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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Kölnische Zeitung — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.17446#0012

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Verantwortlicher uiid Chef-Redacteur: August Schmits in Köln.
Verleger und Trncker: M. TuMont-Schauberg in Köln.
Expcditiorr: Breiteftratze 76, 78.

Lrri. : I-on6orr K!6§l6, 30 Ltiuo 8tr66t;

vsliL^ Davicii L 6o., I, ^inoi» I.LN6, Oorniiiil; Oovie L Oo. 17 Orssiiam 8tr.;
D. VorL L Oo., 131 » I-onäon ^Vkii; O. Ltroot L Oo., 30 Oorniiili; 1<uä. ^lo^so,
16/18 tzu6«n Vietori» 8tr.: ^oiiv 1?. ^oneu L Oo., 160 k'ieot ktrest. Alnn-
ektz8ter li. OiuLi L Oo., 84 8ontii XinA 8tr. I.iverpool 8eiioii L LlcOeo 50
8outk OLstls Ltr. Hien 1L vuires, Lciiuierstr. 1—3. Xtlieo Tii. I^d. Xellaciris.

!, ö. Augllji 1886.

«banncinentSprciS: in Köln 7./^, in T-ntschlnnd vicrtcljährin.
Anzcigen to Pfg. die Zcile oder bcren RLUM. Ncciamcn I.Lg bis L/«
Für die Ausnahme von Anzcigcn au bcstimint vorgcschricbcncu Tagc» w:rd
keine Vcrantwortlichkcjt übcrnommen.

L.xsr,trrrsir irr, Lrrsllriräei Istrris Ilavas, 8 riLca So iavonrso; ilolin I?.
Foncs L 60., ülbio, li.ü.icaudonrxLlkMlniartrc i linü. dlosss, S8 irnv 6c Iliclicllsu.
Lriiascl I.cdi!i;uo L vo. Itallc» a»c ckeutoclisn IIucliiiLN»,. L„IIan<> Ilcnrx
Lcrecr, via Iliolelt» 28. Xirra II. Lrnckslniv L vo. Xntn-crpcn I.. I.csros.
LruslsrUnin LLr-Mrrüissclrs Lncblnll^. Ilotlcrnlan, II. rizj^I, L van Ortrnnr.

Neisk-Abömitinellts.

Wir machen darauf aufmerksam, daß die Kölmsche Zeitung
unter Kreuzband für jede beliebige Zettdauer bezogen werden kann.

Die Kosten betragen für Abonnement und Francatur bei
täglich zweimaliger Versendung für ganz Deutschland und
Oesterreich 1,25»M, für Schweiz, Jtalien, Frankreich, England
und das gauze Ausland 1,40^ pro Woche. Das Abonnement
kann jeden Tag beginnen und jederzeii abgebrochen werden.

D'ie Expcdition dcr Kölnischen Zeitung.

Dentschland»

* Berlin, 8. Aug. Als Antwort auf die Denkschrift über die
Stellung der Aerzte zu den Krankencassen, welche im Auftrage
des Bundes der Aerztevereine dem Neichstage in dessen letztem
Sitzungsabschnitte eingegeben worden war, hat der Staats-
secretär des Jnnern ein Schreiben an den Vorsitzenden des Bundes,
Vr. Graf in Elberseld, gerichtet, welches in der neuesten Nummer
des ärztlichen Vereinsbtattes veröffentticht und von Herrn Graf
als ein erfreulicher Lchritt zur glücklichen Erledigung jener wich-
tigen Angelegenheit bewillkommt lvird. Jm allgemeinen bezeich-
net der Minister v. Bvtticher die Ausführung des Krankenversiche-
rungsgesetzes als eine befriedigende. Was die hervorgehobene Ge-
fahr betrifft, daß durch die Cassen das Honorar auf eine unzu-
lässig niedrige Stufe herabgedrückt und zugleich einer unwürdigeit
Unterbiettmg Vorschub geleistet werde, so erkennt der Minister den
Aerzten das Recht zu, sich gegen solche Unzuträglichkeiten durch
Vereinbarungen zu schützeu. Die Negiermng aber müsse bei Be-
urteilung der Lage der Krankencassen vorzugsweise den Stand-
punct des öffentlichen Besten und der Reichsgesetzgebung einneh-
men. Es handle fich hier nicht um freiwillige, sondcru mn
zwangsweise Vereinigungen, welchen gesetzlich die Pflicht obliege,
den Mitgliedern freie ärztliche Behandlung zu geivähren. Da
selbst bei dürftigster Lage und niedrigstcr Veitragsleistung diese
Verpflichtung bestehe, so befänden sie sich den Vereinigungen der
Aerzte gegenüber in einer Zwangslage, die zu ihrem Untergange
führen müsse, wenn die in Ansatz gebrachten Preise ohne Nücksicht
auf die unzureicheuden Mittel der Casse festgehalten mürden. Jm
äußersten Falle wäre selbst dagcgen nichts zu crinuern, wenn die
Cassenvorstände im Wege der Verdingung ärztliche Hülfe sich zu
beschaffen suchten. Ein Krieg zwischen den Aerztevereinen und den
Cassen sei aber keineswegs erwünscht, und eine Verständigung liege
im Nutzen beider Parteien, und sei auch um so erreichbarer, als
das Gesetz vom 16. Juni 1868 keineswegs nur Gefahren, sondern
vielmehr eine nachhaltige Verbesserung iit der wirtschaftlichen Lage
der Aerzte herbeisühren werde. Die sortschreitende Durchführung
des Gesetzes erfordere cine erhebliche Vermehrung der ärztlichen
Kräfte und werde die bishcr unvermeidliche unentgeltliche Hülfe-
leistung beseitigen. Anderseits müsse es als selbstverständlich gelten,
daß die Casscu, sobald ihre Mittel es gestatten, auch in ihrem eigenen
Jnteresse die ärztliche Mühewaltung entsprechend vergüten würden.

Wir werden auf solgende Bemerkung aufmerksam gemacht, welche
die Freisinnige Zeitung in ihrer Nummer vom 3. ds. sich gestattet hat:

Gegen das Recht der Prcsse zum straffrelen Abdruck von Parla-
mentSverhaudluugen erklärt sich aus Anlaß des PreßprocesseS der
Freismnigcn Zeitung einzig und allein in der dcutschcn Presse die
Kleine KvlnischeZeituug, ein loealerAbleger der untiounl-
liberalen Kvlnischen Zeitung, iu einem Leitartikel über das
Recht der Presse. Jn einer confusen Ausführung bezeichnet der Lcit-
artikel den strafsreien Abdruck von Parlnmentsverhandlungen als in
Widerspruch ftehend mit der wahren Gerechtigkeit.

Die Freisinnige Zeitung irrt sich. Das von ihr bezeichnete Blatt
hat mit der „Kölnischen Zeitung" nichts geineinsam als einen Teil
seines jetzigen Namcns. Dasselbe hieß früher „Kölner Nachrichten",
hat sich aber seit einiger Zeit den Titel „Kleine Kölnische ZeiLung"
beigelegt, der zu Verwechselungen. ganz natürlichen Ankaß gibt.

Zur Graudenz-Strasburger Reichstagswahl meldet die
Danz. Ztg., daß gegcn die Aufstellung des frühern Finanzministers
Hobrecht bisher von keiner (deutscheir) Partei ernstiich Widerspruch
erhoben sei. Herr Hobrecht habe auf die Anfrage, ob er eine Wahl
annehinen werde, bereits eine bejahendc Antwort erteilt. Auch in
dem Strasburger Kreise denke man nicht daran, einen andern Can-
vidaten aufzustellen. Das Comite habe sich mit der Wahl des
Herrn Hobrecht vollständig einverstanden erilärt.

Oesierreich»

Bad Gastein, 9. Aug. (Telegr.) Als der Kaiser Franz
Joseph sich gestern Abend von der ersten Begegnung mit dem
Kaiser Wilhelm nach dem Straubingerschen Gasthofe begab und
nach dem Empfang der Gemeindevertretung mehrere Personen durch
Ansprachen auszeichnete, war der deutsche Kaiser auf den Balcon
des Badeschlosses getreten und von der auf dem Straubingerplatze
versammelten Menge mit Hoch- und Hurrahrufen begrüßt worden.
Kaiser Frnnz Joscph wandte sich rasch herum und snlutirte lächelnd
vor dem Kaiser Wilhelm, der seinerseits dem Kaiser Franz
Joseph herzlichst zuwinite. Das Publicum begleitete dcn Vor-
gang mit lang anhaltenden Jubelrufen. Veide kaiserliche
Majcstäten zogen sich darauf in ihre Gemächer zurück.
Kurz darauf stattete Prinz Wilhelm im Namen dcs Kaisers Wilhelm
dem Kaiser Franz Joseph einen Gegenbesuch ab. Um 8U2 Uhr
abends begab sich Kaiser Franz Joseph mit dem Prinzen Wilhelm
nach dem Badeschlosse zurück und nahm daselbst den Thee ein,
woran auch der Obersthofmeister Fürst Hohenlohe und der Botschaf-
ter Prinz Reuß teiluahmen. Gegen iUC Uhr kehrte Franz Joseph,
von dem Prinzen Wilhelm begleitet, unter abermaligen warmen

13)

^ Tciiiplcr und Johnimitcr.

Erzählung von Ludovica Hesekiel.

(Forts. — S. Nr. 218 d. Bl.)

Warum aber bist du nicht hinausgezogen in die Welt, lockte dich
nicht der Ruhm, die Ehre, sragte Julian.

Ein tiefer Seufzer hob Nemberts breite Brust. Ost genug hat's
mich hinausgelockt, ich sah im Traume goldene Sporen blitzen,
Waffen funkeln, was hilft es; darf's doch nicht sein, ich bin ge-
bunden an die Scholle!

Und warum?

Die Großeltern sind alt, wer soll unsere Leute schützen, wenn
die Heiden-über sie herfallen, die noch immer müchtig sind, die uns
hassen, weil wir Christen, Dcutsche geworden sind! Hierher hat mich
Gott gesetzt, hier muß ich bleibeu!

Etwas wie Hochachtung kam über Julian angesichts der stoischen
Ruhe, mit der Rcmbert sprach.

Je mehr du redest, sagte er warm, desto mehr verlangt mich nach
deiner Freundschafr, aber ich will mich deinen Freund erst nenncn,
wenn ich dir auch meinen Namen sagen darf!

Wie du willst, entgegnete Nembert gleichmütig.

Und willst du denn nun dein ganzes Leben hier in diesem rauhen,
nebligen Lande verbringcn? fragte Julian.

Wird wohl so werden, ich sehe wenigstens keine Aenderung ab.
Zudem ist's nicht immer neblig, die Sonne scheint anch, und dann
gibt's eine Sonne, die macht auch den trübsten Tag hell!

Leise, kaum hörbar hatte der Junker die letzten Worte gesprochen,
wäre es nicht zu dunkel gewesen, so hätte Julian sehen müssen,
daß ein helles Not dabei über sein Antlitz lief.

Was meinst du damit? fragte Julian.

Wenn du mich nicht verstehst, mag ich's dir auch nicht sagen,
entgegnete Rembert, aber gibt's am Nheine bei euch kein Frauen-
uge so leuchtend, daß es hell wird, wohin sein Strahl fällt!

Ein Weib meinst du? rief Julian fast verächtlich.

Du willst nichts davon hören, sagte Rembert erstaunt, hüte dich,
das Wcib könnte sich rächen!

Muß mir denn jeder das predigen, antwortete der voin Nheine
ärgerlich.

Wird wohl die allgemeine Erfahrung sein, meinte Nembert, doch
da sind wir wieder in Knödelbaum. Jch meine, du herbergst ein
paar Tage bei uns, weiß freilich nicht, ob sie ganz ruhig verlaufen
werden, die Heiden spuken seit ein paar Tagen wieder, wcr weiß,
ob sie uns nicht unversehens überfallen!

Dann kämpfe ich an deiner Seite! rief Julian.

Das soll ein Wort sein, antwortete Rembert und streckte ihm
oie Hand hin. Mit festem Druck ergriff sie der andere, und eine
»eigentümliche Bewegung erfaßte auch den Märker.

Arm in Arm schrittcn sie über die Zugbrücke, die sich bei ihrem
Annähern gesenkt hatte, durch das Dorf absr flog pfeilschnell ein
brauner Geselle, der ihnen gefolgt war schou ihstem Wege in
d:e Heide. Zwischen den Kieferii vc>borgen, hatte^ si-des Wort
tbres Gespräches erlausM.- sich die Hände geriebe"^ war ihnen
Zugbrücke ge/olgU/ot)^ /ß sie, iuihre
ihn gegeben hatkcu^

Kundgebungen der auf dem Straubingerplatze versammelten Menge
in seinen Gasthof zurück. — Die für gestern Abend beabsichtigte
Beleuchtung der Stadt und der umliegenden Höhen wurde auf den
17. August, den Vorabend des Geburtsfestes des Kaisers von
Oesterreich, verschoben, an welchem Tage derselbe nochmals hier
erwartet wird.

Frankreich»

X Paris, 8. Aug. Die Errichtung der päpstlichen Nun-
tiatur in Peking hat für die Franzosen ein doppeltes Gesicht;
während nämlich ein Teil dcr republicanischen Presse, wie die
De'bats und die Re'publique Francaise, den Schritt des Papstes,
welcher das Ansehen und den Einfluß Frankreichs im äußersten
Osten bedenklich schädigen werde, lebhaft bedauern und England und
Deutschland für den neuen diplomatischen Mißerfolg verantwortlich
machen möchten, nehmen andere Blütter, wie die Justice, die Sache
weniger tragisch und beglückwünschen Frankreich, daß es endlich die
Schutzherrschaft über die katholischen Chinesen los wird, welche
allein die Nepublik in die letzten blutigen Kriege verwickelt habe.
Die Verhandlungen mit dem Vatican dauern noch fort, wenn auch
nicht anzunehmen ist, daß der Papst von dem einmal gefaßten
Entschluß Abstand nimmt. Der Pater Favier, Vorsteher der La-
zaristen-Mission in China und General-Vicar des Bischofs von
Peking, ist vor einigen Tagen aus Rom hier eingetroffen und hatte
gestern mit Charmes, dem Director der politischen Angelegenheiten
im Aiimsterium dcs Auswärtigen, eme längere Unterredung über
diese Frage. — Auf Befehl des Kriegsministers werden die Sol-
daten der Classe von 1881, deren Dienstzeit am 30. Juni 1887
beendet ist, vom 20. September bis 15. October in ihre Heimat
entlassen werden. — Die Briefe des GeneralS Boulanger
an Aumale wurden von den Royalisten in einer halben Million
Exemplare in der Provinz verbreitet.

Der Figaro, eincs der wenigen französischen Blätter, welches sich
sowohl in seinen redactionellen Artikeln als in denen seines Be-
richterstatters Picrre Giffard ohne jede Voreingenommenheit über
das Heidelberger Jubelfest geäußert, schreibt heute:

Der TMgraphe spricht von deni Heidelberger Feste und von der
Huldigung, welche die Abordnungen der deutscheu llniversttnten den
Bertretern des Jnstitut de France dargebracht haben; das seten nur
spöttische Narrenspossen, nieint das Blattj und man müsse
äußerst optimistisch seiu, um friedliche Anzeicheii darin zu erblicken.
Man behandelte uns dort, sagt dcr Telegraphe, als große — lite-
rarische Nation, und darin erblickt er eine Verhöhnung. Würde
ein solches Urteil im engern 51reise oder in einem unabhängigen
Blatte gefallt, so würde es keinc weitern Folgcn haben und nie-
manden verpflichten. Aber dieseS Blatt gibt stch für den Ofstcwsus
dcs Herrn v. Freyciuet aus, dieser Artikel ist daher entweder sehr
ungeschickt oder sehr bedeutuugsvoll. Was will der Telegraphe da-
mit sagen? Hnt die jämnierliche Regierung, welche allen Macht-
sprüchen der Radicalen nachgibt, von ihnen Befehl erhalten, den
Maulhelden zu spielen und cine Schwenkung zu machen? Das Kai-
serreich versuchte daS nämliche Mittel, als es inr Jnnern den Boden
untcr seiucn Füßeu wanken fühlte. Dies knm ihm teuer genug
zu stcheu und sollte seinem Nnchfolaer dcn Wunsch benehmen, den
Bersuch zu erncuern. Damals mußten die Regierten uoch schwerer
bttßen als die Rcgierenden,' und es wäre wünschenStvert, daß halb-
amtliche Blätter, in welchen die Minister angeblich ihre Gedanken
niederlcgcn, sich damit begnügcn, Dummhciten über die inncre
Politik zn schreiben, sich aber enthnlten, solche über die äußere Politik
zu sageu.

Paris, 9. Aug. (Telegr.) Bei den gestern vorgenommenen Ge-
neralrats-Stichwahlen sind, nach dcn bis jetzt vorliegenden
Ergebnissen, 141 Republicaner und 33 Conservative gewühlt mor-
den. Die Republicaner haben 16 Sitze gewonnen und 22 verloren.

Grof;britam»ictt.

Belfast, 8. Aug. (Telegr.) Die Ruhestörungen setzten sich
auch im Lause dss heutigen Tages fort. Es kam zu wiederholten
Zusammenstößen der Menge mit der Polizei, die mehrere Mal
genötigt war, von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. D>e Zahl
der Vermundeten ist zienilich groß. Die Behörden haben militärische
Verstärkungen verlangt.

Rusjlarw.

PeterSburg, 9. Aug. (Tclegr.) Der Minister v. Giers ist
gestern nach Franzensbad abgereist, wohin denselben, wie das Jour-
nal de St. PeterSbourg hinzufügt, Familienangelegenheiten rufen
und wo dersclbe auch die Cur gebrauchen wird. Der österreichische,
italienische und der englische Botschafter so wie der deutsche Ge-
schäftstrüger hatten sich an den Bahnhof begeben, um sich von dem
Minister zu verabschieden.

Slmeitiea.

* Veranlassung zu der noch schwebenden Verwicklung zwischen
den Vereinigten Staaten und Mexico ist bekanntlich dic
Verhaftung des Nedacteurs Cutting, eines Bürgers der Vereinigten
Staaten, durch die mexicanischen Behörden und die Weigerung der
letztern, Cutting freizulassen. Ueber die Ursache, welche zu Cuttings
Verhaftung führte, schreibt die N.-A. G.-Z.i Cutting gibt in der
rn der Nähe der mexicanischen Grenze gelegenen texanischen Stadt
El Paso eine americanische und zu gleicher Zeit in der nicht weit
davon entfernten, auf der audern Seite des Rio Grande liegenden
mexicanischen Ortschaft Paso del Norte eine Zeitung in spanischer
Sprache heraus. Ju beiden Zeitungen hatte Cutting einen mexica-
nischen Collegen in El Paso del Norte in heftiger und, wie es
scheint, ungerechtfertigter Weise angegriffen, weswegen er von der
mexicanischen Behörde verhaftet wurde. Da der Verhaftete, aus
welchen Grttnden, ist nicht bekannt, lange Zeit im Gefängnis schmach-
tcn mußte, ohne daß ihm nuf wiederholtes Verlangen cin Verhör
zuteil wurde, sah sich unsere Negierung veranlaßt, einzuschreiten

Oer braune Geselle aber war Amru, des Tempelritters arabischer
-r-iener, der so seines Herru Auftrag erfüllt hatte, ohnc von den
geweihten Kreuzchen Gebrauch machen zu müssen.

Achtes Capitel. — Ein goldener Sporn.

Seid nur unbesorgt,

Vorsicht und Mut macht jede Beste stark.

Jch war vor Zeiten ein geübter Krieger

Und denk' auch hier noch Rat zu schaffen.

E. v. Houwald.

Wenn's ihm ein anderer gesagt hätte, daß er so schnell sich mit
jemand befreunden würde mie mit Julian vom Rheine — so nannte
sich dcr fahrende Knappe vorläufig —, der Junker von Ucht hätte
es nicht geglaubt, denn sein Herz öffnete sich nicht allzuschnell für
Frcmde, zu diesein Jüngling aber zog es ihn wie mit unsichtbaren
Fäden und an seinem edlen Feuer erwärmte der kühle Sohn der
Mark.

Seltsani war's, daß die alten Großeltern ihn beide mit einem
gewissen Mißtrauen beobachteten. Sie schienen eigentlich nur für
ihren Enkel zu leben, man hätte also meinen sollen, sie hätten
sich der innigen Freundschaft freuen müssen, die Julian ihm ent-
gegenbrachte, aber das war keineswegs der Fall. Beide ergingen
sich in dunkeln, den jungen Leutcn völlig unverständlichen Redens-
arten, und so viel sich diese auch mühten, Licht in jene wirren
Reden zu bringcn, es gelaug ihnen nicht. Auch die von Julian
überbrachte Botschaft diente nicht zur Aufklürung, denn wie hing
Doruringcn mit Knödelbaum zusamnien? Frau Agnes hatte zuwei-
len nach Gregor von Köln gefragt, sie hatte sich die Namen aller
edlen Geschlechter Kölns sagen lassen, Julian hatte auch die Dorues
genannt, aber er schien den alten Leuten so unbeknnnt wie Rembert.
Nur daß dieser fragte: Gehören die Dornes nach Dornringen?

Es ist ihr Stammhaus, erwioerte Julian.

So mag's ein Dorue gewesen sein, der mir die Botschaft sandte,
meinte Rembert, und Julian schwicg, deuii er sollte ja den Nameu
dessen nicht nennen, der ihn gesandt hatte. Er versuchte nun seiner-
seits etwas über dcn geheimnisvollen Gregor von Köln zu erfahren,
ob und waiiu er in Knödelbaum gewesen, was er dort gewollt,
woher cr gekommen und mohin er gegangen sei. Er erfuhr nichts,
nur eins wiederholte Frau Agnes unaufhörlich in klagenden Tönen:

Er stahl uns unser Liebstes!

Wie schon oft in seinem Leben, kränkte sich Julian bitter dar-
über, daß er so wenig von seinem Vater wußte, daß ihn von Ju-
gend auf Geheimnisse uinspoiiuen hatten, zu deuen ihm niemand
eincn Schlüssel gab. Und doch zog ihn alles Geheinmisvolle so un-
widsrstehlich an, wenn es auch Zeiten gab, da er wünschte, das
ganze Gewirr von Unklarheiten, welches ihn umgab, mit einem Ruck
entzweireißen zu köimen.

Rembert stand der Sache kühler gegenüber. Du hast mir gesagt,
wenu ich in Not sei, solle ich nach Dornringen kommen, da würde
ich Hülfe finden; noch ist's nicht so weit, und wer weiß, ob uns
das alles nicht eher klar wird, als wir denken.

Viel, sehr viel mußte Julian auch an den Tempelritter denken,
der ihn am Tage von Worringen geschützt hatte und ihm dann
aus breiter Heide begegnet war, immer wieder zog er deu Würfel

uud von Mexico die Aburteilung oder Freilassung Cuttings gegen
Bürgschaft zu verlangen. Diesem Wunsche sind die mexicanischen
Behörden inzwischen insofern nachgekommen, als Cutting vor Ge-
richt gestellt und verurteilt worden tst.

New-Nork, 8. Aug. (Telcgr.) Nach hier eingegangener Meldung
hat das Gericht in El Paso den Nedacteur Cutting zu einem
Jahr Zwangsarbeit und 600 Dollars Geldstrafe.

Von der Jubelfcier der Heidelbcrger Hochschnle.

^ Heidelberg, 7. August.

Noch war des Festes ganzer Kreislauf nicht vollendet, und Hei-
delberg, die schöne, bebte vor heimlicher Ungeduld, die edelsten ihrer
Reize den entzückten Augen der Festgenossen darznstellen. Das alte
kurfürstliche Schloß, in seineni Zustande halber Zerstörung, in welchen
Franzosen und Elemente diesen herrlichen Kranz von Bauten und
Palüsten aus den drei schönsten Stil-Epochen der deutschen Baukunst
versetzt haben, noch immer ein ganzes und reizendes Bild in schönstem
Rahmen, und als Ruine vielleicht anregender für Auge und Ein-
bildung denn zuvor, sollte aus dem Dunkel der Nacht in benga-
lischer Beleuchtung hervortreten. Ganz Heidelberg kennt dieses Schau-
spiel von alljährlichen Wiederholungen bei den Abschiedscommersen
der Corps her, aber ganz Heidelberg erwartete mit fieberhafter Er-
wartung den Abend dieser Verheißung, als erlebe man es zum
ersten Mal. Die alte Brücke, in ihren mächtigen und edeln Formen
an ihre fernen Schwestern auf dem Arno eriimernd, sollte an diesem
Abend dem glühenden Schlosse gegenüber unter einen goldenen
Feuerrsgen gesetzt werden. So waren gegen Abend alle Wege,
Bergpfade, Weinberge und Schutthalden dcr stolzen Berge am
rechten Neckarufer mit einem schaulustigen Gedrünge erfüllt; die
Villen und Gartenterrassen an Ufer und Bergeshang hatten sich,
aleich riesigen durchscheinenden Bildern mittels weißer und farbiger
Lichtpünctchen in den samtschwarzen Hintergrund hineingezeichnet;
auf dem von vielen angezündeten Feuerwerkskörpern und benga-
lischen Flaminen niatt und geisterhaft erhellten Strome huschten
dunkle, große Schiffsrümpfe und müchtige Jiachen und Gondeln
und von allen Seiten klangen Lieder, instrumentale Klänge und
fröhliche Nufe zum lauwarmeu nächtlichen Himmel empor. Und
wiederum zogen sich unwillkürlich Gedanken und Erinnerungen hin-
über zum Lande der Sehnsucht Mignons hin: die auf der Terrasse
des reizeuden v. Duhnschen Landsitzes jenseit der alten Brücke
amvesenden italienischen Festgenossen, Peruzzi von Florenz mit
seiner geistreichen Gemahlin, Herr Stevenson, der Abgesandte des
Papstes, gestanden mit Begeisterung ein, daß man sich hier an den
Saum des Sees von Como versetzt wühnen könnte, und selbst der
kaustische Mommsen erhob kein Wort des Widerspruchs. Bereits
war es vorgerückte Nachtzeit geworden; die mächtigen Bergriesen,
deren Häupter das Schloß überragen, schienen einen dichten, ge-
süttigt schwarzen Samtmantel über die verwetterten Glieder des-
selben gebreitet zu haben. Da, ein Paukenwirbel aus einer Batterie,
ein elektrischer Schlag durch die Menge und ein Aufschrei, und
wie aus dem Nichts geboreu in ganzer Fülle und Herrlichkeit stan-
den sie da, diese zarten, hochragenden Giebel, diese schweren Arca-
den, bereits halb im Gebüsch versteckt, der achteckige Turm zur
Linken, dunkelrotes Gemäuer, zornig grellrot leuchtende Fenster, ver
steinerne runde Turmriese zur Nechten, der nur noch die hintere,
nach vorn geöffnete, zwölf Fuß mächtige Schale zeigt. Smaragd-
grüner Feuerschein wehte aus dem Gebüsche und den Grotten
und Höhlen zu Füßen dcr gewaltigen Nuine empor; das
übrige erschien wie rotglühendes Metall; die herrliche Vorderseite
des nach dem Kurfürsten Friedrich genannten Baues mit ruhig-klarem
Schein alles andere beherrschend und dem ganzeu Bilde den Augen-
punct gcbend, das übrige Gemäuer, je nach seiner mehr oder minder
künstlerischen Form oder der fortgeschrittenen Zerstörung in wech-
selnden Schattirungen des -Lichtes und des Tones bis zu unheim-
lichem Rotschwarz, die Oeffnungen von Fenstern und Bögen in
D.iLautglanz. Und mie deutlich zeichnete sich das Maßwerk, die
Bedachung des Pavillons, jegliche feine Zierform der Renaissance
auf den leuchtenden Untergrund! Keines Künstlers Hand hätte ein
vollendeteres Bild hinzaubern können, und wie das so mit einem
Schlage hervorsprang, eine Weile ruhig und stät leuchtete uud
dann verglomm, um schnell wieder in Nacht und Nichts zu ver-
sinken, rieb man sich die Augen wie nach einem märchenhaften
Traum. Und vom Flusse herauf spielten dann alle Kapellen,
bliesen alle Hörner und sangen alle Stimmen in dec bekannten,
weichen, träumerischen Weise: Alt Heidelberg, du seine —.

<L B a d G a st e i n.

6. August.

Der wie alljährlich auf drei Wochen berechnete Aufenthalt deS
Kaisers Wilhelm in Bad Gastein nähert sich seinem Eude, und für
die am nächsten Dienstag Nachmittag erfolgende Nückreise ist schon
in allen Einzelheiten Bestimmung getroffen. Leider war die Wit-
terung während der letzten Wochen hier wenig freundlich und den
Erfordernissen einer gedeihlichen Badecur nicht sehr entsprechend.
Jn der crsten Zeit herrschte eine drückende Hitze, welche den
51aiser veranlaßte, seine Spazirgänge hauptsächlich auf den zum viel-
genannten Kaffeehause der „Schwarzen Liesl" führenden Kaiserweg
zu beschränken; im übrigen machte der hohe Herr in der Regel
täglich in Bcgleitung eines seiuer Adjutautcn, des Grafen Lehn-
dorff oder des Oberftlieutenants v. Brosigke, eine AuSfahrt nach
Böckstein, Hofgastein oder ins Kötschachthal. Den Kaiser auf dem
Morgeuspazirgang zu sehen und zu begrüßeu, war jedesmal die
Hoffnung und die Freude der Badegäste, die terls stundcnlang vor
dcm Badeschlosse dem Erscheinen des Kaisers entgegenharrten oder

sich über den Kaiserweg verteilten, um den Kaiser in der Nähe
vorübergehen zu sehen. Laute Begrüßungen wurden hier natürlich
vermieden; ein jeder bezeigt durch Verbeugung seinen Gruß, den
der Kaiser in leutseligster Weise erividert. Gar manche Personen
wurden auch dadurch beehrt und beglückt, daß der Kaiser mit ihnen
eine kurze Unterhaltung anknüpfte. Dieses freundliche Wesen des
Kaisers, dns so ganz die Majestät des ruhmbedeckten Herrschcrs
vergessen läßt, gewiimt ihm tüglich die Herzen der zahlreichen
Oesterreicher und Ausländer, die unsern Kaiser hier zum ersten
Mal sehen, vielleicht nur deshalb hierhergekommen sind. Allgemein
ist das Erstaunen über das frische, gesunde Aussehen des Kaisers,
über seinen festen, sichern Schritt und seine fast jugendlich sreien
Bewegungen, welche anzeigen, wie leicht der Monarch die Bürde
des hohen Alters trägt. Nur ein einziges Mal hat sich der Kai-
ser, und zwar bei drückender Sonncnhitze, auf dem Spazirgange
beim Nückwege des Fahrsessels bedient, der für alle Fülle stcts
bereit gehalten wurde. Die krüftigende, frische Lust des Gasteiner
Thales und die heilkräftigen Bäder habeu sich auch in diesem Jahre
wieder recht bewährt. Noch vor Ablauf der ersten Woche, die der
Kaiser hier zugebracht, ist das heiße, trockene Wetter von einem
schweren Gewitter und hierauf vou kühlem, mitunter unfreundlich
kaltem, fast immer regnerischen Wetter abgelöst worden. Der
Kaiser beschränkte nun seine AuSflüge auf eine kurze Ausfahrt tüg-
lich, aus den Besuch irgcnd einer augesehenen Persönlichkeit und
die Abendgesellschaft bei Frau Gräsin äehndorff in der Villa Meran.
Den Schluß einer solchen Abendunterhaltung bildete jedesmal die
Aufführung eines kleinen Lustspiels, das unter Leitung dcs Hof-
operndirectors v. Strantz von den adeligen Damen und Herren
des Gefolges oder sonstigen dem Kaiserhofe nahestehenden Persön-
lichkeiten einstudirt worden war. Diese Aufführungen sollen, wie
verlautet, dem Kaiser ein ganz besondercs Vergnügen bereiten.
Seitdem die Kaiserin von Oesterreich hier weilt, haben sich beide
Majestäten wiederholt gegenseitig besucht, bei welchen Gelegen-
heiten der greise Kaiser in wahrhaft rührender Weise die Pflichtcn
des ritterlichen Gastgebers erfüllte, die Kaiserin aber in liebens-
würdigster Zuvorkommenheit das hohe Alter des Kaisers berück-
sichtigte und ihn möglichst zu schonen bemüht war.'Schon ihr Reise-
plan war darauf angelegt, ihn zu überraschen, damit er sich zu
ihrem Empfange nur ja keinen Zwang auserlegen solle. Jhre An-
kunft erfolgte nämlich etwa eine Stunde früher als sie erwartet
wurde. Der Kaiser war m seinem Arbeitsrock mit schristlichen Ar-
beiten beschäftigt, und keiner der Herren des Gesolges war zum
Empfange gegemvärtig, als die Kaiserin in Begleitung einer Hof-
dame vorfuhr und unverzüglich die Trcppe hinauf nach den Ge-
mächern des Kaisers eilte. Kaum daß ein Kainmerdiener, der die
Kaiserin auf der Treppe erblickte, dem Kaiser Meldung machen
konnte, so war die Kaiserin schon im Vorzimmer angelangt. Wieder-
sehen und Begrüßung war wie immer überaus hcrzlich, wobei die
Kaiserm sich über die wohlgeluugene Ausführung ihrer geplanten
Ueberraschung besonders freute. Beim Abschiede ließ sich der Kaiser
es nicht nehmen, die Kaiserin trotz ihrer dringenden Abmahmmg
die Treppe hinunter zu geleiten. Besondere Festlichkeiten zu Ehren
der Anwesenheit der Kaiserin haben bis jetzt nicht stattgefunden;
dieselben sollen in glünzender Weise vor sich gehen, wenn Kaiser Franz
Joseph nächsten Soimtag eingetroffen sein wird. Schon jetzt werden
Triumphpforten errichtet und Krünze und Gewinde von Tannen-
grün geflochten, Blumen- und Flaggenschmuck bereitgestellt, sodaß
der Ort ein glänzendes Festgepränge entfalten wird.

Das äußere Ansehen des BadeS Gnstein hat sich seit dem vorigen
Jahre nrcht verändert. Auch herrscht dieselbe unglaubliche Woh-
nungsnot und daher eine zum Tcil maßlose Verteurung der Woh-
nungsmiete. Den wenigen Gasthöfen (Badefchloß, Straubinger-,
Hirsch- und Grabenwirt) werden sich bis zum nächsten oder über-
nächsten Iahre zwei neue zugesellen, deren Ausdehnung und Ein-
richtung schon jetzt aus dem großartigen Rohbau zu crkeimen ist;
das eine, Mühlbergers Hotel Germania gennnnt, ersteht unterhalb
der Kaiserpromenade nächst der alten katholischen Kirche und ist
bereits unter Dach gebracht; der andere Neubau, dcffen^grvp^
Veranda und Bogengänge die prüchtigste Aussicht aus den untern
Wasserfall, auf den Gamskahr-Kogel und ins zauberhaft schöue
Gasteiner Thal gewühren werden, erhebt sich dicht an dcr Post-
straße gleich am Eingange vom Wildbgd, gegenüber der Wohnung
der Kaiserin Elisabeth, Villa Meran, welch letztercr durch den Neu-
bau wahrscheinlich dic bisherige freie Zlussicht gäuzlich verbaut
werden wird. Eine durchgreifende Umgestaltung der in mancher Be-
ziehung recht ursprünglichen Verhältnisse darf für absehbare Zeit
nunmehr wohl erwartet werden, nachdem das Badeschloß mit Zu-
behör und andere Liegenschaften in den Privatbesitz des Kaisers
Franz Joseph übergegangen. Die erste Neuerung wird voraussicht-
lich die Einführung der elektrischen Beleuchtung für den ganzen
Badeort sein; wie es heißt, ist der darauf bezügliche Vertrag schon
vor kurzem mit der Firnra Siemens in Berlin abgeschlossen worden.
Als bewegende Kraft für die Maschinen wird natürlich ein Teil
der Wassermasscn dienen, die in dem weltberühmten Wasserfall
hier ungefähr 150m herniederstürzen. Einen annähernden Be-
griff von dieser ungeheuren Wasserkraft erhält man, wenn
man den Betrieb des durch eine ganz geringe Ableitung des
Falles bewegte, mit 44 Pferdekräften arbeitenden Pump-
werkes betrachtet, welches das im Thale hervorquellende hciße
Mineralwasser in die hochgelegenen Sammelbehälter emporhebt.
Vorläufig ist die Herrschast des Petroleums noch unbestritten, wel-
ches allerdings von den großen Kronleuchtern in Straubingers
herrlichem Speisesaale herab eine Lichtwirkung erzielt, wie sie schöner
selten gefunden wird. Der Plan, ein dcr Berühmtheit des Bade-
ortes entsprechendes Curhaus zu erbauen, schcint noch in weitcr

hervor und starrte darauf hin, bis ihm die Äugen brannten. Dann
war's ihm oft, als finge der Buchstabe an sich zu regen, in einen
feurigen Strahl zu zerfließen, andere Gestalten und Formeu anzu-
nehmen; eins unbeschreibliche Angst überkam ihn und hastig barg
er den Würfel wieder im Gewande.

Auch die Geschichte des Würfels hatte er dem neuen Freunde
mitgeteilt, Nembert aber hatte nur erwidert:

DaS sind Thorheiten und ich weiß nicht, was das für ein Tem
pelritter gcwesen sein muß; habe in meinem Leben keinen so unge-
reimtes Zeug schwatzen hören. Schier zornig aber wurde Rembert,
als Julian ihm von seinem Wunsche sprach, Templer zu werden,
und von deni Unwillen seines Oheiins über diesen Plan; denn ohne
seinen Namen zu nennen, hatte er dem Freunde doch vsrtraut, daß
er der Erbe ansehnlicher Güter sei.

Dann gehörst du dahin und nicht in den Orden, sagte Rembert
entschieden. Gott zeigt jedem Menschen, wo er hingehört, und es
darf sich's keiner beliebig aussuchen, was er schaffen will im Leben!

DaS ist eine harte Lehre, meintc Julian.

Aber eine gesunde! beharrte Rcmbert.

Die beiden jungen Leute jagten miteincmder, übten sich mitein-
ander in allcrlei ritterlichen Künsten, als Lanzenwerfeii, Reiten unv
Ringen und gemaimen immer größeres Gefallen aneinander. Eine
gewisse Aehnlichkeit in ihren frühesten Schicksalen war unverkenn-
bar, beide waren nicht von einem Vater, sondern von Verwandten
aufgezogen worden; ja, Rcmbert wußte noch viel weniger von
seinen Eltern als Julian, der doch immerhin seine Mutter lange
genug gehabt hatte, um sie zu lieben und ihren Verlust schmerzlich
zu empfiiiden, während Remberts Mutter seiue Geburt nicht über-
lebt hatte. Der Vater war ihr bald nachgefolgt und nie sprachen
die Großeltern von ihren so früh verlorenen Kindern. Aber wie
sich Rembert immer mit dem Unvermeidlichen abfand, so auch hier-
mit, und selten kam eine Klage deshalb über seine Lippen.

Während Julians Aufenthalt mehrten sich die Anzeichen einer
seindlichen Absicht seitens der noch immer zahlreichen heimlichen
oder offenbaren Heiden auf dem Besitztum der Uchte. Grade weil
diese einss Stammes mit den durch die neue Lehre der Deutschen
Unterdrückten waren, grollten sie ihnen doppelt; man warf ihnen
vor, sie hielten es nur darum mit den neuen Machthabern, um
selbst zur Macht zu gelangen, obgleich die Uchte seit ihrem Ueber-
tritt zum Christentum auch noch nicht eine Hufe Landes zu ihrem
Besitztum hinzugefügt hatten. Freilich hatten sie behalten, was sie
besaßcn, und vor allen Dingen ihre Freiheit nicht eingebüßt;
vielleicht hatte solcher Vorteil mit auf den Entschluß des letzten
heidnischen Ucht eingewirkt, wer wollte das jetzt noch entscheiden,
aber Anno 1290 waren dic Uchte wirklich aufrichtige Christen und
ihren deutschen Markgrafen von Herzen ergeben; auch hatten sie
durch Vermählungen mit Töchtern aus edlen deutschen Familien
sich diesen noch mehr genähert. Jn den Augen ihres Stammvolkes
aber galten sie für Abtrünnigc, imd namentlich haßten sie den
Junker Rembert, der allerdings eine Abneigung gegen alles Wen-
dische hatte, dic er auch nicht zu verbergen strebte.

Woran sie es auf Haus Knödel merkten, daß die Feinde Unheil
spannen? 2ln ganz kleinen Anzeichen. Lulian, der doch zu viel in
der!Stadt gelebt lmtte oder mit den lrchten Laubwäldern am Nhein-!

strome bekannt war, staunte oft, wie vcrtraut Rembert mit der
Heide war; ein geknickter Zweig, eine Fußspur, undeutlicher als
die eines Wildes, verriet die Opfer- und Versammlungsplätze,
machte ihn mit den Absichten der Heiden bekannt. So schlau diese
auch waren, Junker Rembert war noch schlauer, seine scharfen grauen
Augen schienen auch im Duukeln zu sehen; keine Bewegung in
Sumpf und Moor entging ihm, ja, auf deu Schrei der Raben
horchte er, und mehr als einmal murmelte er: Das war kein Rabe,
das war einer von diesen heidnischen Hunden! Er selbst konnte jede
Tierstimme nachahinen und führte deshalb die Feinde oft genug
irre. Trotz alledem gelang es ihm nicht, ihnen zuvor zu kommen
und durch einen kühnen Handstreich sie aufzuheben, wie Julian vor-
geschlagen hatte. Die Buche, Bracken, Brücher und wie die Be-
nennungen für das Sumpfland alle hießen, deren feine Ilnterschiede
Julian nicht begreifen wollte, sie alle waren im Bunde m!t den
alten Herren des Landes.

Mcrkmürdig war es, daß dcr alte Großvatcr mehr und mehr
aufzuleben schien, je näher die Gefahr kain; auch er lauschte mit
sichtlichem Anteil auf jcdes verdächtige Geräusch, und cudlich stieg'"
er gar hinauf in den Turm, iu desscn oberstem Gelaß ^ine" Art
Waffenkammer war. Dort kramte er unter Nüstunge« uav Schwer-
tern und seine welken Lippen summten ein altes Lied, von dem
nicht genau zu sagen, ob es einst dcr Gesang frommer Wallfahrer
oder todesmutiger Streiter war. Vielleicht wirrte der Alte auch
zwei Lieder ineinander.

Endlich hielt es Rembert für geraten, die Weiber und Kinder
des Dorfes in das Haus seiner Großeltern aufzunehmen. Dn zeigte
sich's denn, wie viel Platz der plumpe Bau hatte, denn sie wurden
alle untergebracht. Viele hatten ihre Vorrüte mitgeschleppt, wer
nichts hatte, wurde auf des Junkers Kosten gesüttert; die Männer
scharten sich um Haus Knödel zusammen und der Wüchter auf dem
Turme lugte scharf aus.

Und sie kamen wirklich, die tolldreisten Feinde, zu Pferde und
zu Fuß; mit einem Ungestüm, der selbst Juliaus festes Herz ent-
setzte, berannten sie das Herrenhaus, aber mau hatte sie hier ja
erwartet, ünd ihr Angriff ward zurückgcschlagen. Mit Staunen sah
Julian die Ruhe und Sicherheit Remberts, wie ein alter Feldherr
ordnete er seine Scharen, befahl, war bald hier, bald da, ohne
auch nur eine Spur vou Erregung zu zeigen. Julian selbst hielt
sich wacker, aber er hatte keine rechte Gelegenheit, seine Tapferkeit
leuchten zu lassen.

Die Lnge der in Haus Knödel Befindlichen war bedenklich; die
Feinde rückten sehr zahlreich an nnd das Dorf lag einsam. Um
sich nicht durch Feuerschein zu verraten, standen die Wenden davon
ab, die Hütten zu verbrennen; es war vorauszusehen, daß Haus
Knödel sallen werde, und dann blieb nur noch ein Kampf von
Mann gegen Mann übrig.

Schon etliche Tage zuvor hatte Julian seinen neuen Freund
gcfragt, ob er deun uicht bei seinen Nachbarn um Hülfe bitten
ivolle, aber das hatte Rembert ganz entschieden von der Hand ge-
wiesen. Es ist ein Kampf gegen die Uchte, und diese allein wer-
den ihn ausfechten oder untergehen. Es mußte endlich einmal dazu
kommen!
 
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