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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0032
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Frankfurt vor der Revolution

dieses Gemeinwesens ein Zielpunkt des Spottes. Die freien Hansa-
städte im Norden waren da glücklicher. Wenn auch ihr Laudgebiet
klein war wie das Frankfurts, so war doch ihr Meergebiet groß,
und wenn nach altern deutschen Recht die Stadtluft frei macht, so
machte die Seeluft hier die Städter freier.
Über die eugen Verhältnisse des alten Frankfurt wuchsen seine
Bürger seit 1815 immer mehr hinaus. In dem ganz allmählichen
Prozeß, der aus der Masse der philiströsen Reichsbürger liberale
Bourgeois werden ließ, liegt der entscheidende Grund für die späte-
ren Versuche, die zwängende Form, wie wir sie in Verfassung,
Verwaltung und Recht immer wieder haben aufzeigen können, zu
zersprengen. Das „Herkommen" war noch nicht aufgebraucht. Es
war sogar stark genug, sich noch eine neue Ausdrucksform in dem
Bürgermilitär zu schaffen — eine willkommene Gelegenheit für den
Bürger, sich die Annehmlichkeit Soldat zu sein durch gelegent-
liches Tragen einer kleidsamen Uniform zu gewähren. Die wirk-
lichen Soldaten der freien Stadt — man mußte eiu Bataillon
als Buudeskontingent stellen — waren geworbene Söldner.

Von der reichsbürgerlichen Kleinheit, die ja nie kleiner war, als
wenn sie sich, etwa wie im Heerwesen, in Vergleich zu großen
kraftvollen Verhältnissen setzen lassen mußte, davon völlig frei
waren zwei ihrem Ursprung nach ganz verschieden geartete Mächte,
die sich nun in Frankfurt zusammenfanden. Die eine kam von
außen und verkörperte das in sich, was die freie Stadt von der ehe-
maligen bevorzugten Stellung der Reichsstadt erbte: es war der
Bundestag. Die andere war aus ihr selbst, aber über sie
hinausgewachsen und herrschte in ihrer eigenen, selbst geschaffenen
Welt: es waren die großen Kaufleute.
Für die äußere Stellung der Stadt in: 19. Jahrhundert war der
Bundestag das entscheidende Schicksals. Mit ihm wurde sie an-
gegriffen und geschmäht, durch ihn gewann sie Ansehen und einen
ungewöhnlichen äußeren Glanz. Das staatliche Sonderleben aller-
dings wurde durch die hohe Gegeuwart beinahe erdrückt. Wie
bätte ein Bürgermeister wagen können, den Wünschen eines Präsidial-
gesandten in Bezug auf eine Zeitung oder eine mißliebige Person
0 Das Verhältnis der Bundesversammlung zu der Stadt Frankfurt war
geregelt durch eine von der Bundesversammlung an den Senat 1816 erlassene
Erklärung. Klübers Staatsarchiv II, 157 ff. Über die ganze Angelegenheit
vergleiche Klüber, Öffentliches Recht des Deutschen Bundes I, ß 129.
 
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