Staatshoheit, Finanzverwaltung. — Macht der Tradition
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Fleisch u. s. w?). Mehrere der Steuern wurden verpachtet, so die
auf Fleisch an die Fleischer selbst, die so Herren ihrer Preise waren.
Eine Haupteinnahmequelle der Stadt war der Stadtwald.
Der Nutzen wurde hauptsächlich aus der Holzverwendung gezogen.
Daneben besaßen auch Dörfer und Höfe das Weiderecht, und bis
1849 wurde die Stadt auf seltsame Weise dafür entschädigtes. Am
Andreastag erklärte der älteste Gerichtsmann von Niederrad ihren
Vertretern: „Weilen meine Herren Diener da sind und fordern ein,
was wir schuldig sind, so red' ich das vor Schultheiß und Schöffen
und einer ganzen Gemeinde, — Wer ein gehörnet Vieh in meiner
Herren Wald treibt drei Tag, der ist schuldig ein Simmern Haser
und drei Pfennig, und das bei Sonnenschein zu liefern. Wo nicht,
so ist er verfallen mit sechzig Schillingen, und ein Säcklein, daß
man's drein tut, und ein Hälmlein, daß man's zubindt, und den
andern Tag noch so viel, bis daß er meinen Herren Gehorsam leistet."
Ursprünglich stand nur den Nachbarn, nicht den Beisassen dies
Weiderecht zu — ein Recht, das sich auf ein angebliches Weistum
von 1543 gründet.
Der Gebrauch des „Andreashafers" bestand auch in der darm-
städtischen Gemeinde Alt-Kelsterbach. Hier mußten aber noch die
Vertreter der Stadt, die ja nicht wie in Niederrad Obrigkeit, sondern
auswärtige Gesandte waren, bewirtet werden. Das Gemeinde-
mitglied, das dies besorgte, erhielt dafür als Entschädigung „einen
Wagen mit Holz, halb sauer und halb süß, übel geladen und übel ge-
bunden, daß eine Atzel mit aufgereckten Ohren durchfliegen kann". —
Wer in den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts den Kaiser-
dom von Frankfurt besuchte, der konnte wohl erschrecken über die
geweißten kahlen Wände, die sich zwischen schlanken Pfeilern und
ragendem gotischem Gewölb ausspannten. Ein solches Bild zeigen
die halb städtischen, halb staatlichen Zustände der freien Stadt: alte,
feste, ehrwürdige Formen sind da, etwas Neues ist Hereingekommen,
was stört und nicht passen will. So erscheint das Einzelne sicher-
begründet, stolz in Tradition und Eigentümlichkeit — es Hat Stil
und Charakter. Aber für den Außenstehenden, den auf seine Mo-
dernität stolzen Staatsbürger aus dem größeren Deutschland, das
seiner alten Kaiserftadt über die Mauern und über den Horizont
wuchs, hinein in den weiten Gesichtskreis des Citoyen, wenn nicht
gar des Weltbürgers — für ihn war die etwas zerrüttete Gotik
9 Über die Steuer- und Zollpolitik soll später im Zusammenhang mit den
Handelsverhältnissen gesprochen werden.
2) Senatsakten: Bericht des Forstamtes an den Senat vom 3. März 1849.
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Fleisch u. s. w?). Mehrere der Steuern wurden verpachtet, so die
auf Fleisch an die Fleischer selbst, die so Herren ihrer Preise waren.
Eine Haupteinnahmequelle der Stadt war der Stadtwald.
Der Nutzen wurde hauptsächlich aus der Holzverwendung gezogen.
Daneben besaßen auch Dörfer und Höfe das Weiderecht, und bis
1849 wurde die Stadt auf seltsame Weise dafür entschädigtes. Am
Andreastag erklärte der älteste Gerichtsmann von Niederrad ihren
Vertretern: „Weilen meine Herren Diener da sind und fordern ein,
was wir schuldig sind, so red' ich das vor Schultheiß und Schöffen
und einer ganzen Gemeinde, — Wer ein gehörnet Vieh in meiner
Herren Wald treibt drei Tag, der ist schuldig ein Simmern Haser
und drei Pfennig, und das bei Sonnenschein zu liefern. Wo nicht,
so ist er verfallen mit sechzig Schillingen, und ein Säcklein, daß
man's drein tut, und ein Hälmlein, daß man's zubindt, und den
andern Tag noch so viel, bis daß er meinen Herren Gehorsam leistet."
Ursprünglich stand nur den Nachbarn, nicht den Beisassen dies
Weiderecht zu — ein Recht, das sich auf ein angebliches Weistum
von 1543 gründet.
Der Gebrauch des „Andreashafers" bestand auch in der darm-
städtischen Gemeinde Alt-Kelsterbach. Hier mußten aber noch die
Vertreter der Stadt, die ja nicht wie in Niederrad Obrigkeit, sondern
auswärtige Gesandte waren, bewirtet werden. Das Gemeinde-
mitglied, das dies besorgte, erhielt dafür als Entschädigung „einen
Wagen mit Holz, halb sauer und halb süß, übel geladen und übel ge-
bunden, daß eine Atzel mit aufgereckten Ohren durchfliegen kann". —
Wer in den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts den Kaiser-
dom von Frankfurt besuchte, der konnte wohl erschrecken über die
geweißten kahlen Wände, die sich zwischen schlanken Pfeilern und
ragendem gotischem Gewölb ausspannten. Ein solches Bild zeigen
die halb städtischen, halb staatlichen Zustände der freien Stadt: alte,
feste, ehrwürdige Formen sind da, etwas Neues ist Hereingekommen,
was stört und nicht passen will. So erscheint das Einzelne sicher-
begründet, stolz in Tradition und Eigentümlichkeit — es Hat Stil
und Charakter. Aber für den Außenstehenden, den auf seine Mo-
dernität stolzen Staatsbürger aus dem größeren Deutschland, das
seiner alten Kaiserftadt über die Mauern und über den Horizont
wuchs, hinein in den weiten Gesichtskreis des Citoyen, wenn nicht
gar des Weltbürgers — für ihn war die etwas zerrüttete Gotik
9 Über die Steuer- und Zollpolitik soll später im Zusammenhang mit den
Handelsverhältnissen gesprochen werden.
2) Senatsakten: Bericht des Forstamtes an den Senat vom 3. März 1849.