Rheinbundszeit und Befreiung
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vieles in der Stadt, gerade das Äußerliche und Sichtbare, abgesehen
und nachgernacht. Da ward der französischen Mode der Krieg er-
klärt — ein Zyklus patriotischer Gedichte kündete die Fehde an —
„Volkstracht und Mode" war der klangvolle Titel. „Die edlen
Wesen" — so heißt es in einer anderen „Bon den Vorzügen einer
Nationaltracht — Ein Wort an Deutschlands Frauen" betitelten
Schrist — „die edlen Wesen" sollen nicht aussehen wollen wie
Französinnen — nicht alle Monate die Kleidung wechseln, weil
es die Mode befiehlt. „Scheiuehre, nicht Ehrbarkeit", nennt das
der begeisterte Verfasser — wahrscheinlich Geh. Rat von Willemer —
und zitiert noch zum Überfluß Blüchers Lieblingsspruch: Deutsches
Herz oder den Galgen! Nur schade, daß mit der Mode meistens
auch der französische Geschmack in die Flucht geschlagen wurde.
Die Deutschtümelei verstieg sich noch höher. Frankfurt ward
kriegerisch. Den ehrenfesten „Urschützen" flatterte nun ein „Banner"
an Stelle der Standarte voran, und die Herren „Oberwaibel"
befehligten stolz ihre „Fähnlein". Schenkendorf verklärte diesen
komischen Eifer doch etwas zu sehr ins gefühlvoll-pathetische Genre,
wenn er damals sang:
Bon Waffen hör' ich's schallen,
O Krönungsstadt in dir —
Viel Kaufherrn seh' ich wallen
In reicher Rüstung Zier.
Die Zeit des Aufschwungs brachte für die Stadt auch schwere
Bedrängnisse. Das Hauptquartier hatte monatelang seinen Sitz
in der Stadt. Sie machte den Eindruck eines Feldlagers. Nach
Jügels Angaben wurden schon von November 1812 bis März 1813
täglich beherbergt und verköstigt 30 Generale, 1030 Offiziere,
12 071 Soldaten, 3032 Kranke. Nun lösten die Verbündeten diese
Franzosen und Rheinbundstruppen ab, die provisorische Verwaltung
der Rheinbundsstaaten hatte hier ihren Sitz, die weiten Baracken
vor der Stadt mußten Kranke aller Heere aufnehmen.
Mit dem alten Opfermut erwachte aber nun ungehindert der
unterdrückte alte Stolz. Die Stadt sah sich wieder als deutsche
Hauptstadt. Der Kaiser Franz von Österreich, der jetzt hier weilte,
war in ihrem Dom als Letzter zum römischen Kaiser gewählt und
gekrönt. Die Sehnsucht nach Wiederherstellung der alten Selb-
ständigkeit erwachte in allen Schichten, und die Wiederherstellung
des alten Reiches schien eigentlich selbstverständliche Voraussetzung
dieses Wunsches. Ganz bewußt wurden die abgerissenen Fäden
ausgenommen.
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vieles in der Stadt, gerade das Äußerliche und Sichtbare, abgesehen
und nachgernacht. Da ward der französischen Mode der Krieg er-
klärt — ein Zyklus patriotischer Gedichte kündete die Fehde an —
„Volkstracht und Mode" war der klangvolle Titel. „Die edlen
Wesen" — so heißt es in einer anderen „Bon den Vorzügen einer
Nationaltracht — Ein Wort an Deutschlands Frauen" betitelten
Schrist — „die edlen Wesen" sollen nicht aussehen wollen wie
Französinnen — nicht alle Monate die Kleidung wechseln, weil
es die Mode befiehlt. „Scheiuehre, nicht Ehrbarkeit", nennt das
der begeisterte Verfasser — wahrscheinlich Geh. Rat von Willemer —
und zitiert noch zum Überfluß Blüchers Lieblingsspruch: Deutsches
Herz oder den Galgen! Nur schade, daß mit der Mode meistens
auch der französische Geschmack in die Flucht geschlagen wurde.
Die Deutschtümelei verstieg sich noch höher. Frankfurt ward
kriegerisch. Den ehrenfesten „Urschützen" flatterte nun ein „Banner"
an Stelle der Standarte voran, und die Herren „Oberwaibel"
befehligten stolz ihre „Fähnlein". Schenkendorf verklärte diesen
komischen Eifer doch etwas zu sehr ins gefühlvoll-pathetische Genre,
wenn er damals sang:
Bon Waffen hör' ich's schallen,
O Krönungsstadt in dir —
Viel Kaufherrn seh' ich wallen
In reicher Rüstung Zier.
Die Zeit des Aufschwungs brachte für die Stadt auch schwere
Bedrängnisse. Das Hauptquartier hatte monatelang seinen Sitz
in der Stadt. Sie machte den Eindruck eines Feldlagers. Nach
Jügels Angaben wurden schon von November 1812 bis März 1813
täglich beherbergt und verköstigt 30 Generale, 1030 Offiziere,
12 071 Soldaten, 3032 Kranke. Nun lösten die Verbündeten diese
Franzosen und Rheinbundstruppen ab, die provisorische Verwaltung
der Rheinbundsstaaten hatte hier ihren Sitz, die weiten Baracken
vor der Stadt mußten Kranke aller Heere aufnehmen.
Mit dem alten Opfermut erwachte aber nun ungehindert der
unterdrückte alte Stolz. Die Stadt sah sich wieder als deutsche
Hauptstadt. Der Kaiser Franz von Österreich, der jetzt hier weilte,
war in ihrem Dom als Letzter zum römischen Kaiser gewählt und
gekrönt. Die Sehnsucht nach Wiederherstellung der alten Selb-
ständigkeit erwachte in allen Schichten, und die Wiederherstellung
des alten Reiches schien eigentlich selbstverständliche Voraussetzung
dieses Wunsches. Ganz bewußt wurden die abgerissenen Fäden
ausgenommen.