Deutsch
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Kroner
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8».
Donnerstag, dm 5. August 1886.
S. Zaßrg.
Das Keidelöerger Iuöiläum.
Jn diesen Tagen feiert die Ruperto-Carola, die
Universität Heidelberg, ihr 500 jähriges Bestehen. „Eine
altehrwürdige Pflanzstätte deutschen Geistes", so nannte
Kaiser Wilhelm diese Hochschule in dem Schreiben, mit
welchem er zu seinem Bedauern seine pcrsönliche Theilnahme
an dem schönen Feste ablehnen mußte, und diese kaiserlichen
Worte sind ein neuer und innerlich berechtigter Schmuck
der Ruperto-Carola.
Die Heidelberger Hochschule ist die älteste deutsche
Universität; sie wurde 1386 eröffnet und trägr ihren Nameu
von ihrem Gründer Ruprecht dem Ersten von der Pfalz
und ihrem Wiederhersteller (1803) Karl Friedrich von Baden.
Allerdings begründete Karl der Vierte (der Gegenkaiser
Ludwig des Bayern) bereits im Jahre 1S48 in Prag eine
Hochschule. Aber abgesehen davon, daß dieselbe nur be-
dingungsweise eine deutsche genannt werden konnte (die
deutschen Studenten räumten 1404 den tschechischen ganz
das Feld und gingen nach Leipzig, wo eine neue Hochschule
gegründet wurde), so datirt die eigentliche Begründung der
Ruperto-Carola schon aus dem Jahre 1346. 1386 aber
erst langte die kaiserliche Bestätigung an, worauf die Anstalt
cröffnet wurde.
Während des ganzen Mittelaltcrs waren die Hoch-
schulen mit der Kirche cng verbunden und von dieser ab-
hängig; mit Recht, denn AlleS, was von der Wissenschaft
des Alterthums in die Ncuzeit hinübergcrettet wurde, haben
wir der Kirche, vor allem den Klöstern zu danken. Daher
war es nur natürlich, daß auch die Gründung von Hoch-
schulen nur mit Zustimmung dcs jeweiligen Papstes ersolgte
und erst die Universität Wittenberg machte hiervon eine
AuSnahme.
Die Heidelberger Universität hat in den 500 Jahren
ihres Bestehens viele gute, aber leider noch viel mehr
schlimme Tage gesehcn. Zu den ersteren zählen die Zeiten,
in denen sich die bedeutendsten Vertreter deutscher Wissen-
schast auf den Lehrstühlen jcner Universität befanden; eine
schöne stattliche Zahl von Männern, hervoragend auf den
verschiedensten Gebieten des menschlischen Geistes. Zu den
schwersten Zeiten dagegen gehörten die zwanziger Jahre des
sechszehnten Jahrhunderts (während der Bauernkriege);
ebenso der 30jährige Krieg, während deffen Tilly der
Universität unersetzlich kostbare Schätze nahm, die sich heute
im Bcsitz der vatikanischen Bibliothek befinden. 1689 nnd
1693 brachen die Franzosen ins Land und verwüstteten
Heidelberg, vor allem dessen schönes Schloß, um dessen
Ruinen sich heute noch ein Kranz poesievoller Sagen schlingt.
Auch die Franzosen hatten ihr Augenmerk auf die
werthvoll« Büchersammlung der Heidelberger Bibliothek ge-
lenkt und manches davon geraubt. Einiges davon ist später
wieder nach Deutschland zurückgekommen, andere werthvolle
Sachen befinden sich jetzt noch in Paris und leider hat man
beim 1871er Friedensschluß verabsäumt, dieselben zurückzu-
sordern. _
iMchdrock verbotkn.
1)
Dev Witöerev.
Von Fritz Brentano.
1.
Des Sommers fröhliche Tage waren vorüber. —
Der Wald da drüben hatte sein grünes Gewand ab-
gelegt und sich in sein rothgelbes Srerbekleid gehüllt; stiller
war es geworden in Feld und Au. nur vereinzelt drang
noch dcr Ton eines Sensenhammers, das Klingen einer
Sense, die durch das Riedgras fuhr, hinüber zum Wald-
rand, und abgerissene Töne eines altcn Volksliedes klangen
aus 'dem Munde des verspätetcn Mähers dazwischen —
melancholische Töne, halb verweht vou dem Abendwind, der
über die Stoppeln strich und die Aeste der Bäume bald
leise, bald stärker wiegte, daß die rothen Blätter hernieder-
wirbelten, noch einmal leuchtend und glitzernd im Herbst-
glanz, um dann im Schooße der mütterlichen Erde zu
verwesen.
Abendsonndurchglühte Wolkenzüge schwebten hoch über
den Wipscln — ein stilles, gespenstisches Heer, mit jedem
Windstoß seine Gestalten wechselnd.
Mehr und mehr verblaßten Lie Tinten. Die Schatten
der Dämmerung huschten zwischen das lcuchtende Gewölk —
aus der Ferne hob sich noch einmal die Stimme des heim-
kehrenden Sängers; der letzte Ton des Volksliedes verhallte,
und der letzte Sonnenstrahl blitzte durch die Zweige.
Unten im Walde aber, wo die Quelle aus dem moos-
umwucherten Felsen rann, stand der Förster neben dem
alt'en Baum, der seit undenklichen Zeiten im Munde des
Volkrs die Mordeiche hieß.
Die deutsche Jugend, welche in Heidelberg den Studien
obliegt, hat sich immer als Träger des deutschen Einheits-
gedankens bewährt und von den Mitgliedern der füns
studentischen Corps, die dort bestehen, haben im deutsch-
französischen Kriege vier Schwaben, vier Rhenanen, sünf
Westsalen, sechs Bandalen und vierzehn Saxo-Borussia ihr
Leben sür das deutsche Vaterland aus den französtschen
Schlachtfeldern gelasscn, getreu dem Weiheliede der Corps-
studenten, worin es heißt:
„ . . . sterben gern zu jeder Stunde,
Achten nicht der TodeSwunde,
Wenn das Vaterland gebeut."
Die innige Wechselwirkung, die zwischen Wiffenschaft
und Volkslebcn besteht, macht die Heidelbcrger Universitäts-
feier zu einem nationalen Feste. Leidcr fehlt demselben sein
Sänger, Viktvr Scheffel, der das Feierlied zwar noch ge-
dichtet, die Feier selbst aber nicht mehr erleben sollte.
Wie sehr er Heidelberg liebte, wie sehr er mit dem
dortigen Universitätsleben verbunden war, zeigt sein Lied:
„Alt Heidelberg, Du seine."
Möge denn die Ruperto-Carola auch fernerhin gedeihen,
wachsen und blühen immerdar!
Hagesüöerstcht.
Deutschland. Kaiser Wilhelm wird nach den
„Dresd. Nachr." zur Vermählung der Prinzesstn Josepha
von Sachsen mit dem Erzherzoge Otto von Oesterreich in
Dresden erscheinen.
* Der Zusammenkunst der Kaiser Wilhelm und Franz
Joseph in Gastein wird, wie ma.r' jctzt bestätigt, nicht nur
Fürst Bismarck, svndern auch Graf Kalnoky beiwohnen.
* Fürst Bismarck, der jetzt in Gastein eingetroffen ist,
hatte sich in München sowohl seitens der königlichen Familie
wie auch der Bevölkerung einer sympathischen Ausnahme zu
crfreuen.
* Der Prinz-Regent von Bayern hat in einem eigen-
händigen Briefe an den Papst in wärmsten Ausdrücken ver-
sichert, daß er es für seine besondere Pflicht halte, die Jn-
tercssen der katholischen Kirche zu beschützen.
* Jm Kamerungebiete ifl durch Verordnung des dor-
tigen Gouverneurs die deutsche Reichsmark-Rechnung eingesührt
worden.
* Die Nachfrage nach Einpfennig-Stücken ist bei den
Reichskaffen so stark geworden, daß der Bundesrath sür
400000 Mk. von dieser Münzsorte hat nachprägen lassen.
* Der bayrische General der Jnfanterie a. D. Friedrich
Graf v. Bothmer ist im 82. Lebensjahre in München ge-
storben. v. Bothmer war im Feldzuge 1870s71 Komman-
deur der 4. Armee-Division.
* Die prcußischen Bischöse werden am 10. d. in
Fulda zu eincr Berathung zusammentreten.
Rnffland. Während Deutschland und Oesterreich
im Begriffe stehen, Bezeugungen inniger Freundschaft aus-
Flüchtige Wallonen hatten dort beim Spiel ihren
Rottmeister erstochen und waren dann uustät weiter geirrt.
Der Erschlagcne aber hatte drei Tage da gelegen, in der
erstarrtcn Rechten den Würfelbecher haltend, die Linke
krampfhaft auf die klaffende Wunde gepreßt, während die
todten Augen nach dem Himmel stierten, als wollten sie von
dort oben den Rächer dieser Frevelthat herabrufen.
Andere Kriegsleute, welche des Weges durch den Wald
kamen und an der Quelle ihre müden Gäule tränkten, hatten
den Todten am Fuße des Baumes, wo er lag, eingescharrt,
ohne Sang und Klang. Und auch sie waren weiter gezogen,
und am andern Tage war der todte Camerad vergessen,
denn drüben im nächsten Dorf, da wurden sie von den
Schweden ereilt — die Schwerter blitzten, die Hakenbüchsen
donnerten eine Stunde lang und die Todtengräber von
gestern lagen selbst kalt und starr und harrtcn der milden
Hand, die sie der Erde übergab.
Und als der nächste Sommerwind über die Gräber
der Gefallenen wehte, da dachte kaum Einer noch ihrer.
Spielende Kinder tummelten sich auf dem Anger und pflückten
die Feldblumen, welche auf den Leichenhügeln wucherten,
lachende Kränze daraus windend für ihre blonden Häupter.
Der Landmann aber bestelltc friedlich daneben sein Feld und
dachte erst der Schrecken des Krieges wieder, wenn sein tief
einschneidender Pflug cin Stück Menschengebein aufwars.
Die Kinder starrten es einen Augenblick an, mit großen,
verwunderten Augen, um iu der nächsten Minute, wieder
lachelnd und jubelnd zu ihren Spielen zurückzukehren.
Aber wunderbar! Während Niemand mehr der vielen
Leichen am Dorsrain gedachte — der einsame Todte am
Ouell drüben im Wald war nicht vergessen worden.
Denn das ist der geheimnißvolle Zauber, den der
Mord um sich verbrritet, daß sein Angedenken nicht zur
zutauschen, steht Rußland, wie es scheint, ein wenig
schmollend und nicht ganz neidlos beiseite. Aus Petersburg
liegt die Mcldung vor, daß des Ministers GierS Reise
ausschließlich von der politischen Lage abhängt, die augen-
blicklich den Besuch bei dem Fürsten BiSmarck nicht geeignet
l erscheinen laffe. Auch die national-rassische Preffe zieht ein
verdrossenes Gesicht, welches halb sehnend nach Frankreich
hinüberschielt.
Oesterreich Uugarn. Das Militär-Hafen-Kom.
mando in Pola ist einem von dem Mailänder Jrredentisten-
Komitee angestellten Anschlage gegen die österreichische Kriegs-
marine auf der Spur. Das österreichisch-ungarische General-
konsulat in Mailand hatte berichtet, daß ein in Mailand
lebender Apotheker auf dem Wege nach Pola sei und be-
denkliche Anschläge im Schilde führe. Bier der findigsten
Triestincr Polizeiagenten begleiten und beobachten ihn; in
Folge dicser sorgfältigen Bewachung ergriff das Jndividuum
die Flucht und wurde in Adelsburg verhaftet. Man be-
fürchtet einen Anschlag gegen eins der im ZentralkriegS-
hafen zu Pola liegenden Panzerschiffe; das Militärkommando
ordnete sosort an, daß die Patrouillen und Runden zu
Waffer und bei Nacht vcrdoppelt werden.
Frankreich. Am Sonntag haben die General-
rathSwahlen stattgefunden. Das Gesammtergebniß ist für
die Republik nicht gerade ungünstig, obwohl die Republikaner
etwa ein Dutzend Sitze eingebüßt haben. Die Zahl der ge«
wählten Republikaner zu der der Monaichisten verhält fich
wie 2 zu 1. Doch haben noch etwa 170 Stichwahlen
stattzufinden, die dieses Verhältniß wesentlich verändern
können.
Da Boulanger ableugnen läßt, den Danksagungs-
bricf an den Herzog von Aumale geschrieben zu
haben, so wollen die monarchistischen Zeitungen den
Originalbrief photographiren und so veröffentlichen laffen.
Die republikanischen Zeitungen verlangen Feststellung auf
dem Wege des Prozesses. (Dies würde ein recht intereffanter
Prozeß werden, durch den der eine Theil alS Fälscher
oder der andere als Lügner sich herausstellen müßte.)
Ein Telegramm des „B. T." theilt uumnehr mit,
daß die monarchische Presse am 3. August die FacsimileS
der Briefe des GeneralS Boulanger veröffentlichte, der jetzt
geständig ist, aber die Angelegenheit leicht nimmt und sein
Leugnen mit Vergeßlichkeit, den Jnhalt des Briefes mit dem
Usus in der Armee entschuldigt.
Das Amtsblatt der Regierung veröffentlicht die vom
28. Juli 1886 datirten Dekrete dcs Präsidenten der
Republik über die Einrichtung der Pariser Weltausstellung
von 1889. (Die Ausstellung ist also nicht um ein Jahr
verschoben worden, wie es vor Kurzem hicß.)
Die französische Nordbahn hat den belgischen Sozialisten
die Bitte, für 10 000 Pariser Gesinnungsgenoffen, welche
am 15. August der Kundgebung in Brüssel beiwohnen
wollen, einen Separatzug zu veranstalten, abgeschlagen.
Ruhe kommen kann, und sich fortspinnt von der Ahne zum
Enkel, im Flüstern der Winde, im Rauschen der Blätter.
„Wo aber Blutschuld auf einer Stätte liegt, da um-
schweben sie rächende Geister und lauern auf den wieder-
kehrenden Mörder", heißt es im Munde des Volkes.
Und auch diesmal hatte sich das prophetische Wort
bewahrheitet. Dcr schreckliche Krieg hatte endlich auSgetobt
und Friedcnslüfte wehten wieder über den großen, weiten
Kirchhof, das deutsche Reich genannt. Da fanden sie draußen
an der Eiche beim Quell, wo der todte Wallone faulte
Einen in zerlumpten Soldatengewand, mit zerschmettertem
Hanpt, kalt und starr.
Und wie jener den Würfelbecher, so hielt dieser daS
abgeschcsiene Faustrohr in der Hand, nebeu ihm aber lag
ein Zettel, darauf stand, daß er vor Jahren den Rottmeister
aus Hibernien um schnöden Geldgewinn hier erstochen; wie
er seitdem nicht Rast noch Ruhe gefuuden und nach langer
Marodeursahrt gestern die Stätte seineS Frevels erkannt
habe. Das sei ihm als eine absonderliche Mahnung der
ewigen Gerechtigkeit erschienen, und darum wolle er auch
hier vor stinen Richter treten.
Und als der Selbstmörder neben seinem Opfer verscharrt
war, da richteten mitleidige Seelen ein rohes steinerneS
Kreuz an der Stelle auf. Der entweihte Quell aber kam
in Verruf; der Wald überwucherte im Laufe der langen
Zeit den breiten Pfad, der dort vorüberführte, und die
Sage wob ihre Schauer um die Blutstätte. Hundert Jahre
waren vcrfloffen seitdem, doch die Geschichte war nicht er-
storben und der Zauber des Mordes nicht erloschen.
Warum der Förster heute gerade so lebhast der beiden
längst vermoderten Todten gedachte — warum ihm heute
die alte, halbverklungene Sage nicht auS dem Sinn kam?
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8».
Donnerstag, dm 5. August 1886.
S. Zaßrg.
Das Keidelöerger Iuöiläum.
Jn diesen Tagen feiert die Ruperto-Carola, die
Universität Heidelberg, ihr 500 jähriges Bestehen. „Eine
altehrwürdige Pflanzstätte deutschen Geistes", so nannte
Kaiser Wilhelm diese Hochschule in dem Schreiben, mit
welchem er zu seinem Bedauern seine pcrsönliche Theilnahme
an dem schönen Feste ablehnen mußte, und diese kaiserlichen
Worte sind ein neuer und innerlich berechtigter Schmuck
der Ruperto-Carola.
Die Heidelberger Hochschule ist die älteste deutsche
Universität; sie wurde 1386 eröffnet und trägr ihren Nameu
von ihrem Gründer Ruprecht dem Ersten von der Pfalz
und ihrem Wiederhersteller (1803) Karl Friedrich von Baden.
Allerdings begründete Karl der Vierte (der Gegenkaiser
Ludwig des Bayern) bereits im Jahre 1S48 in Prag eine
Hochschule. Aber abgesehen davon, daß dieselbe nur be-
dingungsweise eine deutsche genannt werden konnte (die
deutschen Studenten räumten 1404 den tschechischen ganz
das Feld und gingen nach Leipzig, wo eine neue Hochschule
gegründet wurde), so datirt die eigentliche Begründung der
Ruperto-Carola schon aus dem Jahre 1346. 1386 aber
erst langte die kaiserliche Bestätigung an, worauf die Anstalt
cröffnet wurde.
Während des ganzen Mittelaltcrs waren die Hoch-
schulen mit der Kirche cng verbunden und von dieser ab-
hängig; mit Recht, denn AlleS, was von der Wissenschaft
des Alterthums in die Ncuzeit hinübergcrettet wurde, haben
wir der Kirche, vor allem den Klöstern zu danken. Daher
war es nur natürlich, daß auch die Gründung von Hoch-
schulen nur mit Zustimmung dcs jeweiligen Papstes ersolgte
und erst die Universität Wittenberg machte hiervon eine
AuSnahme.
Die Heidelberger Universität hat in den 500 Jahren
ihres Bestehens viele gute, aber leider noch viel mehr
schlimme Tage gesehcn. Zu den ersteren zählen die Zeiten,
in denen sich die bedeutendsten Vertreter deutscher Wissen-
schast auf den Lehrstühlen jcner Universität befanden; eine
schöne stattliche Zahl von Männern, hervoragend auf den
verschiedensten Gebieten des menschlischen Geistes. Zu den
schwersten Zeiten dagegen gehörten die zwanziger Jahre des
sechszehnten Jahrhunderts (während der Bauernkriege);
ebenso der 30jährige Krieg, während deffen Tilly der
Universität unersetzlich kostbare Schätze nahm, die sich heute
im Bcsitz der vatikanischen Bibliothek befinden. 1689 nnd
1693 brachen die Franzosen ins Land und verwüstteten
Heidelberg, vor allem dessen schönes Schloß, um dessen
Ruinen sich heute noch ein Kranz poesievoller Sagen schlingt.
Auch die Franzosen hatten ihr Augenmerk auf die
werthvoll« Büchersammlung der Heidelberger Bibliothek ge-
lenkt und manches davon geraubt. Einiges davon ist später
wieder nach Deutschland zurückgekommen, andere werthvolle
Sachen befinden sich jetzt noch in Paris und leider hat man
beim 1871er Friedensschluß verabsäumt, dieselben zurückzu-
sordern. _
iMchdrock verbotkn.
1)
Dev Witöerev.
Von Fritz Brentano.
1.
Des Sommers fröhliche Tage waren vorüber. —
Der Wald da drüben hatte sein grünes Gewand ab-
gelegt und sich in sein rothgelbes Srerbekleid gehüllt; stiller
war es geworden in Feld und Au. nur vereinzelt drang
noch dcr Ton eines Sensenhammers, das Klingen einer
Sense, die durch das Riedgras fuhr, hinüber zum Wald-
rand, und abgerissene Töne eines altcn Volksliedes klangen
aus 'dem Munde des verspätetcn Mähers dazwischen —
melancholische Töne, halb verweht vou dem Abendwind, der
über die Stoppeln strich und die Aeste der Bäume bald
leise, bald stärker wiegte, daß die rothen Blätter hernieder-
wirbelten, noch einmal leuchtend und glitzernd im Herbst-
glanz, um dann im Schooße der mütterlichen Erde zu
verwesen.
Abendsonndurchglühte Wolkenzüge schwebten hoch über
den Wipscln — ein stilles, gespenstisches Heer, mit jedem
Windstoß seine Gestalten wechselnd.
Mehr und mehr verblaßten Lie Tinten. Die Schatten
der Dämmerung huschten zwischen das lcuchtende Gewölk —
aus der Ferne hob sich noch einmal die Stimme des heim-
kehrenden Sängers; der letzte Ton des Volksliedes verhallte,
und der letzte Sonnenstrahl blitzte durch die Zweige.
Unten im Walde aber, wo die Quelle aus dem moos-
umwucherten Felsen rann, stand der Förster neben dem
alt'en Baum, der seit undenklichen Zeiten im Munde des
Volkrs die Mordeiche hieß.
Die deutsche Jugend, welche in Heidelberg den Studien
obliegt, hat sich immer als Träger des deutschen Einheits-
gedankens bewährt und von den Mitgliedern der füns
studentischen Corps, die dort bestehen, haben im deutsch-
französischen Kriege vier Schwaben, vier Rhenanen, sünf
Westsalen, sechs Bandalen und vierzehn Saxo-Borussia ihr
Leben sür das deutsche Vaterland aus den französtschen
Schlachtfeldern gelasscn, getreu dem Weiheliede der Corps-
studenten, worin es heißt:
„ . . . sterben gern zu jeder Stunde,
Achten nicht der TodeSwunde,
Wenn das Vaterland gebeut."
Die innige Wechselwirkung, die zwischen Wiffenschaft
und Volkslebcn besteht, macht die Heidelbcrger Universitäts-
feier zu einem nationalen Feste. Leidcr fehlt demselben sein
Sänger, Viktvr Scheffel, der das Feierlied zwar noch ge-
dichtet, die Feier selbst aber nicht mehr erleben sollte.
Wie sehr er Heidelberg liebte, wie sehr er mit dem
dortigen Universitätsleben verbunden war, zeigt sein Lied:
„Alt Heidelberg, Du seine."
Möge denn die Ruperto-Carola auch fernerhin gedeihen,
wachsen und blühen immerdar!
Hagesüöerstcht.
Deutschland. Kaiser Wilhelm wird nach den
„Dresd. Nachr." zur Vermählung der Prinzesstn Josepha
von Sachsen mit dem Erzherzoge Otto von Oesterreich in
Dresden erscheinen.
* Der Zusammenkunst der Kaiser Wilhelm und Franz
Joseph in Gastein wird, wie ma.r' jctzt bestätigt, nicht nur
Fürst Bismarck, svndern auch Graf Kalnoky beiwohnen.
* Fürst Bismarck, der jetzt in Gastein eingetroffen ist,
hatte sich in München sowohl seitens der königlichen Familie
wie auch der Bevölkerung einer sympathischen Ausnahme zu
crfreuen.
* Der Prinz-Regent von Bayern hat in einem eigen-
händigen Briefe an den Papst in wärmsten Ausdrücken ver-
sichert, daß er es für seine besondere Pflicht halte, die Jn-
tercssen der katholischen Kirche zu beschützen.
* Jm Kamerungebiete ifl durch Verordnung des dor-
tigen Gouverneurs die deutsche Reichsmark-Rechnung eingesührt
worden.
* Die Nachfrage nach Einpfennig-Stücken ist bei den
Reichskaffen so stark geworden, daß der Bundesrath sür
400000 Mk. von dieser Münzsorte hat nachprägen lassen.
* Der bayrische General der Jnfanterie a. D. Friedrich
Graf v. Bothmer ist im 82. Lebensjahre in München ge-
storben. v. Bothmer war im Feldzuge 1870s71 Komman-
deur der 4. Armee-Division.
* Die prcußischen Bischöse werden am 10. d. in
Fulda zu eincr Berathung zusammentreten.
Rnffland. Während Deutschland und Oesterreich
im Begriffe stehen, Bezeugungen inniger Freundschaft aus-
Flüchtige Wallonen hatten dort beim Spiel ihren
Rottmeister erstochen und waren dann uustät weiter geirrt.
Der Erschlagcne aber hatte drei Tage da gelegen, in der
erstarrtcn Rechten den Würfelbecher haltend, die Linke
krampfhaft auf die klaffende Wunde gepreßt, während die
todten Augen nach dem Himmel stierten, als wollten sie von
dort oben den Rächer dieser Frevelthat herabrufen.
Andere Kriegsleute, welche des Weges durch den Wald
kamen und an der Quelle ihre müden Gäule tränkten, hatten
den Todten am Fuße des Baumes, wo er lag, eingescharrt,
ohne Sang und Klang. Und auch sie waren weiter gezogen,
und am andern Tage war der todte Camerad vergessen,
denn drüben im nächsten Dorf, da wurden sie von den
Schweden ereilt — die Schwerter blitzten, die Hakenbüchsen
donnerten eine Stunde lang und die Todtengräber von
gestern lagen selbst kalt und starr und harrtcn der milden
Hand, die sie der Erde übergab.
Und als der nächste Sommerwind über die Gräber
der Gefallenen wehte, da dachte kaum Einer noch ihrer.
Spielende Kinder tummelten sich auf dem Anger und pflückten
die Feldblumen, welche auf den Leichenhügeln wucherten,
lachende Kränze daraus windend für ihre blonden Häupter.
Der Landmann aber bestelltc friedlich daneben sein Feld und
dachte erst der Schrecken des Krieges wieder, wenn sein tief
einschneidender Pflug cin Stück Menschengebein aufwars.
Die Kinder starrten es einen Augenblick an, mit großen,
verwunderten Augen, um iu der nächsten Minute, wieder
lachelnd und jubelnd zu ihren Spielen zurückzukehren.
Aber wunderbar! Während Niemand mehr der vielen
Leichen am Dorsrain gedachte — der einsame Todte am
Ouell drüben im Wald war nicht vergessen worden.
Denn das ist der geheimnißvolle Zauber, den der
Mord um sich verbrritet, daß sein Angedenken nicht zur
zutauschen, steht Rußland, wie es scheint, ein wenig
schmollend und nicht ganz neidlos beiseite. Aus Petersburg
liegt die Mcldung vor, daß des Ministers GierS Reise
ausschließlich von der politischen Lage abhängt, die augen-
blicklich den Besuch bei dem Fürsten BiSmarck nicht geeignet
l erscheinen laffe. Auch die national-rassische Preffe zieht ein
verdrossenes Gesicht, welches halb sehnend nach Frankreich
hinüberschielt.
Oesterreich Uugarn. Das Militär-Hafen-Kom.
mando in Pola ist einem von dem Mailänder Jrredentisten-
Komitee angestellten Anschlage gegen die österreichische Kriegs-
marine auf der Spur. Das österreichisch-ungarische General-
konsulat in Mailand hatte berichtet, daß ein in Mailand
lebender Apotheker auf dem Wege nach Pola sei und be-
denkliche Anschläge im Schilde führe. Bier der findigsten
Triestincr Polizeiagenten begleiten und beobachten ihn; in
Folge dicser sorgfältigen Bewachung ergriff das Jndividuum
die Flucht und wurde in Adelsburg verhaftet. Man be-
fürchtet einen Anschlag gegen eins der im ZentralkriegS-
hafen zu Pola liegenden Panzerschiffe; das Militärkommando
ordnete sosort an, daß die Patrouillen und Runden zu
Waffer und bei Nacht vcrdoppelt werden.
Frankreich. Am Sonntag haben die General-
rathSwahlen stattgefunden. Das Gesammtergebniß ist für
die Republik nicht gerade ungünstig, obwohl die Republikaner
etwa ein Dutzend Sitze eingebüßt haben. Die Zahl der ge«
wählten Republikaner zu der der Monaichisten verhält fich
wie 2 zu 1. Doch haben noch etwa 170 Stichwahlen
stattzufinden, die dieses Verhältniß wesentlich verändern
können.
Da Boulanger ableugnen läßt, den Danksagungs-
bricf an den Herzog von Aumale geschrieben zu
haben, so wollen die monarchistischen Zeitungen den
Originalbrief photographiren und so veröffentlichen laffen.
Die republikanischen Zeitungen verlangen Feststellung auf
dem Wege des Prozesses. (Dies würde ein recht intereffanter
Prozeß werden, durch den der eine Theil alS Fälscher
oder der andere als Lügner sich herausstellen müßte.)
Ein Telegramm des „B. T." theilt uumnehr mit,
daß die monarchische Presse am 3. August die FacsimileS
der Briefe des GeneralS Boulanger veröffentlichte, der jetzt
geständig ist, aber die Angelegenheit leicht nimmt und sein
Leugnen mit Vergeßlichkeit, den Jnhalt des Briefes mit dem
Usus in der Armee entschuldigt.
Das Amtsblatt der Regierung veröffentlicht die vom
28. Juli 1886 datirten Dekrete dcs Präsidenten der
Republik über die Einrichtung der Pariser Weltausstellung
von 1889. (Die Ausstellung ist also nicht um ein Jahr
verschoben worden, wie es vor Kurzem hicß.)
Die französische Nordbahn hat den belgischen Sozialisten
die Bitte, für 10 000 Pariser Gesinnungsgenoffen, welche
am 15. August der Kundgebung in Brüssel beiwohnen
wollen, einen Separatzug zu veranstalten, abgeschlagen.
Ruhe kommen kann, und sich fortspinnt von der Ahne zum
Enkel, im Flüstern der Winde, im Rauschen der Blätter.
„Wo aber Blutschuld auf einer Stätte liegt, da um-
schweben sie rächende Geister und lauern auf den wieder-
kehrenden Mörder", heißt es im Munde des Volkes.
Und auch diesmal hatte sich das prophetische Wort
bewahrheitet. Dcr schreckliche Krieg hatte endlich auSgetobt
und Friedcnslüfte wehten wieder über den großen, weiten
Kirchhof, das deutsche Reich genannt. Da fanden sie draußen
an der Eiche beim Quell, wo der todte Wallone faulte
Einen in zerlumpten Soldatengewand, mit zerschmettertem
Hanpt, kalt und starr.
Und wie jener den Würfelbecher, so hielt dieser daS
abgeschcsiene Faustrohr in der Hand, nebeu ihm aber lag
ein Zettel, darauf stand, daß er vor Jahren den Rottmeister
aus Hibernien um schnöden Geldgewinn hier erstochen; wie
er seitdem nicht Rast noch Ruhe gefuuden und nach langer
Marodeursahrt gestern die Stätte seineS Frevels erkannt
habe. Das sei ihm als eine absonderliche Mahnung der
ewigen Gerechtigkeit erschienen, und darum wolle er auch
hier vor stinen Richter treten.
Und als der Selbstmörder neben seinem Opfer verscharrt
war, da richteten mitleidige Seelen ein rohes steinerneS
Kreuz an der Stelle auf. Der entweihte Quell aber kam
in Verruf; der Wald überwucherte im Laufe der langen
Zeit den breiten Pfad, der dort vorüberführte, und die
Sage wob ihre Schauer um die Blutstätte. Hundert Jahre
waren vcrfloffen seitdem, doch die Geschichte war nicht er-
storben und der Zauber des Mordes nicht erloschen.
Warum der Förster heute gerade so lebhast der beiden
längst vermoderten Todten gedachte — warum ihm heute
die alte, halbverklungene Sage nicht auS dem Sinn kam?