Nr. L8L
Samstag den 7. August
1886.
Amts- und Anzeigeblatt
für den Kreis Gießen.
Gch«»P«aßr 7.
- N»ri« »trrtrljthrlich S Marl ,, Pf. «tt »rin»««q>L
Srschrint »chH«ch «* —» »„«««,. Lurch »t. Pvsi «erteljLhrlich , «arl S» Pf.
Kmtkicher Theik.
Bekanntmachung.
Der Oberhessische Bienenzüchterverein beabsichtigt. gelegentlich der am 26. d. M- zu Büdingen stattfindenden diesjährigen Wanderversammlung eine
Verloosung von Bienen-Produkten nnd Bienen-Utensilien zu veranstalten. .
Großherzogliches Ministeriuin des Jnnern und der Justiz hat die nachgesuchte Erlaubniß zur Veranstaltung dieser Verloosung unter der Bedingung
ertheilt, daß nicht mehr als 1500 Loose ü 50 H ausgegeben werden dürfen und mindestens 60«/g des Bruttoerlöses aus dem Verkaufe der Loose zum Ankaus
von Gewinngegenständen zu verwenden sind.
Zugleich ist der Vertrieb der Loose in der Provinz Oberhesien gestattet worden.
Gießen, am 6. August 1886. Großherzogliches Kreisamt Gießen.
I V.: v. Bechtold.___
Nr. 25 des Reichs-Gesetzblatts, ausgegeben den 3. l. M., enthält:
(Nr. 1678.) Verordnung. betreffend nähere Festsetzungen über die Gewährung von Tagegeldern und Fuhrkosten an die Beamten der Militär- und
Marineverwaltung. Vom 27. Juli 1886. , ^ -
(Nr. 1679.) Bekanntmachung, betreffend den Antheil der Reichsbank an dem Gesammtbetrage des steuerfteren ungedeckten Oiotenumlaufs. Vom
25. Juli 1»86.
Gießen, den 6. August 1886. Großherzogliches Kreisamt Gießen.
_I. V.: v. Bechtold.
Politische Ueberficht.
Gießen, 6. August.
Seit Montag Abend weilt nun auch Fürst Bismarck in Gastein
und somit sind Kaiser Wilhelm und sein erster Rathgever wieder einmal, wie
schon vor Jahren, an den Gasteiner Quellen vereinigt. Sicherlich ist dieser
Umstand nicht ohne Bedeutung und dis am nächsten Sonntage stattfindende Be-
gegnung zwischen Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joses giebt da einen genü-
genden Fingerzeig. Jn den letzten Jahren ist diese travitionelle persönliche
Begrüßung zwischen den beiden befreunveten Herrschern ohns die Gegenwart
ihrer ersten Ralhgeber vor sich gegangen, aber dicsmal werden dieselben wie-
derum zugegen sein, denn dem Vernehmen nach trifft Ende dieser Woche auch Gras
Kalnoky, der Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Oesterreich-Ungarns, in
Gastein ein. Jm Hinblick auf die vorausgegangenen Besprechungen zwischen
Fürst Birmarck und Gras Kalnoky in Kissingen erhält die heurige Begegnung
Kaiser Wilhelms mit dem Herrscher Ossterreich - llngarns durch die Theilnahme
der beiderseitigen leitenden Minister noch eine erhöhte Bedeutung uud die stun-
denlangen Audienzen, welche Fürst Bismarck seit seiner Ankunft in Gastein bis
jetzt fast täglich bei seinem kaiserlichen Herrn gehabt hat, sind nur geeignet, die
Wichtigkeit des bevorstehenden Gasteiner KaisertageS noch mehr hervorzuheben.
Aber der Charakter des deutsch - österreichischen BündnisieS, welches seinerseits
wiederum in der innigen persönlichen Freundschast der beiden Souveraine gipfelt,
bürgt dafür, daß auch die heurige Zusammenkunft zwischen den beiden fürstlichen
Freunden in ihrem letzten Ziele nur der Erhaltung des gegenwärtigen Friedens-
Zustandes in unserem Erdtheile gewidmet ist und diese Anschauung kann durch
die Anwesenheit des deutschen „Friedenrkanzlers" in Gastein ledtglich ihre Be-
kräftigung findcn.
Der Kriegsminister der französischen Republtk, HerrBou-
langer, macht durch seinen sonderbaren Handel mit dem Herzog von Aumale
schon wieder von sich reden. Boulanger hatte an den nun ebensalls ausgewie-
senen orleanistischen Prinzen in den Jahren 1879 und 1880 ein paar recht
servile Briefe geschrieben, deren Wortlaut kürzlich von den monarchistischen
Blättern gebracht, aber oon Boulanger kaltblütig geleugnet wurde. Jetzt brin-
gen nun verschiedene orleanistische Zeitungen die Photographien der besagten
Briefe und einem solchen Bewei» gegenüber hilft freilich kein Leugnen mehr —
Minister Boulanger hat sich wieder einmal unsterblich blamirt!
Jn Peterhof, dem Sommer-TuSculum der russischen Kaiser-
samilie, sind neben dem Erzherzoge und der Erzherzogin Karl Ludwig von
Oesterreich auch der Kronprinz von Griechenland und dessen Bruder, Prinz
Nicolaus, eingetroffen. Dagegen lagen über die Ankunft der anderen, in Peterhof
erwarteten fürstlichen Gäste, der Königin von Griechenland, der Herzogin von
Cumberland. des König« und der Königin von Dänemark noch keine bestätigen-
den Meldungen vor.
Lelegraphische Depesche«.
»olff'« t«I«g«. »or««1p»n»««i - »«»«a«.
Karlsruhe, 5. August. Die Delegirten und Ehrengäste von Heidel-
b"g, welche mittelst Extrazuge» heute gegen Abend eintrafen, wurden von dem
großherzoglicken Paare und den Prinzen im Gartensaale der Schlosses empfan-
gen und oerweilten dort und auf der denselben umgebenden Terrasie mehrere
Stunden im zwanglosen Verkehr- Das Abendbrod wurde in den oberen Schloß-
räumen am Büffet eingenommen. Jm Schloßgarten wurden von den vereinig-
ten Männerchören von Karlsruhe sechs Lieder, darunter das von Heinr. Vierordt
für den heutigen Abend gedichtete Festlied, gesungen. Die Fontaine und die
einzelnen Parkgruppen waren bengalisch beleuchtet. Gegen 9 Uhr verabschiedeten
Üch die Festthellnehmer, Ein Extrazug sührte dieselben nach Heidelberg zurück.
Bad Gastetn, 5. August. Se. Maj. der Kaiser Wilhelm stattete
gestern Mittag der Gräfin Grünne einen Besuch ab. Al» die Kaiserin von
Oesterreich gestern zum Diner im Badeschloffe vorsuhr, ging ihr Se. Majestät
entgegen und geleitete sie zum Empfangssalon. Bei der Tasel saß die Kaiserin
an der Spitze, zu ihrer Rechten Se. Maj. der Kaiser, zu ihrer Linken Fürst
Bismarck. Nach dem Diner fand Cercle statt. Um 5Vr Uhr verließ die Kai-
serin von Oestereich das Badeschloß, von Sr. Maj. dem Kaiser bis zur Terrasse
geleitet. Bald darauf verließen auch die anderen Gäste da» Badeschloß. Heute
nahm Se. Majestät die Vorträge des Chefs des Militär-Cabinets, General-
LieutenantS v. Albedyll, und des Wirklichen Geh. Legationsrathes v. Bülow
entgegen.
Schlangenbad, 5. August. Se. K. und K. Hoheit der Kronprinz
ist heute Mittag 12 Uhr zum Besuch Jhrer Maj. der Kaiserin hier eingetroffen
und von den Behörden, Schulen, Vereinen und den Badegästen unter enthusia-
stischen Zurufen empfangen worden.
Wien, 5. August. Wie der „Neuen Fr. Presie" aus Konstantinopel
gemeldet wird, feuerte ein Türke auf den Großvezier drei Schüffe ab, ohne
diesen jedoch zu treffen. Jn dem Verhör gab derselbe an, daß er in Folge von
Ungerechtigkeiten sein ganze» Vermögen verloren habe und deshalb die Ausmerk-
samkeit ds« Sultans auf sich lenken wollte.
London, 5. August. Beide Häuser des Parlaments traten heute Nach-
mittag 2 Uhr zu ihrer crsten Sitzung zusammen. Jm Oberhause wurden die
neu eingetretenen Pairs vereidigt.
Das Unterhaus nahm die Wahl des Sprechers vor. Auf den Antrag
Birckbeck's, welchen Gladstone unterstützte, wurde Peel, und zwar einstimmig,
gewählt. Derselbe nahm die Wahl an und betonte dabei die Wichtigkeit der
Aufrechterhaltung der Würde und Autorität des Präsidiums des HauseS; die
beste Bürgschaft für die Redesreiheit und sür die persönliche Freiheit der Par-
laments-Deputirten sei der Gehorsam gegen die Regeln und die GeschäftSordnung
des HauseS.
Dublin, 5. August. Der neue Vicekönig Londonderry und der
irische Staatssecretür Hicks Beach sind hier angekommen und übernahmen heute
ihre PoÜen.
Portsmouth, 5. August. Der König von Portugal ist hier ange-
kommen. Bei der Landung wurde er vom Herzog von Connaught empfangen.
Heidelberger Iubllaumsbriefe.
IV.
Heidelderg, 4. August.
2. Um ein gutes Fest zu feiern, sind drei Dinge nöthig: Ein guter Wirth,
gutes Wetter und gutgezogene Gäste. Diese feltene Trinitas war gestern Abend bei
dem Schloßseste in seltsamer Harmonie vereinigt. Schon bei dem Ausstieg zum Schlotz
merkte man den Gestchtern der Leute die Frcude über das endlich eingetretene, sehnlich
crwartete gute Wetter an. Die Damen — oot» dsos im Allgemeinen durchschnittlich
hübsch und merkwürdig gesunden Aussehens — in ihren hellen Toilctten, die Herren
ohne Ueberzieher, im Frack meist und weitzer Craoatte, die Lust so klar und würzig,
die bezaubernden Fernstchtcn so unbeschränkt und hell, die Sonnc so wohlthucnd er-
wärmend-schon das Ersteigen des kleinen Berges an sich war ein Genuß. Jch
machte den Weg mit einem gemüthlichen preutzischen Officier, der die schöne Gabe des
Schweigens besaß, und konnte mich trotz der Begleitung ungestört meinen mchr oder
weniger poetischen Reflexionen überlassen.
Oben angelangt, wurde ich dcnselben allerdings höchst unsanft cntrisscn- Jch
hatte eine falsche Feftkarte eingesteckt und war genöthigt, den Weg, diesmal allerdings
per Wagen, nochmals zurückzulegen, da die löwenseste Standhastigkcit des Thor-
wächters alle meine Ueberredungskünstc und Einlaßbitten zu Schanden werden lictz.
Auf dem Schlosse durch die endlosen Wagenreihen und Menschenschaaren glücklich
wiedcr angelangt, erwartete mich ein märchenhaster Anblick. Zwischen den himmcl-
hohen Bäumcn des Schloßgartens hingen an hohcn Stangen große electrische Glüh-
lampen, welche das dunkle Laub wie mit künstlichem Mondschein überflutheten; der
Thorwcg in den Burghof war mit brenncnden Pechfackeln garnirt, und aus dem Thore
trctend, lag der ganze weite Schloßplatz, umragt von dcn malcrischen Ruinen des
stolzen Gcbäudes und crfüllt von einer dichten festlich gcputzten Menge, in buntestcr,
Samstag den 7. August
1886.
Amts- und Anzeigeblatt
für den Kreis Gießen.
Gch«»P«aßr 7.
- N»ri« »trrtrljthrlich S Marl ,, Pf. «tt »rin»««q>L
Srschrint »chH«ch «* —» »„«««,. Lurch »t. Pvsi «erteljLhrlich , «arl S» Pf.
Kmtkicher Theik.
Bekanntmachung.
Der Oberhessische Bienenzüchterverein beabsichtigt. gelegentlich der am 26. d. M- zu Büdingen stattfindenden diesjährigen Wanderversammlung eine
Verloosung von Bienen-Produkten nnd Bienen-Utensilien zu veranstalten. .
Großherzogliches Ministeriuin des Jnnern und der Justiz hat die nachgesuchte Erlaubniß zur Veranstaltung dieser Verloosung unter der Bedingung
ertheilt, daß nicht mehr als 1500 Loose ü 50 H ausgegeben werden dürfen und mindestens 60«/g des Bruttoerlöses aus dem Verkaufe der Loose zum Ankaus
von Gewinngegenständen zu verwenden sind.
Zugleich ist der Vertrieb der Loose in der Provinz Oberhesien gestattet worden.
Gießen, am 6. August 1886. Großherzogliches Kreisamt Gießen.
I V.: v. Bechtold.___
Nr. 25 des Reichs-Gesetzblatts, ausgegeben den 3. l. M., enthält:
(Nr. 1678.) Verordnung. betreffend nähere Festsetzungen über die Gewährung von Tagegeldern und Fuhrkosten an die Beamten der Militär- und
Marineverwaltung. Vom 27. Juli 1886. , ^ -
(Nr. 1679.) Bekanntmachung, betreffend den Antheil der Reichsbank an dem Gesammtbetrage des steuerfteren ungedeckten Oiotenumlaufs. Vom
25. Juli 1»86.
Gießen, den 6. August 1886. Großherzogliches Kreisamt Gießen.
_I. V.: v. Bechtold.
Politische Ueberficht.
Gießen, 6. August.
Seit Montag Abend weilt nun auch Fürst Bismarck in Gastein
und somit sind Kaiser Wilhelm und sein erster Rathgever wieder einmal, wie
schon vor Jahren, an den Gasteiner Quellen vereinigt. Sicherlich ist dieser
Umstand nicht ohne Bedeutung und dis am nächsten Sonntage stattfindende Be-
gegnung zwischen Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joses giebt da einen genü-
genden Fingerzeig. Jn den letzten Jahren ist diese travitionelle persönliche
Begrüßung zwischen den beiden befreunveten Herrschern ohns die Gegenwart
ihrer ersten Ralhgeber vor sich gegangen, aber dicsmal werden dieselben wie-
derum zugegen sein, denn dem Vernehmen nach trifft Ende dieser Woche auch Gras
Kalnoky, der Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Oesterreich-Ungarns, in
Gastein ein. Jm Hinblick auf die vorausgegangenen Besprechungen zwischen
Fürst Birmarck und Gras Kalnoky in Kissingen erhält die heurige Begegnung
Kaiser Wilhelms mit dem Herrscher Ossterreich - llngarns durch die Theilnahme
der beiderseitigen leitenden Minister noch eine erhöhte Bedeutung uud die stun-
denlangen Audienzen, welche Fürst Bismarck seit seiner Ankunft in Gastein bis
jetzt fast täglich bei seinem kaiserlichen Herrn gehabt hat, sind nur geeignet, die
Wichtigkeit des bevorstehenden Gasteiner KaisertageS noch mehr hervorzuheben.
Aber der Charakter des deutsch - österreichischen BündnisieS, welches seinerseits
wiederum in der innigen persönlichen Freundschast der beiden Souveraine gipfelt,
bürgt dafür, daß auch die heurige Zusammenkunft zwischen den beiden fürstlichen
Freunden in ihrem letzten Ziele nur der Erhaltung des gegenwärtigen Friedens-
Zustandes in unserem Erdtheile gewidmet ist und diese Anschauung kann durch
die Anwesenheit des deutschen „Friedenrkanzlers" in Gastein ledtglich ihre Be-
kräftigung findcn.
Der Kriegsminister der französischen Republtk, HerrBou-
langer, macht durch seinen sonderbaren Handel mit dem Herzog von Aumale
schon wieder von sich reden. Boulanger hatte an den nun ebensalls ausgewie-
senen orleanistischen Prinzen in den Jahren 1879 und 1880 ein paar recht
servile Briefe geschrieben, deren Wortlaut kürzlich von den monarchistischen
Blättern gebracht, aber oon Boulanger kaltblütig geleugnet wurde. Jetzt brin-
gen nun verschiedene orleanistische Zeitungen die Photographien der besagten
Briefe und einem solchen Bewei» gegenüber hilft freilich kein Leugnen mehr —
Minister Boulanger hat sich wieder einmal unsterblich blamirt!
Jn Peterhof, dem Sommer-TuSculum der russischen Kaiser-
samilie, sind neben dem Erzherzoge und der Erzherzogin Karl Ludwig von
Oesterreich auch der Kronprinz von Griechenland und dessen Bruder, Prinz
Nicolaus, eingetroffen. Dagegen lagen über die Ankunft der anderen, in Peterhof
erwarteten fürstlichen Gäste, der Königin von Griechenland, der Herzogin von
Cumberland. des König« und der Königin von Dänemark noch keine bestätigen-
den Meldungen vor.
Lelegraphische Depesche«.
»olff'« t«I«g«. »or««1p»n»««i - »«»«a«.
Karlsruhe, 5. August. Die Delegirten und Ehrengäste von Heidel-
b"g, welche mittelst Extrazuge» heute gegen Abend eintrafen, wurden von dem
großherzoglicken Paare und den Prinzen im Gartensaale der Schlosses empfan-
gen und oerweilten dort und auf der denselben umgebenden Terrasie mehrere
Stunden im zwanglosen Verkehr- Das Abendbrod wurde in den oberen Schloß-
räumen am Büffet eingenommen. Jm Schloßgarten wurden von den vereinig-
ten Männerchören von Karlsruhe sechs Lieder, darunter das von Heinr. Vierordt
für den heutigen Abend gedichtete Festlied, gesungen. Die Fontaine und die
einzelnen Parkgruppen waren bengalisch beleuchtet. Gegen 9 Uhr verabschiedeten
Üch die Festthellnehmer, Ein Extrazug sührte dieselben nach Heidelberg zurück.
Bad Gastetn, 5. August. Se. Maj. der Kaiser Wilhelm stattete
gestern Mittag der Gräfin Grünne einen Besuch ab. Al» die Kaiserin von
Oesterreich gestern zum Diner im Badeschloffe vorsuhr, ging ihr Se. Majestät
entgegen und geleitete sie zum Empfangssalon. Bei der Tasel saß die Kaiserin
an der Spitze, zu ihrer Rechten Se. Maj. der Kaiser, zu ihrer Linken Fürst
Bismarck. Nach dem Diner fand Cercle statt. Um 5Vr Uhr verließ die Kai-
serin von Oestereich das Badeschloß, von Sr. Maj. dem Kaiser bis zur Terrasse
geleitet. Bald darauf verließen auch die anderen Gäste da» Badeschloß. Heute
nahm Se. Majestät die Vorträge des Chefs des Militär-Cabinets, General-
LieutenantS v. Albedyll, und des Wirklichen Geh. Legationsrathes v. Bülow
entgegen.
Schlangenbad, 5. August. Se. K. und K. Hoheit der Kronprinz
ist heute Mittag 12 Uhr zum Besuch Jhrer Maj. der Kaiserin hier eingetroffen
und von den Behörden, Schulen, Vereinen und den Badegästen unter enthusia-
stischen Zurufen empfangen worden.
Wien, 5. August. Wie der „Neuen Fr. Presie" aus Konstantinopel
gemeldet wird, feuerte ein Türke auf den Großvezier drei Schüffe ab, ohne
diesen jedoch zu treffen. Jn dem Verhör gab derselbe an, daß er in Folge von
Ungerechtigkeiten sein ganze» Vermögen verloren habe und deshalb die Ausmerk-
samkeit ds« Sultans auf sich lenken wollte.
London, 5. August. Beide Häuser des Parlaments traten heute Nach-
mittag 2 Uhr zu ihrer crsten Sitzung zusammen. Jm Oberhause wurden die
neu eingetretenen Pairs vereidigt.
Das Unterhaus nahm die Wahl des Sprechers vor. Auf den Antrag
Birckbeck's, welchen Gladstone unterstützte, wurde Peel, und zwar einstimmig,
gewählt. Derselbe nahm die Wahl an und betonte dabei die Wichtigkeit der
Aufrechterhaltung der Würde und Autorität des Präsidiums des HauseS; die
beste Bürgschaft für die Redesreiheit und sür die persönliche Freiheit der Par-
laments-Deputirten sei der Gehorsam gegen die Regeln und die GeschäftSordnung
des HauseS.
Dublin, 5. August. Der neue Vicekönig Londonderry und der
irische Staatssecretür Hicks Beach sind hier angekommen und übernahmen heute
ihre PoÜen.
Portsmouth, 5. August. Der König von Portugal ist hier ange-
kommen. Bei der Landung wurde er vom Herzog von Connaught empfangen.
Heidelberger Iubllaumsbriefe.
IV.
Heidelderg, 4. August.
2. Um ein gutes Fest zu feiern, sind drei Dinge nöthig: Ein guter Wirth,
gutes Wetter und gutgezogene Gäste. Diese feltene Trinitas war gestern Abend bei
dem Schloßseste in seltsamer Harmonie vereinigt. Schon bei dem Ausstieg zum Schlotz
merkte man den Gestchtern der Leute die Frcude über das endlich eingetretene, sehnlich
crwartete gute Wetter an. Die Damen — oot» dsos im Allgemeinen durchschnittlich
hübsch und merkwürdig gesunden Aussehens — in ihren hellen Toilctten, die Herren
ohne Ueberzieher, im Frack meist und weitzer Craoatte, die Lust so klar und würzig,
die bezaubernden Fernstchtcn so unbeschränkt und hell, die Sonnc so wohlthucnd er-
wärmend-schon das Ersteigen des kleinen Berges an sich war ein Genuß. Jch
machte den Weg mit einem gemüthlichen preutzischen Officier, der die schöne Gabe des
Schweigens besaß, und konnte mich trotz der Begleitung ungestört meinen mchr oder
weniger poetischen Reflexionen überlassen.
Oben angelangt, wurde ich dcnselben allerdings höchst unsanft cntrisscn- Jch
hatte eine falsche Feftkarte eingesteckt und war genöthigt, den Weg, diesmal allerdings
per Wagen, nochmals zurückzulegen, da die löwenseste Standhastigkcit des Thor-
wächters alle meine Ueberredungskünstc und Einlaßbitten zu Schanden werden lictz.
Auf dem Schlosse durch die endlosen Wagenreihen und Menschenschaaren glücklich
wiedcr angelangt, erwartete mich ein märchenhaster Anblick. Zwischen den himmcl-
hohen Bäumcn des Schloßgartens hingen an hohcn Stangen große electrische Glüh-
lampen, welche das dunkle Laub wie mit künstlichem Mondschein überflutheten; der
Thorwcg in den Burghof war mit brenncnden Pechfackeln garnirt, und aus dem Thore
trctend, lag der ganze weite Schloßplatz, umragt von dcn malcrischen Ruinen des
stolzen Gcbäudes und crfüllt von einer dichten festlich gcputzten Menge, in buntestcr,