feuerbachs Lehrmeistern
zu ihm die einzelnen Abschnitte seiner Tätigkeit auf ihren Gehalt prüft, wird nicht
allein aus Gründen einer natürlichen Reaktion von einer anfänglichen Überschätzung
zur plötzlichen Ablehnung getrieben werden, der endgültig die Klarheit einer von
Zurückhaltung nicht ganz befreiten Zustimmung folgt. Denn von den Widersprüchen
abgesehen, die in dem Werk des Meisters die augenblickliche Laune nur allzu deutlich
erkennen lassen, begegnen wir Beeinflussungen von solch starker Potenz, daß die
kritische Betrachtung förmlich erschreckt im scheinbaren Interesse der Selbständigkeit
xiv
Vermutungen anstellen zu wollen, das der Gegenwart dienen soll, erscheint müßig.
Werden es die ernsten, in scharfem Kontur die Wand schneidenden Gestalten der
römischen Frauen sein, deren natürliche Hoheit dem Germanen als die menschlich
verkörperte, künstlerisch idealisierte Sehnsucht nach dem Zauberlande des Südens vor
die Seele tritt? Oder wird den lieblichen Mädchenfiguren der Preis zufallen, deren
malerische Harmonie wie ferne Musik aus den glücklichen Hainen der deutschen
Romantik herübergehaucht zu sein scheint? Den energischen, in der Wahrheit der
menschlichen Charakterisierung lebendig herausgearbeiteten Bildnissen etwa, und
endlich vielleicht gar den in der Farbe so wundervoll einheitlichen Landschaften, deren
absichtsloser Malerei mühelos gelang, was vor Feuerbach Hunderte von deutschen
Künstlern vergeblich zu erreichen suchten : die atmosphärische Stimmung der Campagna
und den schlichten Rhythmus ihres Geländes ganz sachlich und einfach wiederzugeben.
In Feuerbachs Landschaften haftet allein der Erdhauch der Sabinerhügel, und über das
Rauschen der Gewässer tönt die melancholische Flöte des großen Pan.
In der Vielseitigkeit des Meisters erkennen wir seine Begabung und übersehen
die Gefahren nicht, die ihr drohen. Aus all dem Offenen und Verborgenen die Ein-
heitlichkeit zu finden, die nicht allein das Gesamtwerk zusammenschließt, die auch
den Künstler mit dem Menschen einigt, würden wir uns vergebens mühen müssen,
wenn uns nicht der Meister selbst den Schlüssel seines Wesens hinterlassen hätte.
Mehr noch als aus seinem „Vermächtnis“, der vielbewunderten autobiographischen
Skizze, die Feuerbachs Mutter nach dem Tode ihres Sohnes herausgegeben hat, sind
wir aus seinen Briefen, deren Veröffentlichung vor kurzem erfolgt ist, die Widersprüche
dieser temperamentvollen Künstlernatur zu erklären in der Lage. Erst aus diesen Briefen
kann das Ferment gewonnen werden, das dem Durcheinander der glitzernden Kristalle
Ordnung und Platz gebietet. In ihnen begegnet sich der Romantiker mit dem Klassizisten,
dem Pathos der großen Malerei tritt die offene Freude an Farbenproblemen gegenüber,
der Mensch kommt uns entgegen mit dem weichen Kinderglauben, dem glücklichen
Humor der Jugend, mit dem kritischen Ernst der Mannesjahre, der sich die Hoffnung
auf den endlichen Erfolg als treue Begleiterin gesellt, mit der Verbitterung der letzten
Lebenszeit, dem die eigene Resignation den Lorbeer verweigert. In diesen Briefen,
die an die treueste aller Mütter gerichtet sind, wird uns das Geschick Anselm Feuer-
bachs vom Auszug zur Kunstschule nach Düsseldorf an, die der Sechzehnjährige
unternahm, in einer wundervollen Anschaulichkeit mitzuerleben ermöglicht. Ein sonder-
barer Zufall hat gerade der Kunst Feuerbachs, die deren bedurfte, die literarische
Ergänzung geboten. Sie wird uns im Nachfolgenden als der erfreuliche und würdige
Anhalt für die Erkenntnis der wechselvollen und eben darum so anregenden Persön-
lichkeit des Meisters dienen.
*
Wer sich eine längere Zeit hindurch ausschließlich mit Feuerbach beschäftigt und
an der Hand der eben genannten autobiographischen Quellen, wie auch, was nicht
minder wichtig ist, in genauer Betrachtung der Stellung von Feuerbachs Lehrmeistern
zu ihm die einzelnen Abschnitte seiner Tätigkeit auf ihren Gehalt prüft, wird nicht
allein aus Gründen einer natürlichen Reaktion von einer anfänglichen Überschätzung
zur plötzlichen Ablehnung getrieben werden, der endgültig die Klarheit einer von
Zurückhaltung nicht ganz befreiten Zustimmung folgt. Denn von den Widersprüchen
abgesehen, die in dem Werk des Meisters die augenblickliche Laune nur allzu deutlich
erkennen lassen, begegnen wir Beeinflussungen von solch starker Potenz, daß die
kritische Betrachtung förmlich erschreckt im scheinbaren Interesse der Selbständigkeit
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