Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ulk: illustriertes Wochenblatt für Humor und Satire — 30.1901

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29961#0290

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seile 2 * Nr. 37


^5. September IstOj

Die Saison beginnt.

^un genug der Müdigkeit,
Nun genug der stillen Wochen.
Hört nur hin: der puls der Zeit
Möchte wieder lauter pochen.
Sterbend schaukeln sich im wind
Rostrothfarben schon die Blätter,
Frühreif bringt bereits das Wetter —
Item, die Saison beginnt.

Ja, es dampft von Blut und Zorn!
welche Szenen wird man schauen,
Wenn gar erst am gold'nen Horn
Frankreichs Schiffe sich vertäuen,
wenn sich mit gespanntem Hahn
Die erhitzten Republiken
Ihre Liebesblicke schicken
Drüben über'm Ozean.

Rühn auch aus dem rochen Haus
Lassen sie den Briegsbrand flackern,
Und sie rufen Bauffmann aus,

Und das ehrt gewiß die wackern.
Doch Lucanus hockt und lacht:
„Muß man so etwas erleben?

Nein, Pardon wird nicht gegeben,
Wenn ihr nicht schön Rotau macht."

Auf dem weiten Erdenrund,

Auf dem großen Weltschaubrettl
wird es werden kunterbunt,

Lang ist der Theaterzettel,

Riesig ist der Spielplan sehr
Und so reich an starken Schlagern
Und an Spannungen, die lagern
wie in Gturmeswolken schwer.

Und wie wird um's Zollgesetz
Es im Reichstag explodiren,

Wo des Bülow süß Geschwätz
wird den Iunkern sekundiren,
Wo der Eugen kräftig spuckt,
Noch ein Held auf der Tribüne,
Im Parteizank noch ein Hüne,
Er, der jetzt zu Hause duckt.

Einer nur ist recht vergnügt,
Nikolaus, der zur Parade,

Zu Herrn Loubet sich verfügt
Mit dein Füllhorn seiner Gnade.
Und wenn sie feilt artig sind,
Anpumpt er noch die Vasallen —
Gern läßt sich der Zar gefallen
Die Saison, die so beginnt. . .

Lin Gleicbniss in drei Abreisen von Kförnstierne Wförnson.

(Autgetübrt im .Werliner Theater.)

i. Vot* ckev ^oekreirsveise.

(Wisby, der Ehemann mit dem grauen Haar und dem grauen
Elend schweigt einen langen Monolog, während er unruhig ans und ab
geht. Einmal unterbricht er sich und küßt den Myrlhenkranz, der ans
dem Tisch liegt. Dann schweigt er weiter.)

Lydia (die junge Gattin, stürzt herein): Ich komme von einem
Mvrgenspaziergang. O, war das schön! Ich durchkreuzte das
Villenviertel. Willen zu durchkreuzen ist meine Lieblingsbeschäfti-
gung. Ich spiele Anderen gern etwas ans. dafür bin ich Pianistin.
Doch jetzt giebt's eine große Kunstpause, — wir zieh'n nach Paris,
wir Beide! Dort wollen wir uns zerstreuen. Aber — du bist ja
schon so zerstreut? Was ist dir?

Wisby (zitternd): Ich träumte-

Lydia (schaudernd): Brrr! einen Traum — von —von-

so sage doch — von —?

Wisby (bebend): Von ihr-!

Lydia: Und weiter — was? Was sagte sie? Was geschah
in dein Traum? Wie endete es? O, du mußt mir alles sagen —
alles — alles --

Wisby (nach Athem ringend): Kein Wort mehr. O, ich Schwätzer!
Ich sagte schon zu viel, — was bleibt da für den nächsten Akt!
Ich Schwätzer! (Er wankt erschöpft ab).

Lydia (zerreißt in ihrer Wnth den Myrlhenkranz und den Braut-
schleier, worauf der Vorhang die Fabel des Dramas noch mehr verschleiert.)

2. Voi» clev fluckb aus Vai»is.

Wisby (im Hotelzimmer, zu einem andern Herrn): Ich habe Sie
erwartet.

Dr. Kann: Warten Sie nur, jetzt kommt das Unerwartete.
Jetzt erzähle ich Ihnen, wer Ihre Frau ist. Angesangen hat sie
als gelähmte Klaviervirtnosin. Sie stellte sich lahm, damit das

Interesse an ihr nicht erlahme. Dann kam sie zu Ihnen. Sie
sollte Ihre kranke Frau durch Musik heilen. Sie spielte ihr aber
übel mit. Sie brachte Ihre Frau um und brachte Sie um Ihren
Verstand. Das gelang ihr spielend, — als Pianistin. Und jetzt
begleitet sie mein Neffe — ans dem Klavier.

Wisby (zerschmettert): Sie werden dem Spiel ein Ende
machen!

Dr. Kann: Bedanre — ich bin nicht musikalisch. Damit
Sie aber sehen, daß ich eiir gutes Herz habe, bringe ich Ihnen
etwas mit. (Er öffnet eine Mappe.)

Wisby: Meine verstorbene Frau! O, wie getroffen — fühl'
ich mich.

Dr. Kann: Wollen Sie es behalten?

Wisby: Nein! Nehmen Sie es nur wieder mit. Ich kann
doch nicht zwei Frauen —

Dr. Kann: Die da ist ja nur gezeichnet.

Wisby: Ach, meine zweite Frau ist auch gezeichnet — und
wie! Das Bild, das Sie von ihr entworfen haben, würde mich
sprachlos machen, wenn ich es nicht überhaupt wäre.

(Dr. Kann geht links ab. rechts tritt Lydia ans.)

Lydia: So also denkst du von mir, — nur, der du ver-
sprochen hast, dein ganzes Leben zu widmen? Ich habe es wohl
gehört, die Hotelknlissen sind ja dünn genug.

(Wisby glaubt zu träumen. Plötzlich erscheint seine Tochter aus erster
Ehe. Da er abergläubisch ist, hält er sie für de» Geist seiner Frau, wehrt
schreiend ab und füllt beinahe in Ohnmacht. Lydia schreit ebenfalls
erschreckt ans.)

Wisby (zu Lydia): Alach die Thür zu. (Diese Thur schließt voll
selbst.)

Lydia: Mit was für Gespenster gehst du um? Das ist doch
nur möglich, wenn man nicht bei Sinnen ist. Du bist wahr-
 
Annotationen