1.
BernMwortUScr und Chef-Rcdacleur: August SchmitS Küt».
Berlcgcr uud Drucker: M. DuMout-Schuuberg i» Köl».
Expcditio->: Brcitcstratze 7!>. 7>j.
L^orrstrlrsir irr, Lrisltrircls: I-on,I»„ Stogld, ÜN I-inio Ltroet;
Duvios L t!o., t, !'!,.«-!> I.uuo. Oocubill; doucio L Ön. 17 (tresliuin 8tr.;
II. vöi lc L Lo-, 181 u I.o»<ion V»II; 6. Stroet L Lv., 80 LoruIiiU; II,»I. LIossv,
Il!/18 >,!:»<>>> Viotori» Ltr.i -Ivli» I'. 8»„vs L »., 188 I'Ioc! 8trcot. !lli»i-
elii-sler L. I.iu^I L vn., lit Snutli Xing 8tr. I«ivcr»nol SoIioII «L LlnSon 811
koutli Lsstlv 8tr. liivu N. Vultvi-, Lvliulvrvtr. l—3. .tttie» 'I'Ii. t'U. Xviiuvlcis.
^ Vou dcr Jnbelfeier der Hochschule vou Hcidclberg.
Das dars ich ivohl sagen und mag es nicht verschweigen: ein
alter Student und vieljähriger Wanderer in sremden Landen, der
Heimat halb entfremdet, feire ich hier mein eigenes inneres Jubel-
fest dadurch, daß ein sreundliches Geschick mir verstattet hat, Zeuge
dieser schonen und erhebenden Festtage zu sein. Denn sie ist wirk-
lich eine Hma mntor, so eine deutsche Hochschule, und wer nach
längerer Abwesenheit wieder einmal in Berührung tritt mit dem
eigentümlichen Geiste, der diese Stätten stiller Denkerarbeit durch-
wcht, wer noch einmal mit den Priestern und Jüngern dieser Hoch-
warten der Wissenschast engern Verkehr pflegen darf, den muß es
Leschleichen, wie wenn er nach langcr Trennung Einkehr halte bei
einer geliebten und verehrungswücdigen Mutter. Und darum thut
es gut, einmal sich draußen in der Welt umgesehen zu haben, weil
das erst den rechten Biaßstab gibt, um dcn Wert und die Bedeu-
tung des Wesens und der Schöpfungen der eigenen Nation zu
schayen. Wenn man die Lebemänner und Politiker der italienischen
Hochschulen geschen hat, wenn mnn sich erbaut hat an der theatra
Üschen Schönrednerei des Pariser Professors, wie unendlich höher
rückt dann der deutsche Gelehrte trotz der Stubenluft und der
fleinen Kryptogamen, die sie gern in Gehirn und Gemüt erzeugt,
mit seiner sein ganzes Wesen durchdringenden H-ngabe an seinen
Beruf, mit seinem selbstlosen Eiser, das eigene Wissen zu mehren
wie daS der andern, mit seinem innern Reichtum gegenüber der
rührenden Anspruchslosigkeit in äußern Dingen! Und welcher Kern,
welch frühreifer Humor in unserer akademifchen Jugend, trotz ihrer
echt germanischen Zerfahrenhsit und ihrem übertriebenen Biercultus,
gegenüber den trockenen Schleichern, die in den Hörstilen Jtaliens
Bänke und Wände mit obscönen Darstellungen bedecken, und den
ausgemergelten Wüstlingen des (^um-tier lutüi! Es mag sein,
daß der italienische und französische Student fleißigcr die Vor-
lesungen besucht und mehr Ordnung und Plan in seinen Studien
hült als der deutsche; aber seine Unteriveisung ist dogmatischer Art
und seine Lebensanschauung philistcrhaft; zur Selbsthülse und zum
Gefühl der eigenen Vernntmortlichleit wird er ebenso wenig ange-
leitel wie zur selbstthätigen Methode in der wissenschaftlichen For-
schung, und im Leben wie im Denken fchlt ihm das Jdeal. Und
darum bezeuge ich mit unendlicher Genugthuung die Freude, die
mir dieser Äufenthalt in der Musenstadt der alten 5kurpfalz be-
reitet. Ob in der in freisinnigstem Geiste verwaltetcn Bibliothek
der Hochschule die Aufmerksamkeit des vorsorglichen obersten Leiters
mich°bei meiner „Prüparation" für die Berichterstattung mit einem
schier unübersteiglichen Walle von Büchern umgab, ob ich in der
stcklen Stube des Gelehrten bei nächtlichcm Gespräche Schütze der
Gclehrsamkeit gegen allerlei Welterfahrung austauschte, odsr ob
ich in phantastisch geschmückter Kneipe daS Herz an den Scherzen
jugendlicher Zechgenossen erwäimte, überall verspürte ich den An-
Hauch eines frischen und freien Geisteslebens, wie man solches
außerhalb unseres VaterlandeS vcrgeblich suchen würde.
Wie gern schweift von einem solchen Nuhepuncte, wie eine fünf-
hundertjährige Jubelfeier ihn darstellt, der Blick in die Vergangen-
heit zurück, 'um die Fülle von geistiger Arbeit, von schwerem Ringen
und von gewaltigen Wandlungen zu überschauen, die sich an den
Lebensgang einer solchen Hochschulc geknüpft hat. Aber das würde
einer Wanderung durch ein «Hochgebirge gleichen, bei der jeder
mühsam überwundene Gipfel die Aussicht auf neue Fernen und
auf fernere Höhen eröffnete. Es wird der Daistellungsgabe des
Festredners anheimfallen, dieses Gemälde in großen Strichen vor
den versammelten Festgenossen zu entrollen. Ein Gemaßregelter
und Ausgewiesener der „hinterwürtigen" (rcactionaren) fünfziger
Jahre, als welcher er sich diesmal mit seinem Schicksalsgenossen
Bloleschott beim Feste begegnet, hat Kuno Fischer die allerpersön-
lichste Kenntnis von geistigen Kümpfen, von Niederlagen, Leiden
und endgültigen Siegen, wie sie sich auf diesem Tummelplatze
wissenschaftlicher, religiöser und politischer Leidmschaften in den
wichtigsten Uebergangszeiten der deutschen Gesittung abgespielt haben,
und sein Vortrag wird voraussichtlich das Fest mit gewaltigeu und
die Stimmung beherrschenden Accordschlägen eröffncn. Eine aus-
reichmde Vorstellung aber von den gewaltigen Wandlungen in
Geist und Verfassung, die diese altehrwürdige Hochschule im Laufe
der Jahrhunderte, vom Zeitalter Ludwigs des Baiern an bis auf
unsere Tagc durchgemacht hat, kann man schon aus der gelegentlich
dieser Feier erschienmm Schrift: „Die Anfänge der Universität
Heidelberg" von I)v. A. Thorbecke schöpfen. Da ersteht dieses
„Generalstudium" unter der Aegide des alten Haudegen Nuprecht I.
war, aber alS ein Gnadengeschenk des römischen Pontifex. Der
urfürstliche Gründer betrachtet sein Unternehmen -hauptsächlich als
ein Wer! der Gottseligkeit und als eine sromms Stifung; das
Recht der Lehre ist eine Abzweigung und Uebcrtragung der der
Kirche von ChristuS anheimgegebenen Gewalt über jegliches Wissen-
Die wirtschaftliche Seite des Haushalts der neucn Anstalt ist ganz
auf Psründen und kirchlichs Erträgnisse gestellt; ein reich ausge-
stattetes Stift umgibt und stützt die Anstalt. Die damals die
Kirche erschütternden innern Streitigkeitm wirken sogar nnmittelbar
fördernd auf das Aufblühen und die Geistesrichtung der jungen
Hüchschule ein; die durch das Schisma veranlaßten Beunruhigungen
der Pariser Universität schenken ihr den ersten Nector in der Person
des Marsilius v. Jnghen, ehemals „Canonicus und Thcsaurarius der
St. Andreaskirche zu Köln"; ihre Parteinahme für Urban VI. im
Gegensatz zu dem in Avignon residirendm französischm National-
papste drückt ihrer Haltung in kirchlichen Dingen von Anfang an
einen ganz besondern Stempel auf. Und so erstand sie gewisser-
maßen über einem Grundriß in Kreuzform, ein in echt germanischer
Stilweise gedachter Bau, mit kühnen, hohen Gewölbm auf schlanken
Säulen und herrlich verzwicktem Beiwerk von Strebern, Fialen
und Maßwerk. Gebliebm ist von alledem der Geist, der zu allen
Zeiten über die Freiheit der Lehre und die Gemeinsamkeit von
Lehrmdm und Lernmdm gewacht hat, aber im übrigen, welcher
Wandel und Wechsel von den Grundlagen an bis zu den baulichen
Formen und schmückenden Zuthatm!
Die Jubelfeier selbst aber wird ihres Gegenstandes nicht unwür-
dig sein rmd gleich einem vielfach facettirten Krystall die verschiedenen
Seitm desselbm znrückspiegeln; sie wird im gravitütischen Pnmk-
gewande einherschreitend in feierlichen kirchlichcn und amtlichen Hand-
lungen die Bedeutung der Jubelgreistn für das geistige Leben unseres
Vaterlandes zuni Ausdrucke bringen; sie wird bei feierlichein Mahl
wie in muntern Zechgelagen und durch musicalisches Spiel in Knei-
pcn und Straßen daran erinnern, daß auf dm deutschm Hoch-
schulen allezcit um den Ernst der Arbeit sich eine reiche Ranken-
und Blütenflülle von Lebenslnst und toller Lustigkeit emporgemuuden
hat; sie wird endlich in einem prachtvollen lebenden Bilde, dem
großen Festzuge, die Znschauer unmittelbar in den bunten Wechsel
der Zeiten stellen und Trachten führm, welche diese alte Hochwarte
deutscher Gesittung überdauert hat. Am Montag den 2. Angust
beginnen die Festlichkeiten damit, daß die Vertreter der Stadt
Heidelberg in der aus städtischen Mitteln hcrgestellten Festhalle den
geladenm Gästen einen feierlichen Empfang bereitm. Am folgen-
den Tage wird am Abend der Roetor iinaK'nitiesntiLsimns der
Universitüt, Seine 5königliche Hoheit der Großherzog, Gsstgcber
sein in dem zu einem mürchenhasten Feste mit Empfang, Buffct
uud bengalischer Belmchtung hergerichteten Schlosse. Zuvor aller-
dings, am Morgen dieses zweiten Festtages, wird die I.lmu mator
selbst ihrerseits das Fest in der Heiligengeistkirche mit einem Dank-
gottesdienst und in der Aula mit dem Austausch von Begrüßnngen
zwischm Universität und Abordnungen eröffnet haben. Der dritte
Tag bringt sodann die Festrede; dieser folgt ein Liebesmahl der
^.lum motsr und ihrer vornehmstcn Güstc, zu dem die Gesell-
schaft „Museum" ihre Räume leiht, und am Abend ein dem
lioetor imtAnitiesntissimus gewidmeter Fackelzug. An dieses
Aliegro schließt sich sodann ein stilleS Andante in Gcstalt dcr
Ehrenpromotionen am Donnerstag; und nach diesem Familien-
feste der Universität folgt vom Freitag an eine wahre Hochflut
glänzmder Feste; der Festzug mit seiner schier unübersehbaren Bilder-
pracht — der handbreite Papierstreifen mit der Federzeichmmg deS
Znges von H. Kley mißt sünf Meter in die Länge —, ein allge-
meiner Commers der Festgäste unter Amvesenheit des Großheezogs,
von der gesamten Studentenschnft dargebotm, ein besondsrcr Com-
merS sämtlicher Studirenden, eine Beleuchtung des Schlosses am
SamStag Abend und, alS ganz neue Zuthat, ein Schloßfest am
Sonntag, belebt und erhöht durch die Beteiligung der Gestaltm
des Festzuges. Drei smd die Veranstalter und Gastgeber der ganzen
Feier: die Hochschule selbst, diesmnl Arm in Arm mit der untcr
der Aegide des erlauchten Uoctoi' vmg'niticLiitiLsimus handelnden
.Landesröaierung, die städtische Gemeinde und zum dritten die BÜr-
gerschaft, >.die für den Festziig ej^.ge 70 000»// aufgebracht und die
Veranstaltirng desselben öurH emen Ausschuß auZ ihrer Mittc be-
triebm hatX Die Gäste de^estes abcr, die geladenen sowohl durch
ihre die sreiwilugm dürfen mit
der M,tii:!r-'ö-> - jhrer Unter-
Abomiemcüesprt'is; i» Kcl» 7.«, i» Dciitichlaiid g.« »i>'rleljäl,r!g.
Aiizcigc» >!tt Ps>,. die Zcile odcr derc» Ra»»i. Ncclaiiic» I.ött bis
F»r die Ausiiahme voii A»,,ci>icn a» besiimmt voracschricdcnei, Tagen Ivu
kcine Bcraiilwortlitl-keit »bcrnomiiicii.
Lin H.-rvr>8,8 I'Iueo 6s la
^01108 L C-o., i'ldlkt, K. 6.1''ruiI)0N> ^ ÄleTnininvtro; linrl. 28 linc
I^ebdxne L Oo. irnUt'N ulio (lontsolte.n i;nol>l,an<ll.
weisung und persönlichen wie sachlichm Sicherheit und Bequemlich-
keit sowie für die jedem Deutschen so sehr am Herzm liegmde
Wohlfeilheit der Preise sind Vorkehrungm ganz unübertrefflicher
Vorsorglichkeit getroffen, eine Fürsorge, die am Bahnhofe beginnt
und erst bei der kleinen Leuchte der Nacht aufhört. Und was mit
ganz besonderm Nachdmck hervorgehoben und sämtlichem dmtschm
Philisterium in Nord und Süd zur Jlachahmung empfohlen wer-
dcn darf, das ist die verständnisvolle und sich bis auf die scheinbar
nebensächlichsten Dinge erstreckende Sorge, mit der sämtliche lei-
tenden Kreise sich bemüht haben, den geplagtesten Teilnehmern der
Feier, nämlich den zur Berichterstattung bestellten, die in der Zahl
von fünfzig etwa angemeldet sind, ihre dornige Aufgabe zu erleich-
tern, ihnen mit Rat, Unterweisung und Hülfe jeder Art zur Hand
zu gehen, ihnen die möglichst günstigen Gelegmheitm zu persön-
licher Beobachtung der Vorgänge zu bieten, und schließlich, was
nicht grade nötig, aber auch gar uicht vom Uebel ist, ihnen das
Leben so angmehm zu machen als möglich.
A u s st c l l n n g s b r i e s c
Vvn Pe.ul Liiidau.
Deutsche Landschaften und verschiedene Bilder von
fremdländischen Malern.
Berlm, im Juli.
Unter den Landschaftern treten außer den beiden ihres ErfolgeS
immer sichern Achenbachs diesmal in der deutschen Abteilung vor
allem Baisch nus Karlsruhe, Dücker und Munths aus Düsseldorf,
Flickel und Hertel aus Berlin, hervor. Hermann Baisch zeigt zwei
hervorragsnde Wsrke: ein Strandstück — Schiffer auf mächtigen
Gäulen, halb im Wasser, die mit Anspannnng aller Kräfte, vom
Gijcht umspritzt, ein Schiff ans Ufer schleppen — und eine heiße
Waldlandschaft. Beids Bilder sind vorzüglich in.ihrer Wirkung.
«Hier die heiße trockene Schwüle mit den regnngslos dastehenden
Bäumen und dem schwerwandelndm Hornvieh, das heiße Sonnen-
licht, das den waldigm Schatten mit hellen Lichtern betupft, dvrt ein
grauer Himmel über dem grauen Meere, eine feuchte frische Luft; hier
Schwere und Trägheit, dort Anstrengung und frische Arbeit; hier
der sommerliche Farbenglanz dcs Waldes, dort die schwermütige
Einförmigkeit der See.
Auch Eugen Dücker bietet uns ein Seebild, ein Stück vom
Rügener Strande. Es ist das Meer in seiner majestätischen Oede,
in seiner ruhigen großartigm Trostlosigkeit. Der weite graue
Wasserspiegel, der in der Ferne einen helllmchtendm Glanz an-
nimmt, dehnt sich ins Unendliche. Vorn am Strande graue Stein-
kolosse und kleinere graue Kiesel. Alles traurig und tot. Als
eiuzige Verkünderinnen des Lebms schwingen sich einige Möwm
mit breit ausgespannten wsißen Schwingm übsr das Wasser. Das
vorzüglich gemalte Bild macht einen tiesen Eindruck.
Dasselbe gilt von den ausgezeichneten Landschaften von Ludwig
Munthe, namentlich von dessen herbstlichem Bilde: ein Birken-
walde mit Kühm. Das Gemälde hat einen ganz eigentümlichen
poetischen Neiz, »ran möchte fast sagen, etwas Phantastisches. Es
ist der graue senchtkalte Herbst mit seinem unsagbar schwermütigen
Zauber. Dabei ist das Bild von mcisterlicher Schönheit in der
Malweise.
Sehr schön nnd ansprechend sind auch die beiden Landschaftm
von Paul Flickel, die in der ganzen Auffassung und Ausstchrung
viel Gemeinsames habm und auf den ersten Blick erkennen lassen,
daß sie von demselben Maler herrühren. Auf dem einen sieht man
durch eine Waldeslichtung auf die See. Das Sonnenlicht füllt
durch die dichten Blütter der urkräftigm Vuchen und Eichen in
anmutiger Willkür auf die Stämme und auf dsn Boden. Aus
dem Dickicht ist ein Hirsch hervorgetreten nnd späht vorsichtig um
sich. Auf dem hellm Hintergruude erscheiut er tiefdunkcl. Jn der
andern sonnigern Waldlandschast bildm Kühe die Stafsage. Die
Bilder sind vortrefflich gezeichnet und gemalt.
Die Landschaften von Albert Hertel wirken besondcrs durch dic
Großartigkeit der Auffassung und das edle Pathos des Vortrages.
Sie sind in demselbm gehobenen Stile gehalten, wie die des
Karlsruhers Schirmer und des Weimaraners Preller. Deshalb hat
Hertel auch das Figürliche, mit dem er die Landschasten belebt hat,
nicht dem Kreise unserer niedern Wirklichkeit entnommen. Jn der
einen erblickm wir die heilige Familie auf der Flucht nach Aegyp-
ten, in der andern sagenhaste Göttergestalten des Altertums.
Merkwürdig fesselnd sind auch diesnml die Landschnften von
H. v. Schennis, Düsstldorf, der wiedermn seinen Lieblings-
vorwurf gewählt hat: einm herbstlichen Park mit bemoostem Spring-
brunncn; auf dem stehenden Gewäffer schwimmen abgefallme Blätter:
es ist die dem Absterben überlassene Pracht der Natur. Die Bilder
sind zwar etwas anspruchsvoll in ihrem Austretm, aber sie haben
doch einen seltsamen Neiz der Farbe und der Stimmung.
Unter den Oesterreichern tritt uns Emil Jacob Schindler als
ein außerordentlich vielseitiger uud bedeutender Landschaster ent-
gegen. Die Gemüsegärten mit ihren riesigen Kohlköpfcn sind von
einer wunderbaren Echtheit. Wir habei? beim Betrachten dieser
Bilder lebhaft eines Wortes von Blaise Paseal gedenren müssen,
der die Malerei als die „Eitelkeit aller Eitelksiten" bezcichnet, da
sie sich anmaße, uns Schönheiten an Dingen zu zeigen, die in der
Natur selbst gar nicht schön seien. Aber es ist eben der Vorzug des
wahren, mit besonderm Seh-vermögm begnadeten Künstlers, geheim-
nisvoll verborgene Schönheitm zu mtdeckm und durch die künst-
lerische Wiedergabe uns zu enthüllen. Ganz anders ist die Stim-
mung ßin einer andern hervorragendm Landschaft Schindlers: ein
Stück aus dem Hochgebirge, bei Regen und Sturm, düster und
feierlich, bei dessen Betrachlung man umvillkürlich an die große»
holländischen Vceister sttuysdael und Hobbema gemahnt wird.
Ungeniein reizvoll, von tiefer poetischer Auffassnng, ist das
Praterbild „Novemberabend" von August Schaeffer. Aus dem
dunkeln Walde mit seinem dichten, schon entlaubten Unterholz, der
oie trauernde Farbe des Herbstes angelegt hat, sinv die Rehe
herausgetretm, um zu äsen. Einige beschnuppern und bcnagen den
Boden, andere sind in das Wasser getreten und stillen ihren Durst.
Die Luft ist meisterlich gemalt.
Auch in den der fremdländischm Malerei angewiesenen Räumen
sindcn wir Landschaftm hervorragender Art, die bei unsercr
Musterung der Hauptwerke nicht uiierwühnt bleiben dürfen. Und
da wir auf diese Weise zu denjmigen unserer Gäste, dmen wir
bis zm Stunde unsern Besuch noch schuldig geblieben sind, geführt
werden, wollen wir deren nnmhafteste Bilder hier gleich mit kurzen
Worten verzeichnen.
So sind dieLandschaftm von Gugliclmo Ciardi (Venedig) von
großer und mächtiger Wirkung, ernst in der Anschammg, ohne allen
Firlefanz, ohne alles Blendwerk in der Aitssührnng. Vortrefflich
ist in dem Bilde „Frühlingswolken" der graufleckige Himmel, der
auf dem hellgrünm Wasser in mutmilligm Lichtern widerspiegelt.
Das flimmert nnd schillert und glänzt im echtm Frohsinn der
italienischen Landschaft.
„Meeresidylle" nennt Benedetto Knüpfer in Rom sein höchst
anziehendes Bild. Die sich aufbäumenden Wellen in ihrer Hellgrünm,
gletscherhaften Fürbung mit den weißlich schaumigm Kümmen sind
ganz prächtig gemalt, und die phantastischen Weiber, die mit
Delphincn in den salzigen Flutm herumtummeln, ungemein anmutig
und poetisch.
Francesco Michetti erfreut uns durch ein ganz eigmartiges und
fesselndes Gemälde: „Jm Seebade". Michetti gehört zu den Son-
derlingm in der Kunst, aber zu denen, die wirilich etwas, ja, die
sogar sehr viel können. Sein Bild hat etwas umvillkürlich Be-
zwingendes. Alle die badendm Figürchen sind ungemein lcbendig
und liebreizend: Urahne, Großmutter, Mutter und Kind, wie sie
da in traulicher Vereinigung lustig zusammmplätschern. Es ist ein
ausgelassenes, frisches Treiben. Nur fragt mau sich: aus welcher
Entfernung soll man das Bild betrachten? Tritt man nahe heran,
um sich an den liebenswürdigen Einzelheiten, namentlich an den
reizendm Köpfchen der Badmden zu erfreuen, so weiß man nicht,
was man mit den knalligen gelben Farbmklecksm, die als Wider-
spiegelung des Lichtes auf dem tiefblaucn Wasser hingeschmiert sind,
anfangen soll; cntfcrnt man sich weit genug davon, um zu sehen,
waS der Maler mit dieser farbigm Schrulle eigentlich hat sagm
wollen, so büßt man wiederum die Freude ein, welche die genaue
Betrachtung des Figürlichen gewührt. Aber trotz des Barocken,
das diesem Bilde anhaftet, ist es doch ungemein interessant und
talentvoll.
Allerliebst ist die „Stille Betrachtung" von Ettore Tito (Vene-
dig). An die Brüstung der Mauer gelehnt, die daS Eiland vor dem
Anprall der Meereswogen schützt, steht eine kleine Jtalimerin in
der reizvollen Frühlingsüppigkeil ihrer Heimat. Ein entzückcndes,
echt venetianisches junges Müdchen. Man sieht eS ihrem ansck^
nend arglosm Gesichtmganz dmtlich an, daß sie sich betrachtet wc
In cinigerEnL^M^ von ihr, ebenfalls auf das Gcmäuer
stützend, steht in der That ein junger Mann, der das Mädchen
nicht aus om Augen täßt. Kein Zweifel: es bereitet sich eine
Anbändelung vor, und die Entfernung, welche die beiden noch trennt,
wird bald verschwinden. Vielleicht haben sie sich auch schon srüher
gekannt, vielleicht geschmollt; dann werdm sie sich eben versöhnen.
Kein Zweifel, sie werden sich finden. Das Bild ist allerliebst.
Die Bilder von Francesco Vinea, Florenz, „Sehnsucht" und
„Plauderei" genannt, sind ebenfalls ausgezeichnete Werke, frisch in
der Auffassung und lebendig und keck in der Farbe.
Von dem Spanier Jose Jimenez y Arand a ist ein sehr be-
zeichnendes Gemälde ausgeftellt: ein Stierkampf. Wir sehen in die
dichibesetzte Arena. Der Ausdruck des Entsetzens und der Neugier
lagert auf allen Gesichtern. Jn der uns zunächst liegenden Schatten-
loge wenden sich die zaghaften Frauen erschrocken ab und verbergen
ihr Gesicht hinter dem Fächer. Weniger Empfindliche bsugen sich vor,
nm in die Arma hinabzublickm. Da treibt ein Pferd ohne Neiter.
Kein Zweifel, der Stier hat dm Reiter aufgmommm. Das Bild
ist sehr gcschickt in der Gruppirung und krästig in der Zeichnung
der einzelnm Gesichter.
Von schönen nackten Gestalten haben wir außer dem „Elegie" ge-
nannten Gemälde unseres Landsmanns Ferdinand Schauß das
Bild „Der verliebte Löwe" von A. Weiß in Paris zu neunen.
An das mächtige Tier schmiegt sich ein junges Mädchm von lieb-
reizcndem Ansdruck und edelster Schönheit der jugendlich schlanken
Formen: die Löwenbraut. Aber nicht die von Chamisso. Vergeb-
lich wird man nach dem „Schmnck der Myrte" und dem „Braut-
geschmeid'" spähen. Unsere Schöne ist vielniehr so vollkommm
nackt wie nur irgend denkbar. Aber auch hier schaut der Gewal-
tige, wie bei Chnmisso, „fromm und verstündig zur Herrin" enipor,
und „die Jungfrau zart und wonnereich" liebstreichelt ihn sanft.
Jn der belgischen Abteilung crregt vor Allem schon dnrch
scine Aeußerlichkeit, durch den bctrüchtlichm Umfang und die sonder-
bare Anordnung der Vorüberzug der kleinen Schulmädchen vor
dem belgischen KönigSpnare bei Veranlassung dcr silbernen Hoch-
zeitsseier im Jahre 1878 von Jan Verhas die Aufmerksamkeit
der Besucher. Das Bild ist offmbar aus BesteÜung gemalt wor-
den und die dem Künstler gestellte Aufgabe ist keine leichte ge-
wesen. Jm Vorderraum des Schlosses, zu dem die von zahlreichm
Kränzen und Blumen jetzt fast verdeckten Stufen einer breiten Frei-
treppe aufführm, stehen der König und die Königin, von ihrem
Hofstaate umgeben, und vor ihnen bewegt sich nun der nnabsehbare
Zug der Schulkinder verüber. Jn diesem Augenblick sind grade
die reizmden ungefähr zwölfjührigen Müdchen etwa aus der dritten
Classe einer sehr höheren Töchterschule im Vordergrunde, geführt
von ihrer „?Nadcmoiselle". Sie sind allesamt sehr sorgfältig und
geschmackvoll angezogen und setzen ihre kleinen Füßchen, die in
ganz neuen Stieseln stecken, hübsch aiiswürts, wie eS wohlerzogenen
Kindern aus guter Familie ziemt. Die einzelnen niedlichm Ge-
sichter sind vortrefflich gemalt, uud es mögen gewiß fünfzig bic
sechzig Portraits sein, die dsr Künstler zu dieser mühevollen und
eigentlich doch recht undantbaren Arüeit gefertigt hat. Der crste
Eindruck des BildeS ist ein überraschmder und günstiger, aber nach
einiger Zeit muß man sich doch wohl sagen, daß dieser Vorwurf
sich für den Holzschnitt einer illustrirten Zeitung besser geeignet
hütte, als für die ansprnchsvollste künstlerische Ausführung; und
man hat cin gewisses Gefühl des Bedauerns darüber, daß für
biesen Zweck eine solche Summe künstlerischen Vermögens hat ver-
ausgabt werden müssen: denn die malerischm Eigmschaften dieses
Gemäldes sind sehr bedeutend. Es hat etwas ungemein Frisches, Lus-
tiges; man hat die bestimmte Empfindung, daß nian einem Vor-
gange zuschaut, der sich wirklich untcr freiem Himmel abspielt.
Nirgends empfindet man den Druck der Werkstatt. Dieselbe Em-
psindung gewährt auch das andere Gemälde von Verhas, das Bild
eines niedlichen kleinen Mädchens, das auf der Landungsbrücke
eines Seebades mit aufgesvanntem Schirm hübsch artig dasitzt nnd
auf das Meer blickt. Dieses amnutige Bilv wäre vielleicht noch
liebmswürdiger geworden, wenn der Künstler demselben etwas be-
scheidenere Verhältnisse gcgebm kätte.
Auf der höchstm Stufe der belgischen Malerei scheint nach dieser
Ausstellung die Landschaft zu stehm. Außer den vorzüglichen Ge-
mäldm von Edmund de Schampheleer, der diesmal ein Herbst-
bild und die User des al'ten Rheins bei Leyden ausgestellt hat —
Bilder, die dieselbm Vorzüge besitzen, die wir schon oft bei diesem
trefflichen Maler haben bewundern können, nammtlich die weiche,
feuchte Luft —, und Gnstav ten Duyts, der imter dem Titel
„Schmelzender Schnee" eine sehr poetische Landschaft in Abend-
stimmung geschickt hat, zeichnet sich in unserer Ausstellung Franz
CourtenS in Brüssel ganz besonders aus. Das Landschaftliche
und das Figürliche ist in seincm Bilde, „Nückkehr vom Gottes-
dienst", gleichermaßm hervorragmd. Es ist ein Ernst, eine Nuhe
in diesem Bilde, die aus jedermann einen unbeschreiblichen Zauber
ausüüt, und wir nehm.m nicht Anstand, dieses meisterlich genialte
Bild den allerbesten der jetzt ausgestelltm 5kunstwerke beizugesellen.
Aus der skandinavischen Abteilung, die uns nicht mehr ganz
unbekannt ist, haben wir noch ein sehr schünes, bisher unerwähnt
gebliebenes Gemälde, „Beerdigung" genannt, von dem Dänen Franz
Henningsen hier anzusühren. Der Zng der Leidtragenden ist
zum größten Teile schon durch den engen Eingang in den Kirchhof
eingsschritten; wir sehen nur noch die letztm, die dm Toten zur
Ruhe begleiten. Das graue, trübe Licht des unfreundlichm Tages,
die öde Kirchhofsmauer, die unfreudigen Geftalten, die mit völliger
Wahrheitstreue künstlerisch wiedergegeben sind, geben diesem in
edler Einfachheit gchaltenen Bilde etwas tief Ernstes und Schwer-
mütiges. Das Bild hat in Wahrheit „Stimmung", wie man zn
sagen pflegt.
Damit wollen wir die Besprechung der Bildsr, die kaum über-
sehen werden dürftm, abschließen. Wir behalten uns nun noch
vor, zwei besondere Arten von Gemäldm: die SchrcckenSbilder und
dis bescheidenen und anspruchslosen Bildchen, Werke der Klein-
malerei, oder Leistungen von wenig bekannten Künstlern, etwas
näher ins Auge zu fassen; und wmn wir dann noch unter den
Gemälden in Wassersarbm, den Zeichnungen und Radirungm und
den Bildwerken Umschau gehalten haben werden, müssen wir die
uns gestellte Anfgabe als erledigt betrachten. Nicht ohne ein ge-
wisses Gefühl von Beklommenheit, denn wir wissen sehr wohl, daß
gar vieles Erwähnenswerte unerwähnt hat bleibm müssm, daß so
manches Werk von Künstlern, die sowohl durch ihre allgemeine
Bedmtiing als auch durch das besondere Gelingen ihrer hier aus-
gestellten Arbeit voltberechtigte Ansprüche auf Beachtung erheben
durften, in unsern Aufsätzm uicht aufgeführt worden ist. Aber
man erwäge die Schwierigkeiten, die sich bei dieser massenhaftm
Ansammlung von tüchtigen und ausgezeichneten Kunstwerkm der
Besprechung entgegenstellen; und man wird selbst die stärkstm Unter-
lassungssünden mit Blilde und Frenndlichkeit bcurteilen.
v. k. Die Wiudspiele dcs Occans.
Schon befinden sich der Pionier unseres PostdampferverkehrS nach
Ostasien, der Reichspostdampfer Oder, und sein nächster Nachfolger
auf den blaum Wasscrn, und schon ist von der Werft des Bulcan ein
dritter für dmselben Dienst bestimmter Dampfer mit dem stolzen
Namm Preußen in sein nasses Elmimt hinabgeglittm, um sich seinen
Vorgängern würdig anzuschließen und ebcnfalls die dmtsche Handels-
und Po'stflagge im serncn Osten zu entfaltm. Diese Säflffc gehörcn
bekanntlich dem Norddmtschm Lloyd in Bremeu, iu dessen Berwal-
tung und Leistuiigsfähigkcit der ReichSkanzler das Bertrauen gesetzt
hat, daß cr vor allcn Mitbewerbern geeignet sei, dem Interessc des
Rcichs um die Förderung der deutschen HandelSbcziehungen mit Ost-
indien, China und Australien am ausgiebigstm gerecht zn werden.
Nachdcm in TageSblättern, Festrcdcn u. s. w. die handelSpvlitischen,
geschäftlichen nnd persvnlichm Gründe ausrcichend crörtert sind,
warum der Reichskanzlcr die Bremer Gesellschaft niit seinem Ber-
trauen beehrt hat, mag hier noch eine Seire zur Erörterung gelan-
gen, wclche nicht weniger bestimmmd aus die letztm Eutschlüsse der
Reichsregierung eingewirkt haben wird. Wir meinm die in seemän-
nischer Bcziehuiig hervorragende Stellung, welche die Bnuhcrren und
Führer der Lloydschiffe im Laufc der Zeit sich errungm haben, und
zwar gegeuüber der seemännisch am meisten entwickelten Nation
Europas. Trotz der überwiegend möchtigern Capitalkraft der öielen
Liverpooler Reedcreien, trotz des gcscbüftlicheu Borsprungs der eng-
lischcn Seeleute in der Führung von Dampfern hat der Norddmtsche
Llvyd in Bremen sich dvch seit den 25 Jahren seines Bestehens nicht
aiiein zu eincm angcsehenen und gefürchteten Ncbmbuhler empor-
geschwungen, — mnn darf, ohne der Wahrheit zu nahe zu treten,
behnupten, daß seit einigen Jahren seine Schnellschiffe zu den belieb-
testen gehören, auf denen uicht allein die armcn, beschcidmm Aus-
wanderer Europas die Reise uach dem Lande ihrer Hoffnungen an-
treten, sondern auch die reichcn, nnspruchSvvttcn Itmerieaner ihre
Rundreise durch die Länder der altcn Cultur zu beginnen und zu
^eschließm lieben. ^
Es sicht nns ein reichcr Stvff
tstungen der verschicbencn Schiffe^^^ "
'iffahrtsgesclischaftm überseheim
ciue Nutcrsuchuug vonw'
Molln k'.
olloUeu.
Ijoixei-, vi?> Li-olokcko 26. -V'ixx.-l i;. U^elslittv L Oo. Xirt«Hz^vn O..
^Nl8ter<l:nu 8ovt1nl6l'Lo!le i;ncl>lläl§. 1totter<!kUl II. L van IljuuLr.
sciu, wem in dcm friedlicheu Wettbewerb um die Guust des Pubti-
cums die Pnlme des Siegers gcbührt. Borher müffen wir jedoch
einen Blick rückwärts wcrfen, weil stch die erziclten Leistungcn am
sicherstcn vvni Bodcn der gestellten Forderungm beurteilen lässen.
Dic Americancr spielen in der Geschichte der Entwicklung der
atlantischen Dampfschiffahrt eine cigentümlichc Rolle. Wnhrend vcr
ihrer Uuabhäugigkeitserklüruug im letzteu Biertel des vorigen Jahr-
hunderts der SchiffSverkehr mit ihrem Lande infolge der'cnglischen
dknvigationSacte Vvrwiegeud von der cuglische» Flagge bcsorgt wurde,
cntwickclt sich seit jeuem kritischcu Zeitpuuct iiud'uamentlich gegen
das Ende dcS erstcn ViertelS dieses IahrhimdertS auf americanischer
«eite ein immer dringendcrcS Bcdürfnis nach einer raschern Ver-
bindmig mit dem nlteu Mutterlaude. Dahcr siud die Nordamcrica-
uer die ersten, welchc schon ini Jnhre 1818 den mit ciner Hülfs-
maschine vcrseheucn Dreimaster Savaunah übcr den Ocean sendm
und damit dm Kampf gegen dic lnngsamern, wechselreichen Fahrtm
der Scgelschiffe eröffuen. Der Erfolg war freilich nur cin bediugtcr.
Der Dniupfmnschiucubnuer wußte noch nicht die auf deni Landc be-
währtc Maschiue deni Bedürfuis deS SeeschisfeS anzupassen, und die
Schiffbauer hntten sich noch nicht mit dcm Maschinenbauer über die
notwcndigcn Aoudcruugen im Bau des Schiffskörpcrs verständigen
können. Bis die Aiisgleichung der gcgcnseitigen Anforderungen auf
dem vorwiegcnd prnktischen nnd deShalb kostspieligen Wege des Ber-
suchs nnd öer Erfahrnng gefundcn wurde, verdoppeltcn die von
je her dcs beslen RnfS genießenden americanischcn Erbauer von
Segelschiffen ihrc Austrmgmigm, um dem bercits gcfiirchtetm, wcil
auf biimciiländischen Gewässern sicgrcichen Gegncr nicht auch den
Ocean überlassen zu niüssen, und schufen iu deu bcrühmteu Bosion-
und Baltimore-Ktippcru Schnellsegler, welche bis in die sünfziger
Jahre den Kampf gegen die Dampfer erfolgreich fortsührtcn. tlm
diese Zeit beganum die Englttndcr ihre Dampfer nns Eiscn zu
banen, uiid jetzt war nnt dcr Niederlage des Holzschiffbnues der
Sieg des Dampfes mtschiedm. Mau kauu deu Holzschiffeu so weuig
die seiueu lauggestreckteu Bauliuicn als dic vom Dampf gefordertc Ber-
baudstärke uameutlich dcs AchterschiffS gebeu, wo dic sich allmählich
üahnbrechcude Schraube an den Bcrbnnd der einzelnen Schiffsteile
die grvßten Aiiforderungm stcllt, nnd jetzt mnßten die Aniericaner
woht oder übel dcn Europäern das Fcld rüumen. Sie versnchten
freilich mit ihrcr Cvllius-Linie noch einmal den Wettbcwerb aufzu-
nehmcn, aber Unglücksfälle aller Art und besonders der ansbrechende
Bürgerkricg vcrcitelten allc hicrauf gerichtetcn Anstrmgungen.
Dcsto mchr gefielen sie sich in der Rollc, durch immer erhöhte
Ansprüchc an dic Bequcmlichkcit und Schuclligkeit dcr transatlanti»
scheu Dnmpfcr dic europäischeu Schiffs- und Maschinmbauer in Atcm
zu crhalteu. Hatteu vor Lem Secessiouskriege die aristokratischcn
Baumwolleubarone des Südens eS stetS vorgczogm, die Sommcr-
fahrtcu uach nud vou Europa auf ihren bequem eingcrichteten, rein-
lichen und sonntäglich stillen Segelschifsm zu machcn, welche zugleich
die Stapclausfiihrartikel ihrcr wciten Bcsitznngcn, Baumwolle, Rcis,
Tnbak, Zucker^, »ach Liberpool, Havre, Bremen, Haniburg brachten,
so empörten stch spätcr die Judnstric- und Eiseubnhnfiirsten des
Nordcns mit ihrcni ganzen Gefolge gegen den Gedanken, auf den-
selbcn gewöhnlichen, gcrnuschvoilen und vielfnch »nsoubcrn Auswan-
dercrschiffm mit ihrer zchn-bis zwölftägigeii Fahrzeit die Fahrt uach
und von Enropa zn machen. Bielmehr gipfclten sic in den siebziger
Jahren iyre Forderungeu in dem Berlnugen, iu besoudern Expreß-
schiffcu vou sechStngiger Fahrzcit über den Ocean zu reisen. Mag
auch der natiirliche'Wettbewerb dcr europäischen Gesellschaftcn noch
soviel beigetrngen haben, die Eiitwicklung des Dampfschiffs- und Ma-
schinenbnncs nach diescm Ziele zn ücschleunigen: die Formulirung der
Forderung in dem Ruf nnch „SechStagcdampfern" blieb den Amcri-
eanern vorbehalten. ist :
Mit dem Namen „Windspiele dcs Occans" (Oee.ou Ai-oz-llouucks)
bezcichnct mau nuu die seit Begimi der achtziger Jnhre in Fahrt
gesctztm sog. „Schnclldampfcr" zwischeu Liverpool odcr Bremcu und
New-Uvrk, welche iu stets wechseiuder Znhl au die Stelle der alten
seit 184.0 bczw. 1850 auf diesen Linien verkehrendcn Räder- bezw.
Schraubendampfer getretm sind und sich dnrch größcre Geschivindig-
keit nnd geringern Kohlmverbranch gcgen ihre Borgänger gar vor-
teilhaft äbheben. Eine größere AnfängSsponnung d'es DampfeS und
eine geschicktere Ausnutziuig seiner Spannkraft haben ihnen diese
Ueberiegenheit verschasst,- anßerdem sind ihnen die vermehrten Er-
fahrungm über die beste F-orm dcr Schiffskörper und das verbesserte
Material zum Ban der Schiffc und Kessel zugute gckommcn. Auf
kciner andern Dampferlinie trifft man ihres gleichmz wenn anch
die Bausysteme sich dort allmählich Eingang
Grvße, Eleganz und Geschwindigkeit der schwimmenden nordatlantu^^
Prachtbauten weder auf deu südatlautischen noch auf den indischs«
und ostasiatischen oder anstralischen Linien nur entfernt erreicht.
Es hat gradc ein Jahrhnndert gedauert, biS ihre Herstcllung ge-
lungen ist, cin Jahrhuudert crnstestcr Arbcit, ticfsten Nachdmkens
uud nie rastcnder Uuternehmungslust- nur einmal, freilich nn einer
kritischen Stelle, hat der Zufall oder, wenn man will, menschliche
Träghcit eine bnhnbrechende Jdee dazn geschenkt. Die ursprünglichen,
in den Bergwerken bereits eingeftthrten Dampfpumpm von New-
cvnicn bedurften einer stündige» Beihülfe durch eine Hand, welche
zwei vcrschiedenc Hühne, dnrch wclchc dcr wirkende Dampf in den
Cyliuder cinstrvnite und daS znr Verdichtung des Dampfs vcr-
brnuchte Wasser wieder ousfloß, in tactmäßiger Folge zu drehen
hatte. Eineni dazu augestellteu Juugcu namcus Pottcr wurde
diese Arbeit zu langweilig uud er vcrbnnd lieber den auf- und nie-
dergehcnden Balancier des Pnnipeiigestäuges durch zwei Schuüre
mit dcn beiden «Hähucn, so daß vou uuu nb die hiu- uud hergehcude
Beweguug des BalnucierS die Ocffuuug und Schließung der Hähue
sclbsithätig verrichtctc. Damit war dcr Grnudsatz der sclbständigm
Steurung der Maschine erfunden, welche scitdem immer wciter aus-
gedchul uud Vcrvottkvmmuet wurde.
Eine zweitc wesentliche Verbesserimg, durch ivclche dic Einfiihrung
der Dampfmnschiuc auf Schiffen ermöglicht wurde, brachte Watts
Coudmsntor. Bis nuf James Watt verwnndte man deu Dampf in der
Art, daß er den Kolben im Cylinder in die Höhe heben nmßte, ver-
dichketc darauf den Dampf durch eingespritztes kaltes Waffcr und
ließ dic atmosphärische Luft den Kolben durch den nuu ini Cylinder
entstaiidenen leeren Rauni wieder hinimtertreiben. Durch diesqs knlte
Wasser wurde aber der Cylinder stets bedeutmd abgekühlt, so dnß
nunmehr viel mehr Damps, als der zu leistenden Arbcit entsprach,
dazn gehörte, nm den Kolbcn bon neueni in die Höhe zu treiben.
Watt ließ »un dm Danipf, iiachdem der Kolben gehoben war, aus
dcm ArbeitScyluider in eineu zweiteu Cylinder uebciian treteu, um
ihn hier zu verdichte», iniolge dessen der ArbeitScylindcr nicht mehr
wie früher abgekühlt wurde, also der Dampf- d. h. der Kohlenber-
brauch eingeschränkt wcrden konnte.
Watts Erfindung des abgesondertcn Cvndensers oder Berdichters
ist der belebende Gedanke für die spätern großen Bcrbesseriingcii der
SchiffSmaschinm geblieben. Eine erste Fvlge war die Anwendung'
der Expanston des Dampfes, indem man ihrer Kraft es überließ,
den Kolben dnrch den übrigen Teil des WegeS zu treiben, nachdem
der direct eintretende Dampf ihn etwa durch den halbeu Cylinder
gedrängt hatte. üLchon in dcn sünfziger Jahren dieses Jahrhiindcrts,
machtcn sich die Dampfer diese Erfindnng zu nutze, welche eine er-
hebliche Ersparnis im Kohlenvcrbranch eintreten zu lasscn gestattete.
Dazu kam in den scchzigcr Jahreu die Eiuschaltung eines zwciten
— Nicderdmck-Cyiinders — zwischen dcm ersten Hochdruck-Cylindkr
und dem Berdichter und dnmit eine weiterc Ausbeutuug der irizwi-^
schcu gesteigerteu Aiifaugsspaiiiiung dcs Dampfcs iu den svgen.
Bei-buudmnschinen und eiuc ucue Abuahmc dcS Kohlcuvcrbrauchs.
Endlich fiihrte iu imserm Jahrzehnt zuerst Schichau in ElbiugB«'.,
Eiuschaltuiig noch eiues drittcu — Mitteldruck-Cyiinders — hinter' d
ersteu Hochdruck- und dem Hiuderdruck-Cyliuder ein, uud erfm^cha
mit dcu jctzt immer bcliebter werdendcn Typ der dreifnchea Expau-
siousmaschuieu mit ihrem wuuderbar ruhigcu Gang^ntid fabelhaft
geriugen, biS nuf cin drittel und ein biertel gegen friiher abgemin-
dcrteii Kohlenberbrauch.
Mit diesen verbcsserleu Berbuudmaschiueu uud zum gcrinacn
Tcil mit den dreisachen Expanstousmaschiucn vou Schichau siud
unscre „Wiudhuude des Oeenus" vcrsehen, welche damit alle bis-
herigeu Erfahruugcn hiutcr sich lassen und dic vor zchuFahren noch
übermütig uud verfrüht crscheiucudc Fordcrung der Amcricauer unch
„Scchstagcdampferu" sozusagen ersüllt haben. WaS noch fehlt, wird
uachfolgeu, sobald die Dampfer erst allc mit dreifachcn Expansions-
maschiuen ausger-üstet stnd. Bewährt sich dieses neucste System doch
so vorzüglich, daß die gcuiaieu Gebrüder Deuny in Dumbartvn am
Clyde es schon mit vierfachen Expansionsmaschinen zu Versvcheu
aufnngeu.
Nach diescm kurzcu Ueberblick über dcu Enkwicktungsgaug ini Bau
der Schiffsinaschiueu wolleu wir uns die Leistungeu unserer „Wind-
huude" uäher nusehcu. Es kommeu nur zwei Gruppeu vou Fahr-
eugcu iu Betracht, die euglischeu Dampfcr Arizona, Britauuic,
Lcrvia, LllaSka, Citp of Rome, Aurnnia, Oregou, Etruria, America,
Umbria, wclche der Cunard , Guion- und nndern Livcrpooler Linien
nngchören, nnd die deutschcn Dampfer deS Norddeutschcn Lloyd in
Bremeu, Elbc, Werrn, Fulda, Eider und Ems, welche biS jetzt in
Fnhrt gestcllt siud uud zu deueu sich Allcr, Trave, Saalc in dieseni
Jahre zugcselleu. Die übrigen Dampser gehöreu iu die nltern
Classen der Dampfer, welche die Rciseu uach Ncw-Uork in 10 bis
11 Tngeu, die Rückrciscu iu 9 bis 10 Tagcu volleuden, je nachdem
sie vou Livcrpool bczw. Quecustvwn odcr vou Vremen beziv.
' outhamptou fahreu. Sie gebrauchcu zu ihreu Rciseu 1200 bis
1400 Touuen Kohlen, während die viel grüßcrn neiien Schnell-
dnmpfer mit 800Touucu (zu 20Centucru) tiud wcuiger nuSkommcu,
da sie täglich kciue 100 Touucn verbrouchen.
Zu den uachstehcudcu Ausfiihrungeu verwendcn nflr uur die jnhr
licheu Mittel der verschiedeneu Reisedauer uud die Gc' ^
führen jcdMÜ auch die schncllstcu Reiscu jcdcft
um gedrüugtcru Atalerial
Nciieu dieue