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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0040
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Frankfurt vor der Revolution

maßgebendste politische Zeitung von selbständigem Urteil in Frank-
surt. Den Bedürfnissen der Handelswelt genügte sie durch regel-
mäßige Notierung der Londoner, Amsterdamer und Pariser Kurse.
Allwöchentlich kamen Börsenberichte von einem der ersten Frank-
furter Bankiers. In allen größeren Residenzen Hatte sie Spezial-
berichterstatter, die ihr regelmäßig Briefe des buntesten Inhalts —
von Temperaturwechsel bis zu Gesandtenaudienzen — zuschickten.
Auch größere Artikelserien, wie über die Tories, Irland und die
englische Presse kamen vor. Kleine Notizen und Hofklatsch flossen
ihr vom Bundestag zu. Die eigentlich entscheidenden politischen
Fragen in Deutschland, wie sie gegen die Dreißigerjahre hin immer
allgemeiner aufgeworfen wurden, fanden bestenfalls achselzuckende
Erwähnung, nicht eingehende Besprechung. Ihr Ton war recht
geschickt, verbindlich — Fürsten werden immer als Erlaucht bezeich-
net, bei Ministern wird die Exzellenz nie vergessen. Kurz, sie war
mit Umsicht uud Einsicht und Nachsicht und Vorsicht und Rücksicht
geschriebenes. Der Redakteur war einer der literarisch gebildetsten
Männer Frankfurts — Berly, natürlich Hofrat, dessen angenehmer
häuslicher Verkehr sogar Börne, also einen Mann der entgegen-
gesetzten politischen Richtung, anlockte. Von seinen diploma-
tischen Gönnern wußte er sich immer in einer gewissen Entfernung,
voll Respekt, aber voll Sicherheit zu Halten. Auch bei konservativen
Preußen wie Nagler stand er in großer Gunst. Dieser war der festen
Hoffnung, daß Berly mit dem „modernen Schwindel" — womit
der Liberalismus gemeint war — fertig werden würde.
Aufdringlich zeigte sich die antiliberale Tendenz in dem litera-
rischen Beiblatt der Oberpostamtszeitung, dem Frankfurter Kon-
versationsblatt. Über die Redakteurstelle verfügte hier Graf Mliuch-
Bellinghaufen persönlich, und seine Wahlen — zuerst der Kon-
vertit Rousseau, dann ein Doktor Schuster, der sich, um würdig
nachzufolgen, aucb katholisch taufen ließ — zeigten Konsequenz.
Daß er Gutzkow, der sich in äußerster Bedrängnis einmal an ihn
wandte, abwies, war selbstverständlich. Die geschichtlichen Aufsätze,
die dies Beiblatt brachte, waren reichlich verziert mit Anspielungen
auf die Güte der vorhandenen Zustände und den bösen Fanatismus
uud Radikalismus. 1833 brachte man es sogar fertig, die heilige
Allianz aus dem Grabe zu singen — in Strophen von einer Ge-
dankenfülle und holperigen Schönheit wie die folgende:

y Börne, Der Narr im weißen Schwan. Viertes Kapitel. Er gibt hier
eine entzückende Satire auf die O. P.
 
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