.M 153 1907
Frankfurt, 6. August. Das hiesige „Jnt. Bl." erzählt: Auf
dem Roßmarkt ging jüngst ein fremdcr Herr suchend das Trottoir
auf und ab, ohne das Gesuchte finden zu können. Jm Gespräch
mit Umstehenden stellte es sich heraus, daß der Herr ein kleines mit
Papicrgeld gefülltes Portemonnaie in der Hand gehabt hatte,
als er sich eine neue Cigarre anzündete und dann in Gedanken das
Geldtächschen mit dcm Rest der alten Cigarre fortgeworfen hatte.
Nicht wenig erfreut war er jedoch, als ihn einer der Passanten da-
rauf aufmerksam machte, daß ein kleiner ihn begleitender Pinscher
das, was er suche, im Maul trage. Das Tier hatte das fortge-
worfcne Portemonnaie aufgehoben und seinem Herrn — einem
Elberfelder, der auf der Rcise nach Heidelberg sich befand — nach-
getragen.
Schlangenbad, 5. August. Der Kronprinz ist heute
mittag 12 Uhr zum Besuch Jbrer Majestät der Kaiserin hier ein-
getrosfen und von den Behöroen, Schulen und Vereinen und den
Badegästen unter enthusiastischen Zurusen empsangen worden.
Karlsruhe, 8. August. Die Ünterschlagungsaffaire Weniger
klärt sich dahin auf, daß Weniger große Summen von den ihm
anvertrauten Geldern zu hohen Zinscn auslieh. Dem Vernehmen
des „Bad. Beob." zufolge ist die fehlende Summe von übcr 2M000
Mark wieder beigebracht, so daß also der Großherzogl. Staatskafle
kein Nachteil erwachsen oürfte- Die gerichtliche Untersuchung wird
ergeben, seit welcher Zeit Weniger Staatsgelder zu scinem persön-
liihen Vorteil verwendet hat.
Wiesbaden, 5. August. Die unvorsichtige Handhabung
der Feuerwaffe hat wiederum ein Opfer gefordert. Gestern nach-
mittag gegen 2 Uhr hanticrte der 19 Jahre alte August Waltereit
an dem Flurfenster seiner Wohnung, Wellrihstraße46 (Hinterhaus),
an seinem Revolver; plötzlich entlud sich aus letzterem ein Schuß
und die Kugel drang dem jungen Manne in die Spitze des Herzens.
Nach einer halben Stunde starb der Beklagenswerte an innerer
Verblutung.
Heidelberg. Ueber daS auf Sonntag den 8. in Aussicht ge-
nommene Costümfest aus dem Schlosse ist die „Allg. Ztg." in
der Lage, aus authentischer Ouelle solgende Mitteilungen machen
zu können. Sckon vielfach war während der Vorbereitungen zum
Jubiläum der Wunsch aufgctaucht, den mit so vieler Mühe und
mit so großcm Aufwand in's Werk gesctzten historischen Festzug in
längcrer Betrachtung, als das flüchtige Vorüberziehen sie gewährt,
nochmals in Ruhe und mit Muße genießen zu können, um nament-
lich so auch den einzelnen Zugteilnehmern selbst, welche ja kaum
ihre eigene Gruppe zu übersehen imstande sind, Gelegenhcit zu
bieten, die übrigen Teile des Zuges kennen zu lerncn. Üm diesen
vollauf berechtigten Wünschen Rechnung zu tragen, trat noch unmittel-
bar vor dem Beginne der eigentlichen Festwoche ein Komite, gebrl-
det aus angcsehenen Einwohnern unserer Stadt, zusammen. Und
was sie beschlossen, ist so schön und richtig, daß es allseits freudigste
Zustimmung und Beifall fand. Es soll danach, wie bereits bemerkt,
am 8. August auf dem Schlosse ein Fest veranstaltet werden, bei
welchem die Teilnehmer am historischen Festzug in ihren Costümen
erscheinen. Dabci ist beabsichtigt, die einzelnen Abteilungen des
Zuges an hierfür geeigneten Stellen des Schlosses im Freien und
in den gedeckten Räumen zu verteilcn, um so auf dem natürlichen
Hintergrunde des einzigen Baues und unter Ausnützun« der unver-
gleichlichcn landschaftlichcn Sccncrie die farbenprächtigen Gruppen
noch einmal zur Erscheinung zu bringen. Bei der Kürze der Zeit
ist auf Etcllung von sogenanntcn lebenden Bilder im gewöhnlichen
Sinne des Wortes mit dem dazu gehörigen großen Apparat ver-
zichtet worden. Dagegen werden die am Arrangement des Festzugs
beteiligten Künstler, deren Mitwirkung gewonnen worden ist, die
verschiedencn Gruppen unter Zugrundlegung einer bestimmten Jdee
künstlerisch zusammenstellen und auf diese Wcise ein wirklich leben-
diges Bild in die Erscheinuna treten lasien. So werden wir Otto
Heinrich in den Bogenhallen oes neuen Hofes lustwandeln und dann
sich hcrabbegeben sehen zu den auf der Freitreppe seines herrlichen
Baues gruppierten Werkleuten und zn dem Kreise der zechenden
Bürger. Äus dem lauschigen Grün des Stückgartens wird das
Hgllali des Jagdzuges ertönen, währcnd in der offenen Halle des
Änprechtsbaues die Trommel die frcmden Landsknechte zusammen-
ruft. Äm Brunnen des Schloßhofes, nebcn dcn Säulen Karls des
Großen, logert der reisige Zug Friedrichs des Siegrcichcn und
weiter oben auf der Terrasse, vor dcn Oekonomiegebäuden, wird
die „fröhlich Pfalz" ihr munteres Wesen trciben. Jn das Band-
haus ist die Ruprechtsgruppe und der Elisabeth-Zug eingekehrt,
beide getrcnnt durch das vom Schloßhof über die Brücke in den
Stückgarten hindurchziehende Publikum. Äuch werden die einzelnen
Gruppen untcr Vorantritt der Musik Rundgänge in dcr Mitte des
Schloßhofcs machen. Zuletzt werden die Schranken, wclche das
Publikum hindern, in die Gruppen einzudringcn, fallen, und es wird
dann das cigentliche gesellige Leben sich entwickeln. Tische und
Bänke werden errichtet und aus dcm Bretterbodew im Schloßhfe
und im Stückgarten ruft die Mußk zum Tanze. Die Beleuchtung
und alle übrigen Vcranstaltungen werden genau in der Weise wie
beim osfiziellen Schloßfest am 3. August gehalten werden. Außer
elektrischer und Gasbclcuchtuna wird Schloß und Garten im Glanze
vieler bunter Lämpchen und bengalischer Flammen strahlen. Des
beschränkten Raumes wegen kann nur einer beschränkten Anzahl
von Personen der Eintritt gestattet werden. Und bei der Fülle des
Schönen, welche gerade diescs Fest uns verspricht, wird es nicht
Wunder nehmen, daß die sämtlichen Plätze bereits vergeben sind.
Um das Angedenken dieser Stunden auch im Bilde festzuhalten, hat
Herr Kunsthändler Edmund v. König hier vom KomiU das aus-
schließliche Recht erhalten, von den einzelnen Gruppen photograpi-
sche Äufnahmen machen zu lassen. Wir wünschen dem Feste von
Herzen einen schönen Verlauf. Möge es —und das ist der Wunsch,
den wir ja für alle unsere großen Veranstaltungen so dringend
hegen müssen — nicht zu Wasser werden.
Der historische Festzug in Heidelberg am 6. August.
Die Frage, wird der Festzug vom Wetter begünstigt sein, schwebte
wohl in oen letzten Tagen auf den Lippen aller Heidelberger, aller
derer, die schon zu den mannigfaltigen Festlichkeiten dort eingetroffen
waren und aller, welche die Äbsicht hatten, sich nach dort zu be-
geben, um den Festzug zu sehen. Darum lag es auch wie ein Wie-
derschein des klar und strahlend anbrechenden Festtages auf jedem
Gesicht der zu vielen Tausenden herbeigeströmten Zuschauer. (Wur-
den doch beispielsweise von Mannheim allein am Freitag früh
15 000 Personen nach Heidelberg befördert.) Es entwickelte sich rasch
ein Bild, wie es farbenreicher und glänzender, umwoben von milden
Strahlen der Sonne, nicht gedacht werden kann. — Das Treiben
in der Stadt war seit den frühesten Morgenstunden äußerst belebt
und Zug um Zug brachte neue Scharen, die sich in die Stadt er-
aossen, in der icdoch in musterhafter Weise die Ordnung aufrecht er-
halten wurde. Die ersten Ertrazüge vou Darmstadt vermochten an
den letzten Stationen vor Heidelberg schon Niemand mehr anfzu-
nehmen. Trotz der engen Straßen, aber Dank dem vortrefflichen
Arrangement des Zuges, der einen Weg von mehr als 3 Stunden
zurücklegte, dürste wohl die Schaulust eines Jeden befriedigt wor-
den sein.
Pünktlich um 9 Uhr setzte sich der Zug in Bcwegung, dessen
Entwurf von Herrn Prof. Karl Hoff in Karlsruhe Herrührt, und
in welchem die fünf Jahrhnnderte seit der Gründung der Univer-
sität zur Darstellung gebracht wurden.
Eröffnet wurde der Festzug durch die Gruppe: „Gründung der
Universität durch Kurfürst Ruprecht 1. im Jahre 1386." Ein Herold
mit der Reichsstandarte, Pagen und Trompeter gingen voraus. Es
folgten 6 Ritter in schwerer Stahlrüstung und mit Tournierstangen.
Reisige, eine jugendliche Kinderschaar, geleitet von geistl. Schwestern,
fromme Brüder, ein päpstlicher Legat in rothem Gewand, ein Bild
der Madonna, das von jungen Mädchen getragen wnrde, gingen
dem Gründer der Universität, Kurfürst Ruprecht und Gemahlin,
Kurfürstin Beatrix, beide hoch zu Roß, voraus. Ein glänzendes
Gefolge von edlen Frauen und Herren in reichen Trachten schloß
sich ihnen an. Jhnen folgten die ersten Professoren und Studenten
mit dem „Wappen der Universität". Jn graziösem gothischem Wagen
thronte hoch oben stolz die Ruperto Carola, zu ihren Füßen Pietas,
Justitia, Sapientia und Veritas, verkörpert durch liebliche Frauen-
gestalten.
Es entwickelte sich nun die 2. Gruppe: „Einzug Friedrichs I.,
des Siegreichen nach der Schlacht von Seckenheim im Jahr 1462."
Durch die Bürger Heidelbergs wird Friedrich mit scinen tapferen
Kriegern begrüßt. Ein stattliches Gesolge von edlen Rittern in
farbenreichen Kostümen bildet den Schluß dieser Gruppe.
Es erschien die IV. Gruppe: „Pflege der Kunst und Wissenschaft
durch Kurfürst Otto Heinrich (1556—1559)". Den Kurfürsten Otto
Heinrich mit der PfalzgräfinSusannaumgab ein glänzender Hofstaat,
eine allegorische Darstellung der bereits zu hohem Ansehen gelangtcn
Universität mit berühmten Profefforen. Einwohner Heidelbergs, ein
Wagen, auf welchem die Bautätigkeit oes kunstliebenden Pfalzgrafen
zum Ausdruck gebracht war und Landskncchte folgten denselben-
Ein munteres, farbenreiches Bild entwickelt sich in der Gruppe:
„Volksleben der fröhlichen Pfalz" (Ende des 16. Jahrhunderts).
Grünumwundene Bogen bilden die Adelslaube, unter der sich eine
Schaar edler Dameu und Herren hoch zu Pfcrde bewegt. Es folgt
der Palatiawagen mit der Palatia. Ein in üppiger Spät-Renais-
sance construierter Aufbau, auf dem in herrlichcm Gewand und
förmlich eingehüllt von Rosengewinden die Palatia thront, zu ihren
Füßen eine reizende Nymphe des Neckars, Laubenträger dcr Volks-
laube mit jungen Bürgern und Bürgersmädchen, ein Wagen des
Bachus uno der Ceres, aufs reichste mit den Erntegaben geschmückt
und umkreist von Winzerinnen mit hochgefüllten Kufen charaktcri-
sieren das sorglose Leben jener Zeit. Aber im Gefolge ist ein Heer
von Teufeln, schwarz, roth und grün, die von unheimlichen Ge-
stalten mit mächtigen Fledermausflügeln umschwirrt werden. Es
naht nun die Göktin der Liebe. Frau Venus thront in hohem
Palankin, umflattert von Tauben, während Kinder Rosen streuen.
Den Schluß dieser Gruppe bildet das „große Faß", das natürlich
cin zahlreiches Gefolge durstiger Seelen hat.
Es folgt nunmehr wohl die glänzendste Gruppe des ganzen
Zuges: „Einzug des Kursürsten Friedrich V. mit seiner Gemahlin
Elisabeth von England am 17. Juni 1613." Die Pracht und der
Reichtum der Kostüme waren außerordentliche, nur die kostbarsten
Frankfurt, 6. August. Das hiesige „Jnt. Bl." erzählt: Auf
dem Roßmarkt ging jüngst ein fremdcr Herr suchend das Trottoir
auf und ab, ohne das Gesuchte finden zu können. Jm Gespräch
mit Umstehenden stellte es sich heraus, daß der Herr ein kleines mit
Papicrgeld gefülltes Portemonnaie in der Hand gehabt hatte,
als er sich eine neue Cigarre anzündete und dann in Gedanken das
Geldtächschen mit dcm Rest der alten Cigarre fortgeworfen hatte.
Nicht wenig erfreut war er jedoch, als ihn einer der Passanten da-
rauf aufmerksam machte, daß ein kleiner ihn begleitender Pinscher
das, was er suche, im Maul trage. Das Tier hatte das fortge-
worfcne Portemonnaie aufgehoben und seinem Herrn — einem
Elberfelder, der auf der Rcise nach Heidelberg sich befand — nach-
getragen.
Schlangenbad, 5. August. Der Kronprinz ist heute
mittag 12 Uhr zum Besuch Jbrer Majestät der Kaiserin hier ein-
getrosfen und von den Behöroen, Schulen und Vereinen und den
Badegästen unter enthusiastischen Zurusen empsangen worden.
Karlsruhe, 8. August. Die Ünterschlagungsaffaire Weniger
klärt sich dahin auf, daß Weniger große Summen von den ihm
anvertrauten Geldern zu hohen Zinscn auslieh. Dem Vernehmen
des „Bad. Beob." zufolge ist die fehlende Summe von übcr 2M000
Mark wieder beigebracht, so daß also der Großherzogl. Staatskafle
kein Nachteil erwachsen oürfte- Die gerichtliche Untersuchung wird
ergeben, seit welcher Zeit Weniger Staatsgelder zu scinem persön-
liihen Vorteil verwendet hat.
Wiesbaden, 5. August. Die unvorsichtige Handhabung
der Feuerwaffe hat wiederum ein Opfer gefordert. Gestern nach-
mittag gegen 2 Uhr hanticrte der 19 Jahre alte August Waltereit
an dem Flurfenster seiner Wohnung, Wellrihstraße46 (Hinterhaus),
an seinem Revolver; plötzlich entlud sich aus letzterem ein Schuß
und die Kugel drang dem jungen Manne in die Spitze des Herzens.
Nach einer halben Stunde starb der Beklagenswerte an innerer
Verblutung.
Heidelberg. Ueber daS auf Sonntag den 8. in Aussicht ge-
nommene Costümfest aus dem Schlosse ist die „Allg. Ztg." in
der Lage, aus authentischer Ouelle solgende Mitteilungen machen
zu können. Sckon vielfach war während der Vorbereitungen zum
Jubiläum der Wunsch aufgctaucht, den mit so vieler Mühe und
mit so großcm Aufwand in's Werk gesctzten historischen Festzug in
längcrer Betrachtung, als das flüchtige Vorüberziehen sie gewährt,
nochmals in Ruhe und mit Muße genießen zu können, um nament-
lich so auch den einzelnen Zugteilnehmern selbst, welche ja kaum
ihre eigene Gruppe zu übersehen imstande sind, Gelegenhcit zu
bieten, die übrigen Teile des Zuges kennen zu lerncn. Üm diesen
vollauf berechtigten Wünschen Rechnung zu tragen, trat noch unmittel-
bar vor dem Beginne der eigentlichen Festwoche ein Komite, gebrl-
det aus angcsehenen Einwohnern unserer Stadt, zusammen. Und
was sie beschlossen, ist so schön und richtig, daß es allseits freudigste
Zustimmung und Beifall fand. Es soll danach, wie bereits bemerkt,
am 8. August auf dem Schlosse ein Fest veranstaltet werden, bei
welchem die Teilnehmer am historischen Festzug in ihren Costümen
erscheinen. Dabci ist beabsichtigt, die einzelnen Abteilungen des
Zuges an hierfür geeigneten Stellen des Schlosses im Freien und
in den gedeckten Räumen zu verteilcn, um so auf dem natürlichen
Hintergrunde des einzigen Baues und unter Ausnützun« der unver-
gleichlichcn landschaftlichcn Sccncrie die farbenprächtigen Gruppen
noch einmal zur Erscheinung zu bringen. Bei der Kürze der Zeit
ist auf Etcllung von sogenanntcn lebenden Bilder im gewöhnlichen
Sinne des Wortes mit dem dazu gehörigen großen Apparat ver-
zichtet worden. Dagegen werden die am Arrangement des Festzugs
beteiligten Künstler, deren Mitwirkung gewonnen worden ist, die
verschiedencn Gruppen unter Zugrundlegung einer bestimmten Jdee
künstlerisch zusammenstellen und auf diese Wcise ein wirklich leben-
diges Bild in die Erscheinuna treten lasien. So werden wir Otto
Heinrich in den Bogenhallen oes neuen Hofes lustwandeln und dann
sich hcrabbegeben sehen zu den auf der Freitreppe seines herrlichen
Baues gruppierten Werkleuten und zn dem Kreise der zechenden
Bürger. Äus dem lauschigen Grün des Stückgartens wird das
Hgllali des Jagdzuges ertönen, währcnd in der offenen Halle des
Änprechtsbaues die Trommel die frcmden Landsknechte zusammen-
ruft. Äm Brunnen des Schloßhofes, nebcn dcn Säulen Karls des
Großen, logert der reisige Zug Friedrichs des Siegrcichcn und
weiter oben auf der Terrasse, vor dcn Oekonomiegebäuden, wird
die „fröhlich Pfalz" ihr munteres Wesen trciben. Jn das Band-
haus ist die Ruprechtsgruppe und der Elisabeth-Zug eingekehrt,
beide getrcnnt durch das vom Schloßhof über die Brücke in den
Stückgarten hindurchziehende Publikum. Äuch werden die einzelnen
Gruppen untcr Vorantritt der Musik Rundgänge in dcr Mitte des
Schloßhofcs machen. Zuletzt werden die Schranken, wclche das
Publikum hindern, in die Gruppen einzudringcn, fallen, und es wird
dann das cigentliche gesellige Leben sich entwickeln. Tische und
Bänke werden errichtet und aus dcm Bretterbodew im Schloßhfe
und im Stückgarten ruft die Mußk zum Tanze. Die Beleuchtung
und alle übrigen Vcranstaltungen werden genau in der Weise wie
beim osfiziellen Schloßfest am 3. August gehalten werden. Außer
elektrischer und Gasbclcuchtuna wird Schloß und Garten im Glanze
vieler bunter Lämpchen und bengalischer Flammen strahlen. Des
beschränkten Raumes wegen kann nur einer beschränkten Anzahl
von Personen der Eintritt gestattet werden. Und bei der Fülle des
Schönen, welche gerade diescs Fest uns verspricht, wird es nicht
Wunder nehmen, daß die sämtlichen Plätze bereits vergeben sind.
Um das Angedenken dieser Stunden auch im Bilde festzuhalten, hat
Herr Kunsthändler Edmund v. König hier vom KomiU das aus-
schließliche Recht erhalten, von den einzelnen Gruppen photograpi-
sche Äufnahmen machen zu lassen. Wir wünschen dem Feste von
Herzen einen schönen Verlauf. Möge es —und das ist der Wunsch,
den wir ja für alle unsere großen Veranstaltungen so dringend
hegen müssen — nicht zu Wasser werden.
Der historische Festzug in Heidelberg am 6. August.
Die Frage, wird der Festzug vom Wetter begünstigt sein, schwebte
wohl in oen letzten Tagen auf den Lippen aller Heidelberger, aller
derer, die schon zu den mannigfaltigen Festlichkeiten dort eingetroffen
waren und aller, welche die Äbsicht hatten, sich nach dort zu be-
geben, um den Festzug zu sehen. Darum lag es auch wie ein Wie-
derschein des klar und strahlend anbrechenden Festtages auf jedem
Gesicht der zu vielen Tausenden herbeigeströmten Zuschauer. (Wur-
den doch beispielsweise von Mannheim allein am Freitag früh
15 000 Personen nach Heidelberg befördert.) Es entwickelte sich rasch
ein Bild, wie es farbenreicher und glänzender, umwoben von milden
Strahlen der Sonne, nicht gedacht werden kann. — Das Treiben
in der Stadt war seit den frühesten Morgenstunden äußerst belebt
und Zug um Zug brachte neue Scharen, die sich in die Stadt er-
aossen, in der icdoch in musterhafter Weise die Ordnung aufrecht er-
halten wurde. Die ersten Ertrazüge vou Darmstadt vermochten an
den letzten Stationen vor Heidelberg schon Niemand mehr anfzu-
nehmen. Trotz der engen Straßen, aber Dank dem vortrefflichen
Arrangement des Zuges, der einen Weg von mehr als 3 Stunden
zurücklegte, dürste wohl die Schaulust eines Jeden befriedigt wor-
den sein.
Pünktlich um 9 Uhr setzte sich der Zug in Bcwegung, dessen
Entwurf von Herrn Prof. Karl Hoff in Karlsruhe Herrührt, und
in welchem die fünf Jahrhnnderte seit der Gründung der Univer-
sität zur Darstellung gebracht wurden.
Eröffnet wurde der Festzug durch die Gruppe: „Gründung der
Universität durch Kurfürst Ruprecht 1. im Jahre 1386." Ein Herold
mit der Reichsstandarte, Pagen und Trompeter gingen voraus. Es
folgten 6 Ritter in schwerer Stahlrüstung und mit Tournierstangen.
Reisige, eine jugendliche Kinderschaar, geleitet von geistl. Schwestern,
fromme Brüder, ein päpstlicher Legat in rothem Gewand, ein Bild
der Madonna, das von jungen Mädchen getragen wnrde, gingen
dem Gründer der Universität, Kurfürst Ruprecht und Gemahlin,
Kurfürstin Beatrix, beide hoch zu Roß, voraus. Ein glänzendes
Gefolge von edlen Frauen und Herren in reichen Trachten schloß
sich ihnen an. Jhnen folgten die ersten Professoren und Studenten
mit dem „Wappen der Universität". Jn graziösem gothischem Wagen
thronte hoch oben stolz die Ruperto Carola, zu ihren Füßen Pietas,
Justitia, Sapientia und Veritas, verkörpert durch liebliche Frauen-
gestalten.
Es entwickelte sich nun die 2. Gruppe: „Einzug Friedrichs I.,
des Siegreichen nach der Schlacht von Seckenheim im Jahr 1462."
Durch die Bürger Heidelbergs wird Friedrich mit scinen tapferen
Kriegern begrüßt. Ein stattliches Gesolge von edlen Rittern in
farbenreichen Kostümen bildet den Schluß dieser Gruppe.
Es erschien die IV. Gruppe: „Pflege der Kunst und Wissenschaft
durch Kurfürst Otto Heinrich (1556—1559)". Den Kurfürsten Otto
Heinrich mit der PfalzgräfinSusannaumgab ein glänzender Hofstaat,
eine allegorische Darstellung der bereits zu hohem Ansehen gelangtcn
Universität mit berühmten Profefforen. Einwohner Heidelbergs, ein
Wagen, auf welchem die Bautätigkeit oes kunstliebenden Pfalzgrafen
zum Ausdruck gebracht war und Landskncchte folgten denselben-
Ein munteres, farbenreiches Bild entwickelt sich in der Gruppe:
„Volksleben der fröhlichen Pfalz" (Ende des 16. Jahrhunderts).
Grünumwundene Bogen bilden die Adelslaube, unter der sich eine
Schaar edler Dameu und Herren hoch zu Pfcrde bewegt. Es folgt
der Palatiawagen mit der Palatia. Ein in üppiger Spät-Renais-
sance construierter Aufbau, auf dem in herrlichcm Gewand und
förmlich eingehüllt von Rosengewinden die Palatia thront, zu ihren
Füßen eine reizende Nymphe des Neckars, Laubenträger dcr Volks-
laube mit jungen Bürgern und Bürgersmädchen, ein Wagen des
Bachus uno der Ceres, aufs reichste mit den Erntegaben geschmückt
und umkreist von Winzerinnen mit hochgefüllten Kufen charaktcri-
sieren das sorglose Leben jener Zeit. Aber im Gefolge ist ein Heer
von Teufeln, schwarz, roth und grün, die von unheimlichen Ge-
stalten mit mächtigen Fledermausflügeln umschwirrt werden. Es
naht nun die Göktin der Liebe. Frau Venus thront in hohem
Palankin, umflattert von Tauben, während Kinder Rosen streuen.
Den Schluß dieser Gruppe bildet das „große Faß", das natürlich
cin zahlreiches Gefolge durstiger Seelen hat.
Es folgt nunmehr wohl die glänzendste Gruppe des ganzen
Zuges: „Einzug des Kursürsten Friedrich V. mit seiner Gemahlin
Elisabeth von England am 17. Juni 1613." Die Pracht und der
Reichtum der Kostüme waren außerordentliche, nur die kostbarsten