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Uhlemayr, Benedikt
Der Einfluss Lafontaine's auf die englische Fabeldichtung des 18. Jahrhunderts — Heidelberg, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.71268#0082
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— 78 -

zu gewinnenden verlorenen guten Namen her bekommen hat! Ist diese
Rede schon an und für sich interesselos, ganz undramatisch, weil ohne
inneren Konflikt, ein verfehlter Versuch, die an sich selbst erkannte
Schlechtigkeit zu rechtfertigen, hält sie auch noch den Gang der Hand-
lung unnötig auf. Die dramatische Figur ist doch der alte Fuchs, der
interessiert; die Quintessenz des Ganzen ist der Schlafs; den erwartet
der Leser und er kann keinen Gefallen finden an der unwesentlichen
Störung der Handlung; die Rede ist vom Dichter offenbar eingeschoben,
um sich Gelegenheit zu verschaffen, sich über den Wert des guten
Namens auszusprechen.
Dieser reflektierende Zug macht sich auch in den Bearbeitungen
äsopischer Stoffe geltend. Thomas Yalden und Sommerville sind sehr
geneigt, ihren Fabelgestalten breite Reden in den Mund zu legen, ihre
Handlungen mtt Reflektionen zu motivieren oder mit Worten begleiten zu
lassen, wie sich die Engländer auch in den absichtlichen Nachahmungen
Lafontaine's von dieser Neigung nicht befreien konnten.
Dieser Umstand macht die englische Fabel im allgemeinen zu breit
und wenig anziehend; man kann ihr unmöglich das Interesse entgegen-
bringen, das ihr redliches Streben nach Nützlichkeit verdienen würde.
Dieses Streben verleitet sie aber zu einem anderen Fehler, der
bei Lafontaine wegen der Art seines Schaffens unmöglich ist. Lafontaine
schafft die Fabel und ihre Gestalten, schliefst von ihnen auf die Menschen,
und eine Seite seiner naiven Ironie ist die, dafs er die Analogien zwischen
den Fabeln und dem zu belehrenden Objekt, dem Menschen, objektiv,
gerade, wie sie sich ergeben, anwendet. Die Engländer aber künsteln
nicht selten zwischen die beiden Teile Beziehungen, die entweder der
Wahrheit nicht entsprechen, oder aber tendenziös zum Schaden der
Menschen ausfallen. Bei Lafontaine ist der Mensch nicht schlechteres
das Tier; der Vogel beklagt sich über die Menschen nur, weil sie ihm
nachstellen; in den englischen Fabeln aber reflektieren und räsonnieren
die Tiere über die Menschen, tadeln sie, ohne dafs ihnen diese etwas
zu Leide gethan haben und urteilen über sie von einem höheren sittlichen
Standpunkt aus. Auch Gay sündigt sehr in dieser Beziehung Da
predigt ein Adler unzufriedenen Vögeln:
Be happy then and learn content;
Nor imitate the restless mind,
And proud ambition of mankind. (Fable 4.)
Hier räsonniert ein Elephant über die Unfähigkeit des Menschen, die
Naturen anderer Geschöpfe zu unterscheiden und ermahnt ihn, nur sich
selbst zu kritisieren:
 
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