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Hier wird der verunglückte Abenteurer zu Hause für seine Unfälle
durch die Liebe entschädigt, dort mufs der vom Schicksal für seinen
Egoismus bestrafte Ehegatte sich erst noch eine, wenn auch sanfte, Gar-
dinenpredigt gefallen lassen! Die Moral, die sie enthält: Zufriedenheit
macht glücklich, ist freilich der Fabel entsprechender, als die von Lafon-
taine angefügten Liebesseufzer. Doch braucht man allerdings nicht erst
die Trennungsschmerzen eines liebenden Paares und die sorgenden Kümmer-
nisse eines verlassenen Weibes, um diesen Erfahrungssatz zu illustrieren.
Was die Sprache der Fabel betrifft, so erreicht sie das Original, das ver-
bessert werden soll, bei weitem nicht; sie ist, wie die oben gegebene
Textprobe beweist, unklar und gesucht. In Bezug auf Form und dich-
terische Schönheit ist sie jedenfalls eine der schwächsten unter den Vers-
fabeln, die die Bewick'sche Sammlung enthält.
Im Jahre 1756 wurde in „The Monthly Review" vol. XIV, p. 17,
eine Fabel abgedruckt, die einer Sammlung entnommen wurde: „Because
lhe männer which is imitated from the French is new in our language".
Es werden dann die Worte des Fabulisten angeführt:
„In one of the fahles I have imitated Lafontaine in the inequality of
his verses. Those whom this mag scandalise, mag, if they please, look
on it in the nature of an experiment."
Ungleiche Verse sind nun in der englischen Fabeldichtung nicht neu,
wie ich oben (p. 5 ff.) in der kurzen Geschichte der Fabel vor Lafontaine
dargelegt habe. Diese alten Fabeln scheinen aber ganz in Vergessenheit
geraten zu sein und seitdem Gay in seinen Apologen den viertaktigen
jambischen Vers angewendet, hatte dieser wohl das Monopol für die Fabel.
Übrigens macht die Ungleichheit der Verse in unserer Fabel den Eindruck
blofser Willkür, ganz verschieden von Lafontaine, bei dem die Mannig-
faltigkeit des Metrums den Eindruck künstlerischer Notwendigkeit macht.
Es ist kaum denkbar, die Lafontaine'schen Verse beliebig zu verändern,
ohne die künstlerische Einheit der Form und des Inhalts zu stören.
Ich möchte das Urteil Taine's, der sagt: „Les mots si particuliers et si
pittoresques, ces tournures si simples, ce metre si imitatif et si varie,
cette exacte imitation de la nature, n'ötent pas ä son style la liaison et
l'unite qui rendent l'art superieur ä la nature"1), dahin modifizieren, dafs
ich sage, das von Lafontaine angewendete Versmafs verleiht gerade seinen
Fabeln die für ein Kunstwerk notwendige Einheit zwischen Inhalt und
Form. Aus welchem Grunde sind aber z. B. die folgenden Verse so,
wie sie sind?

1) H. Taine, Lafontaine et ses fables. 3ieme edition. Paris 1861. p. 313.
 
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