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Ulk: illustriertes Wochenblatt für Humor und Satire — 30.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.29961#0065
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22. Februar lßOs


Nr. 6 * Seite 5

Moor jleichfalls in Böhmische Wälder-Kaschemms dingfest jemacht,
sowie Polizeiwachtmeister ..Franz" Lnnte jerochen hat! Braucht
sich olle Papa nich dodtzuärgern, und janze Sache kriegt angenehmen
Nothausjang.

Aeh! Un dann denken Sie an neuste Nevoluzer-Komödie aus

Dingsda — aus hinten da — Schweden-Norrwejen-„Ueber

unsere Kraft", zweiter Aufjuß! — Titel hätte schon verboten

werden müssen-Frechheit! „Ueber unsere Kraft!" Wertst

denn „Unsere"?! Doch nich etwa freier Standesherr aus
von Schnoddrigdhunsches Jeschlecht?! Ueber Unsere Kraft jeht
überhaupt nischt — nich 'mal Kanalvorlage nn hundertprozentige
Jetreidezölle! — Hätte Kerrel '— Stückeschreiber — Börnstein oder
Bvrnsohn (— natürlich Semit!) wenigstens sagen müssen „Ueber
bürgerliche Kraft!" oder „Ueber Pöbel-Kraft!" Ueber Unsere
Kraft — einfach Qnadder!

Aber nn stellen sich 'mal vor: jesammter bockbeiniger Fabrik-
mob durch Konstabler vorjestellt.... sowie „Propajanda der
That" losjelassen und Dynamit-Puffer abjeknallt werden soll,
ertönt Signalpfeife von Kriininalkomm'ssarius. Schutzleute, in
Spieleifer von Amtseifer unterbrochen, packen sich selbst bei
Kragen, lejen sich Handschellen an, Szene wird zum Tribunal,
wie — äh! — Dingsda sagt; inzwischen durch Feuerwehr Dynci-
müthchen jekühlt, Sieg von Ordnung, Ruhe und Jutjesinntheit
— sollen 'mal sehen, wie Stück mit solcher Cenfur-Reform ein-
schlägt -Jewitter ist Quark dajegen!

Idee schenke ich Ihnen — können in Reichstag Furore mit
machen!

Uebrijens, wenn Jedanke plastische Jestalt gewinnt, bin jern
bereit, noch einjehendere Winke zu jeden — namentlich bei Ein-
führung von Ballet-Censur — — Wissen ja: ubi Lssas.

Mit Jruß Ihr wohlaffektirter

Aurt Freiherr von Schnoöörigöhun,

Resorm-Agrarier a la 3uüe,Immerwährendes Herrenhausmitjlied rc.xp.

(Für Richtigkeit der Dechiffrirung: R. S.-C.)

Artikel 27 der Verfassung.

„Jeder Preuße

darf seine Meinung frei und offen äußern/'

„M. H.," erklärte Minister v. Rheinbaben in der Sitzung
vom lZ. Februar lSstl, „dieser Passus darf auf die Wiedergabe
von Dichtwerken durch Schauspieler nicht angewandt werden."

wir pflichten dem bei. Denn wenn der Schauspieler die
Sentenz eines Dichters wiedergiebt, so äußert er doch nicht seine
Meinung, sondern die des Dichters, also eines Andern, frei und
offen, und diese Erlaubnis; gewährt Artikel 27 nicht.

Aber warum soll nur die Wiedergabe von Dichtwerken durch
Schauspieler eingeengt werden? Verhält es sich nicht ebenso mit
dem Drucker? wenn der Drucker und Verleger ein Buch er-
scheinen läßt, so bringt er auch nicht seine eigene Meinung,
sondern die des Dichters, also eines Anderen, in die Oeffentlichkeit,
und dazu hat er nach Artikel 27 der Verfassung kein Recht.
Also wären auch alle Druckwerke durch den Lensor zu überwachen.

wenn nun aber gar ein Dichter unternähme, ohne Ver-
mittlung des Schauspielers und des Verlegers, durch eigenen
Vorrrag seine Meinung frei und offen zu äußern? Dann müßte
er erst recht polizeilich bevormundet werden, denn Artikel 27 der
Verfassung besagt ausdrücklich: „Jeder Preuße darf seine
Meinung frei und offen äußern." wie oft kommt es aber vor,
daß diese Meinung zugleich die Meinung eines Anderen oder
Vieler ist, dann äußert der Dichter eben auch die Meinung fremder
Personen. Unter Berufung auf Artikel 27 der Verfassung wird
es Herrn von Rheinbaben daher nicht schwer fallen, auch eine
solche Meinungsäußerung zu unterbinden.

So regelt die Verfassung des Herrn v. Rheinbaben die
Verfassung von Dichtwerken.

Mrkrrsltillrl

Glückliche Fahrt!

Ls läuleln dir Winür, es rührt lich der Schiller.

keine Lull von keiner Seite! Lodeskillr fürchterlich!
 
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